Auf was habe ich mich da nur eingelassen, drei absolute Laien zum Segeln mitzunehmen? Ich muss verrückt geworden sein. Schon bei der Vorbesprechung ging es eigentlich nur übers Kochen, Essen und Trinken. Halt nein, noch ein Thema war groß im Kurs. Mittel gegen Seekrankheit und ihre Wirkung. Und dann noch die Namen. Angelika, Andrea, Andreas. Da komme ich in der ersten Stress-Situation garantiert durcheinander. Vielleicht sollte ich sie in eins, zwei, drei umtaufen. Aber wer ist dann eins, wer zwei, wer drei?

Wie üblich bin ich bereits einen Tag vor der Crew angereist. Es gibt ja immer viel zu klären und diverse Vorbereitungen sind zu treffen.

Verspätung!

Meine Sorgen und mein Gefühlszustand verbessern sich auch nicht, als der Flieger eine dreiviertel Stunde Verspätung hat. Einzig der Fahrer, der mich von Antalya nach Kaş bringt, sorgt für kurzzeitige Aufheiterungen. Als er mit Vollgas durch die Stadt rast und die fünfte rote Ampel überfuhr musste ich dann doch schmunzeln. Die Flugverspätung hat er locker wieder Wett gemacht und sein Trinkgeld redlich verdient.

Kas Marina bei Nacht

Der absolute Schlag ins Gesicht kam aber erst noch, als mir am nächsten Morgen so richtig bewusst wurde, dass der neue Jahresvertrag für meinen Bootsplatz das Dreifache kosten soll. Eine unverschämte, fast schon kriminelle Preissteigerung, die selbst die Inflation in der Türkei bei weitem nicht wettmachen konnte.

Auch wenn ich mir nichts anmerken lassen wollte, war mir mein Gefühlszustand wohl anzusehen, als die Crew am Freitagabend eintraf.

Es ist immer lustig mit anzusehen, wenn Neulinge das erste Mal über die Passarella aufs Schiff balancieren. Dem Abgrund so nahe! Nach einer kurzen Einweisung und Verteilung der Kojen, ging es zum Abend- und anschließend zum Eis essen in die Stadt. Der darauf folgende „Absacker“ an Bord dauerte bis über Mitternacht. Wir hatten uns viel zu erzählen und langsam wurde mein Frust von Urlaubsstimmung übertönt.

Samstag, der 17. September 2022, 08:00 Uhr

Stahlblauer Himmel, Sonne, Luftdruck 996hPa, 32 Grad   

Obwohl ich im Salon schlafe, hat mein vorab angekündigtes Schnarchen niemanden gestört. Vieleicht weil hie und da auch leichtes Röcheln aus den anderen Kabinen drang. Um 08:00 Uhr kommt langsam Leben ins Boot. Zum Glück sind diesmal keine Frühaufsteher dabei, die sich schon vor Sonnenaufgang am Oberdeck zu schaffen machen.

Wir hatten vereinbart das Segelabenteuer langsam anzugehen. So bleiben wir heute noch in der Marina. Gewöhnen uns ans Bordleben, erkunden die Umgebung, gehen einkaufen und erledigen Restarbeiten an Bord. Dinghi aufblasen, Außenborder und Heckleinen-Rolle anbringen, Wasser bunkern usw. usw.. Doch zuvor ist erst mal das obligatorische türkische Frühstück angesagt. Unter Deck läuft den halben Tag der Ventilator, da die 32 Grad ohne ein Lüftchen ansonsten unerträglich sind.

Am Abend, als alles erledigt und das Boot abfahrbereit war, ging es noch mal in die Stadt ins Sempathi, eines meiner Stammlokale. Auch an der Oxygen-Bar in der Marina war kein Vorbeikommen.

Sonntag, der 18. September 2022, 08:00 Uhr

Sonne und leichte Bewölkung, Luftdruck 995hPa LOG 23246 NM, Motor 2146,4 Std.

