Auf zu neuen Ufern

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Über ein Jahr hat MERLIN nun gut und sicher in Kusadasi gelegen. Für uns als Eigner, eine interessante Zeit mit vielen Veränderungen. Wir mussten lernen, ohne Charterfirma im Hintergrund, Eigenverantwortung zu tragen und die vielen anstehenden Probleme selbst zu bewältigen. Günter, der Chef von YMT hat viel dazu beigetragen, diese Probleme zu meistern. Aber ohne Chartereinnahmen wird es langsam immer schwieriger, MERLIN zu halten.

Mit dem Einstieg bei Sail with Friends und der Unterstützung durch Pitter-Yachting ist ein neues, viel versprechendes Kapitel aufgeschlagen. In Kas warten ein neuer Stützpunkt und eine neue Aufgabe auf MERLIN und uns.

 

Freitag 13. März 2015 „total unterhopft“

Wir treffen gegen 18:05 Uhr in Izmir ein. Wir, das sind Wolfram, Matthias und ich. Ein Gepäckband entfernt poltern gerade die Koffer der aus München kommenden Lufthansamaschine aufs Band. Ich entdecke Bernhard, den Eigner der DIDO, im Getümmel. Er hält angestrengt Ausschau nach seinem Gepäck. Er stellt uns seine Crewmitglieder Andrea und Wolf vor. Wir beschnuppern uns und sind uns von Anfang an nicht unsympathisch. Als wir in der Marina von Kusadasi ankommen wird es schon dunkel und es ist zu spät noch großartig was zu erledigen. So beschränken wir uns auf das Wesentlichste. Das Abendessen und ein paar EFES bzw. Angora (Wein). Es ist kalt und regnerisch, beinahe so ungemütlich wie daheim.

Samstag 14. März

Es regnet immer noch. Günters Crew repariert die Stromzufuhr, damit die zweite Nacht an Bord nicht ganz so ungemütlich wird wie die Erste. Den Vormittag verbringen wir mit äußerst umständlichem Geld umtauschen, einkaufen und stundenlanger WLAN-Programmiererei. Ein letztes Mal geht es in mein Stamm-Cafe um diese total schweren Kalorienbomben zu genießen. Die Crew der DIDO ist derweil auf Handtaschenkauf.

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Günter, der sonst so taffe Junge, bekommt beim Abschied etwas glasige Augen. MERLIN hat es ihm angetan. Aber sicherlich auch wegen der vielen Arbeiten die er für uns verrichten durfte. Und wohl nicht zuletzt wegen Leberkäs und Streichwurst die wir ihm zum Abschied schenken. Naja, es war schon eine schöne und abwechslungsreiche Zeit, hier in Kusadasi. Einer Stadt, die europäischer nicht sein könnte. Tschüss Günter, und danke, dass Du so gut auf MERLIN aufgepasst hast.

Abends, nach unendlich langer heißer Dusche, geht es ein letztes Mal in Cinar´s Fischrestaurant. Ein schöner Abend mit viel Seemannsgarn als Einstimmung auf den Törn. Beim Absacker an Bord stellen wir zuversichtlich fest, dass der Luftdruck um 10 hPa gestiegen ist.

Sonntag 15. März (40NM)

Um 7:00 Uhr wecken. Luftdruck 1022 hPa, Tendenz weiter steigend. Punkt 8:00 Uhr fahren wir aus der Hafeneinfahrt. Gegen 11:00 Uhr befinden wir uns schon in der Straße von Samos. Bernhard mit der DIDO ist uns dicht auf den Fersen. Im Schmetterling geht es Kurs 150 Grad Richtung Didim. Um 16:30 Uhr, eine knappe Stunde vor dem Ziel machen wir ein ungeschicktes Segelmanöver und starten, um einigermaßen manövrierfähig zu bleiben,  sicherheitshalber den Motor. Nach kurzer Zeit beginnt der Volvo laut zu pfeifen und Rauch steigt vom Niedergang auf. Glücklicherweise stellt sich nach mehreren Schrecksekunden heraus, dass es kein Motorbrand ist. Das Kühlmittel-Ausgleichsgefäß hat sich los vibriert und dabei wurde der Kühlwasserschlauch von der Keilriemenscheibe durchtrennt. Die austretende Flüssigkeit verdampfte auf dem heißen Motor. Vorsichtshalber haben wir den Motor nicht mehr laufen lassen und Bernhard hat uns längsseits in die Marina geschleppt.

Abends geht es im fünfsitzigen Taxi zu siebt nach Didim. Leider hat meine Stammkneipe Ruhetag, aber der Taxifahrer kennt eine gute Alternative. Sicherlich ist sein Onkel der Kneipenbesitzer. Der rot glühende Eisenofen in der Mitte des Raums würde jeden deutschen Ofenbauer beeindrucken. Vom kunstvoll geschwungenen Ofenrohr ganz zu schweigen. Aber es macht richtig warm. Nachts wieder kein Landstrom, sch…. Technik.

 

Montag 16. März (23 NM)

Es ist kurz vor 8:00 Uhr. Langsam werde ich hier zum Frühaufsteher. Eine nette schwäbisch schwätzende Türkin bedient uns im Marina-Office. Für unser Stromproblem erhalten wir ein nagelneues Adapterkabel und werden dann an einen Volvo-Techniker vermittelt. Um 12:00 Uhr ist das Ausgleichsgefäß wieder an Ort und Stelle, die Kühlleitung erneuert, der Keilriemen getauscht, das Öl für den Saildrife nachgefüllt und meine Urlaubskasse um viele Türkische Lira erleichtert. Aber wir sind wieder einsatzbereit. Direkt nach der Marina-Ausfahrt setzen wir die Fock und queren den Güllük Körfezi mit Ziel Turgutreis. Wind und Wellen nehmen zu und lassen es zu einem sportlichen Trip vor dem Wind werden. Gegen 16:30 Uhr laufen wir, ohne fremde Hilfe, in die Marina Turgutreis ein. Bernhard ist schon da und hat uns einen schönen Platz reserviert. Er ist vor uns in Didim ausgelaufen und wollte zum Mittagessen einen Abstecher nach Gümüslik machen. Leider waren dort noch alle Kneipen geschlossen. Leider auch das Lokal mit den tollen Kürbislampen. Abends sind Andrea, Bernhard und Wolf mit dem Taxi nach Bodrum los gezogen. Zum Handtaschenkauf, da die Auswahl in Kusadasi nicht sehr berauschend war. Wir hingegen sind zu Fuß nach Turgutreis aufgebrochen und haben in einem einfachen aber landestypischen Lokal gut und günstig gegessen. Beim Absacker ab Bord kommen erste große Diskussionen über die generelle Törnplanung auf. Die Etappen seien falsch berechnet, viel zu lange und das Ziel scheint quasi unerreichbar. In der Nacht quälen mich alle möglichen und unmöglichen Gedanken.

 

Dienstag 17. März (39 NM) Bomonti statt EFES

Das Morgenrot weckt mich um 6:30 Uhr lange bevor das Handy läutet. Um 7:30 Uhr, nach einem ersten Schluck Kaffee, legen wir ab. Die Crew der DIDO schläft noch. Wir gehen zunächst auf Südkurs und steuern ab 8:45 Uhr 130 Grad an der Insel Kos vorbei. Ab 10:00 Uhr kommt Wind auf und wir setzen Segel. Es geht flott voran. Um 11:00 Uhr meldet DIDO Motorstörung. Aus einem Schlauch tritt Kühlflüssigkeit aus. Komisch, aber irgendwie hab ich das kürzlich schon mal erlebt. Bernhard kann die Undichtigkeit mit Bordmittel beheben. Um 12:30 Uhr erreichen wir die Datca-Halbinsel. Knidos, die historische Städte ist von See her nicht besonders einladend und zum Landgang reicht die Zeit nicht. Unser Tagesziel ist der kleine Hafen Palamut Bükü. Die Hafenhandbücher warnen vor der jährlich neu versandenden Einfahrt. Bei 0,4 Meter Wasser unterm Kiel verliere ich die Geduld und gehe in Rückwärtsfahrt. Nicht zuletzt weil auch die besten Plätze im Hafen bereits vergeben sind und DIDO einen größeren Tiefgang hat. Wir schippern weiter nach Hayiyt Bükü in der Nähe von Mesudye. Zu unserer großen Verwunderung wurde der, in den Hafenhandbüchern beschriebene Steg demontiert. Nachbarschaftsstreitigkeiten gibt es anscheinend nicht nur in Deutschland, wie wir erfahren. Wir ankern erstmals auf diesem Törn. Bei 4,7 Meter Tiefe fällt der Anker in den Sand und wir liegen frei schwöjend in der westlich gelegenen sehr schönen Palmenbucht. Die Sonne scheint und es kommt ein wenig Urlaubsfeeling auf und verleitet zu einem Bad im Meer. Sehr erfrischend, aber herrlich.

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Wolf und ich reservieren nach kurzer Dinghi-Fahrt einen Tisch im eigentlich noch geschlossenen Strandrestaurant. Dort sind wir die ersten Gäste der Saison und versuchen Bomonti. Das malzige Konkurrenzprodukt zu dem überall gegenwärtigen EFES-Bier. Bei der nächtlichen Rückfahrt nimmt Wolfram noch ein unfreiwilliges Bad und zieht sich einige Prellungen zu. Ausgerechnet Wolfram, der sich beim Alkohol immer dezent zurück hält. Glücklicherweise hat er sich nichts gebrochen. Wir sind Meilenweit vom nächsten Arzt oder Krankenhaus entfernt.