Jetzt wird es aber Zeit los zu fahren. Das Frühstück beschränkt sich auf eine Tasse Pulverkaffee. Noch frisches Brot bunkern und um 10:00 Uhr machen wir die Leinen los. Der Ableger läuft wie am Schnürchen. Ich bin stolz auf meine Einweisungskünste. Aber auch auf die Auffassungsgabe der Crew. Unter Motor geht es ums Kap, dann Richtung Osten. Gegen 12:00 Uhr haben wir unser Tagesziel voraus. Eigentlich viel zu früh um schon wieder zu Ankern. Die Crew ist noch absolut fit und wir entscheiden bis Kekova weiter zu fahren. Nach der Durchfahrt bei der Insel Ić Ada Adasi machen wir unsere ersten Segelversuche. Auch hier klappt alles perfekt. Vielleicht hätte ich mir im Vorfeld gar keine so großen Sorgen machen müssen.

Nach der Einfahrt nach Kekova biegen wir links ab, Richtung Polemos Bükü. Der Düseneffekt in der Bucht ist wieder enorm. Aber bekanntlich hält der Ankergrund gut. Das zeigt auch der eingerichtete GPS-Ankeralarm. MERLIN tänzelt wie gewohnt sehr schwungvoll um die Ankerkette, aber wir bewegen uns, trotz der 28kt. Wind, nicht von der Stelle. Motor aus, Gasherd an! Bei Puten Cordon Bleu, Salzkartoffeln und Melonen-Schafskäse-Salat genieße ich es, dass mal wieder zwei Mädls an Bord agieren.

Gegen 20:00 Uhr lässt der Wind nach. Ein kurzweiliges Kartenspiel dominiert den Abend. Aber letztendlich sitzen wir dann doch alle an Deck und bewundern den überwältigenden Sternenhimmel. Das sind die Abende die das Segeln so besonders machen.

Montag, der 19. September 2022. 08:30 Uhr    

Sonne und leichte Bewölkung, Luftdruck 995hPa LOG 23246 NM, Motor 2150,7 Std.

Nachdem der Wind immer erst am Nachmittag einsetzt, gehen wir den Tag etwas ruhiger an. Die vorgeschlagene Wanderung zur versunkenen Lykischen Stadt wird mehrheitlich abgewählt. Dafür gibt es ein ausgiebiges Frühstück, mehrere Runden im Wasser ums Boot und ein Sonnenbad. Beim Tauchen stelle ich fest, dass praktisch kein Algenansatz am Unterwasserschiff ist. Die teure Copper Coat Beschichtung hat sich also gelohnt. Wir montieren den vergessenen Geschwindigkeits-Sensor um endlich Fahrtanzeige, Fahrstrecke und den scheinbaren Wind ablesen zu können. Eine Zeit lang bilden sich einige Tropfen um den Sensor. Irgendwann ist er dann aber dicht geworden.

Gegen 12:30 holen wir den Anker auf und verlassen die Kekova-Bucht. Draußen herrscht optimales Segelwetter. Wenig Welle, 8 bis 12kt Wind. Wir kreuzen, halsen, fahren Schmetterling, das volle Programm und genießen den herrlichen Segeltag.

Captain Andi

Gegen 15:30 Uhr dampfen wir in die Bucht, die Ingrid damals als Karibik-Bucht bezeichnete. Das Wasser ist immer noch türkiesblau. Aber im Gegensatz zu damals, als wir hier alleine ankerten, zählte Andrea diesmal 26 Boote. Unter Anderem Gullets mit ohrenbetäubenden Lautsprecheranlagen. Die Crew leistete sich ein Bad im herrlichen Wasser, während ich darauf aufpasste, dass keiner seinen Anker über meine Kette legt. Mir ist das zu viel Trubel. Nichts wie weg hier!

Wir runden noch die kleine Insel mit der rückgebauten Taverne, der gekappten Stromleitung und der spektakulären Höhle und nehmen Kurs Richtung Ügacik. Es entflammt eine lange Diskussion, warum das Adventure Packet 1 nicht gebucht wurde und deshalb keine Delfine zu erwarten sind.

Hassans Bildergalerie

Gegen 17:00 Uhr ankern wir vor dem Gemeindesteg auf 6 Meter Tiefe mit 50 Meter Kette. Sicherheitshalber und hoffend, dass auch heute der Wind nachts wieder einschläft.