 

Mittwoch 18 März (51 NM) Tür auf, Tür zu, Tür auf, Tür zu.

Um 5:30 Uhr läuten sämtliche Handys. Um 5:52 Uhr gehen wir Anker auf. Zum Glück stehen die Yachten günstig und wir kommen mit der Ankerkette gut an DIDO vorbei. An deren Deck herrscht noch Funkstille. Nachdem die 46er Bavaria mindestens zwei Knoten schneller läuft, hat man es nicht so eilig und kann jeden Tag ein bis zwei Stunden nach uns los. Aber langsam bereitet mir das zeitige Aufstehen sowieso kein Problem mehr. Das Bordleben unterliegt einem anderen Zeitgefühl.

Wolfram, immer noch lädiert, hilft beim Ablegen, verschwindet aber bald darauf wieder in der „Krankenstation“. Um 8:15 Uhr erreichen wir die Insel Symi. Langsam kommen wir wieder, in für mich, bekannt Gefilde aus lange zurück liegender Zeit. Hier hab ich vor über 20 Jahren meine ersten eigenen Segelerfahrungen gesammelt. Das dies damals alles so gut ging, grenzt, aus heutiger Sicht, an ein Wunder.

Der Luftdruck ist auf 1017 hPa gesunken. Wir segeln noch im Sonnenschein, aber am türkischen Festland braut sich einiges zusammen. Ein letztes Mal wechseln wir die Gastlandflagge von blauweiß nach rot. Es geht weiter, der türkischen Küste entlang. Vorbei an der Bucht von Nemo, wie wir den namenlosen Naturhafen 36°35`N  28°03`O damals getauft hatten. Der Wind dreht ziemlich rasch von Nord nach Süd und es entsteht schnell ein Rückstau an den Bergen, mit Gewitter, Starkregen und Blitzschlag. Um 16:30 Uhr sind wir am Kap Kadirga angekommen und biegen bei heftigen Gewittern in den Golf von Marmaris ein. Kurz vor dem Erreichen der Netsel Marina lässt der Regen etwas nach und die Sichten nehmen wieder zu. Der Nieselregen bleibt uns trotzdem erhalten. Das Marina-Personal weist uns in die engste Lücke ein. Eine heiße Dusche weckt die Lebensgeister wieder. Auch in der Marina kommen alte, längst vergessene Erinnerungen hoch. Hier hab ich 1995 meine erste Charteryacht, eine Feeling 1088 mit dem Namen DOMINO übernommen. Nach einer Stunde trifft auch die DIDO ein.  Die Kneipenempfehlung des hochdeutsch sprechenden Marina-Managers entpuppt sich als Flopp. Aber irgendwie lässt sich keiner die Stimmung verderben. Nur die Zugluft im Lokal lässt sich irgendwie nicht regulieren. Kaum wird die Schiebetüre von uns verschlossen, steht sie auch schon wieder offen. Der Vorgang wiederholt sich gefühlte hundertmal.

 

Donnerstag 19. März (46NM) Rattenkot sieht aus wie Kellogs, schmeckt aber anders.

Um 6:30 Uhr ist die Nacht zu ende. Das Barometer steht auf 1013 hPa versucht aber leicht zu klettern. Wolfram hat immer noch Probleme mit der Schulter, lässt es sich aber nicht nehmen den Ableger zu fahren. Um 10:20 sind wir querab dem Kap Disibilmenz und kommen unter Fock und Motor recht gut voran. Die Sonne scheint. Es herrscht Bacardi-Feeling . Nur Matthias schwächelt etwas. Die Erkältungswelle der DIDO ist wohl endgültig übergeschwappt. Um 12:30 Uhr, kurz vorm Kap streikt der Motor erneut. Nimmt kein Gas mehr an. Ich ahne Schreckliches. Nach mehreren Wiederbelebungsversuchen, Tankentlüften, Handspritpumpen, Zulaufleitung checken usw. bestätigt sich der Verdacht. Die Spritleitung ist mal wieder mit Dieselalgen zugesetzt. Der Wind steht aber günstig und wir können bis kurz vor Göcek segeln. Volkan, der Stützpunktleiter von Sail with Friends kommt uns ein Stück entgegen und schleppt uns in die Marina. Einer seiner Mitarbeiter kommt an Bord und beginnt noch während des Schleppens mit der Reparatur.  Zwei hochmotorisierte Schlauchboote bugsieren uns zum Steg C. Zwei weitere Techniker aus Volkans Truppe machen sich sofort an die Arbeit. Tank, Zuleitung und Motor werden gründlich geprüft. Selbst der in Didim provisorisch montierte Ausgleichsbehälter wird wieder fachgerecht angebracht. Ich bin begeistert. Das nenne ich Service! Judith, die Chefin im Büro, begrüßt uns freundlich. Ich habe sofort das Gefühl wieder wo daheim zu sein. Auch in Göcek war ich vor vielen Jahren schon mal. Die Marina hat nichts von ihrem Charme verloren. Für mich einer der schönsten Orte in der Türkei. Nur der Koch in der Marina-Bar muss sich bei meinem nächsten Besuch etwas mehr anstrengen. Der allabendliche Absacker findet auf der DIDO statt. Leider ohne Matthias, der kuriert seine Erkältung aus.

 

Freitag 20 März (62 NM)

Der letzte Segeltag beginnt um 6:12 Uhr. Bei Stahlblauem Himmel legen wir vom Steg C ab. Der Motor schnurrt wie neu. Zum Kaffee zündet sich Matthias ein Zigarettchen an. Die Erkältung scheint überwunden. Wolfram übernimmt die erste Schicht am Ruder. Wir tuckern aus der Bucht von Fethje. Die Fock hilft dem Motor etwas nach. Um 11:00 Uhr warten wir auf die angekündigte Sonnenfinsternis, aber irgendwie scheinen wir einige Breitengrade daneben zu liegen. Es ist nichts zu sehen und es wird auch nicht dunkel. . Gegen Mittag legt der Wind kräftig zu.  Zunächst freuen wir uns über die Fahrtzunahme, dann wird es aber immer extremer. Die 3 Meter-Wellen laufen unter uns durch und lassen das Kurshalten zum Kraftakt werden. An Kalkan vorbei wird es mit 36kt Wind ein rechter Ritt. Obwohl wir mit über 7 Knoten unterwegs sind, ziehen sich die letzten Meilen wie Kaugummi. Kas Marina heißt uns auf Kanal 72 herzlich willkommen. Trotz Starkwind klappt der Anleger perfekt. Wir sind am Ziel einer langen Reise. Selbst den Tag Sicherheitsreserve haben wir nicht gebraucht. Der Manöverschluck läuft runter wie Öl. An Deck tobt ein regelrechter Sturm. Das Einchecken im Office der nagelneuen Marina geschieht deutschsprachig und in entspannter Atmosphäre, bei einer Tasse Tee. Zwar dauert das Prozetere etwas länger, aber schließlich haben wir ja auch bis 2016 gebucht. Die Marina macht einen sehr guten Eindruck auf mich. Die Sanitäranlagen sauber in Schuss. Der Supermarkt mehr als gut sortiert.

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Am Rückweg zu MERLIN sprechen uns zwei Mädls auf einem Roller an. Leider wollen sie dann doch nicht mit uns in die Disco. Sie sind „nur“ beauftragt unseren Rücktransfer nach Dalaman zu organisieren. Klasse Service hier. Abends nehmen wir unser Essen im ersten Stock eines der Marina-Lokale ein. Mit taumhaften Ausblick über die gesamte Marina. Draußen tobt der Wind. Die Sturmwarnung ist real.

 

Samstag 21. März (0,2NM)

Das Schwerwetter ist vorüber. Eigentlich wollte ich mal so richtig ausschlafen, aber meine innere Schiffsuhr tickt immer noch anders. So mache ich eine Sonnenaufgangstour. Treffe Enten und Schwäne und auch einige mit Gießkannen bewaffnete Gärtner. Alles Frühaufsteher.

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Bei Windstille versetzen wir das Boot noch an seinen angestammten Platz am Steg A. Während ich an Bord Bestandsaufnahme mache, versucht die Crew alle übrigen Lebensmittel zu verarbeiten. Wir fressen uns so durch den Tag. Der Verdauungsspaziergang führt uns nach Kas. Das Zentrum ist in 12 Minuten erreicht. Neben dem Einkauf von Gewürzen und den üblichen Souveniers, wählen wir schon mal ein Lokal für den Abend aus. Nachmittag läuft die DIDO ein. Sie sind gestern nur bis Fethje gefahren und sind heute erst den Rest der Reise angetreten. Nach dem Abendessen stoßen wir noch mal auf unsere gemeinsame Reise an. Ein erlebnisreicher Törn. Mit Sonne, Wind, Welle, Starkwind, Gewitter, Kälte und so manche Überraschung.

Thomas

SY MERLIN

PS.

Ab Mitte April steht die MERLIN wieder zur Charter bereit.

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