Hassans Tochter holt uns um 19:00 Uhr mit dem neuen Boot ab. Auch wenn es das teuerste Abendessen des Törns wird, so ist es doch immer ein recht netter Abend bei Hassan, seiner Frau und seinen beiden Töchtern. Bei der Rückfahrt passiert der Klassiker und Andrea nimmt unfreiwillig beim umsteigen zwischen den Booten ein Bad. Aber sie ist tapfer und lässt sich ihre Blessuren nicht anmerken. Zum Absacker gibt es Musik von Queen. Der Abend wird wieder endlos lang.   

Dienstag, der 20. September 2022. 09:00 Uhr   

Sonne, Luftdruck 995hPa LOG 23264 NM, Motor 2153,2 Std.

Der Raki gestern war wohl etwas zu viel des Guten. Ein Käffchen zum munter werden. Anker auf um 10:30 Uhr. Wir verlassen Kekova und fahren schon mal ein gutes Stück zurück Richtung Kaş. Der Wind kommt genau gegenan, ergo müssten wir „draußen“ nach der Kursänderung ideale Segelbedingungen vorfinden. Aber genau wie sich unser Kurs ändert, so ändert auch der Wind seine Richtung. Irgendwie kommt mir das bekannt vor. Wir haben die ganze Strecke Gegenwind. Und zum Aufkreuzen ist er noch zu schwach um wirklich vorwärts zu kommen. Er nimmt erst zu, als wir unser Tagesziel bereits erreicht haben. Unter starken Fallböen ankern wir in Ince Burun an gewohnter Stelle auf 11 Meter Tiefe mit 60 Meter Kette. Sicher ist sicher. Der Wind legt abends noch mal deutlich zu und MERLIN beginnt sein Tänzchen. Für uns aber kein Grund nicht noch einmal die angenehmen Wassertemperaturen zu genießen. Anschließend gibt es eine bunte Gemüsepfanne „ohne“ Hähnchenkeulen. Eine Email der Fluggesellschaft reißt uns aus unserem Urlaubsmodus. Wir sollen die Sitzplätze für den bevorstehenden Rückflug buchen.

Der letzte Abend vor Anker wird wieder lang. Im Hintergrund die tausend Lichter der Stadt und über uns der Sternenhimmel. Wie gewohnt lassen irgendwann der Wind und die Böen nach. Es wird noch viel diskutiert, ob eine Nachzahlung für ein nur teilweise erfülltes Adventure Packet notwendig ist. Das Planktonleuchten wird vermisst. Willi ist Krank und der Lämmergeier schreitet zur Tat. Um 01:48 Uhr verlischt das letzte Licht unter Deck. Das Ankerlicht strahlt neben den Sternen noch weiter.

Mittwoch, der 21. September 2022. 0800 Uhr   

Sonne, Luftdruck 992hPa LOG 23282 NM, Motor 2156,6 Std.

Wir machen zeitig los. Der Wetterbericht sagt bereits ab Mittag Starkwind voraus. Die Crew ist zwar mittlerweile ein eingespieltes Team. Trotzdem möchte ich nichts Unnötiges riskieren. Gegen eine lange Restwelle und Gegenwind geht es Richtung Marina. Um 10:30 Uhr sind wir bereit zum anlegen. Einer der Marineros, ein Neuling vermutlich, bekommt unsere Mooringleine in seine Schraube. Wir setzten ohne Hektik ein zweites Manöver an. Aber auch da fängt er sich die Leine ein. Sein Kollege am Steg schlägt die Hände über dem Kopf zusammen. Beim dritten Versuch klappt es endlich. Im Gegensatz flutscht bei uns an Bord das Anlegemanöver optimal. Kein Fehler, kein lautes Wort. Einfach perfekt. Der erwartete Wind setzt etwas später erst ein. Dann aber richtig heftig. Ich bin froh bereits im Hafen zu sein.

Eine kurze, aber spannende Woche geht zu ende. Morgen geht’s für einige zurück ins kalte verregnete Deutschland. Die Crew war optimal. Eigentlich hätte ich mir wirklich keine so großen Gedanken machen müssen.    

LOG 23290 NM, Motor 2158,2 Std.

Ankunft in Kas

Es war eine absolut ruhige Nacht. Mit wenig „Männleinlaufen“ zur Toilette.  Nachdem ich die letzten Töns immer im Salon, quasi auf dem Sofa geschlafen habe, bekomme ich zwangsläufig jede nächtliche Bewegung mit. Aber diese Nacht ging´s eigentlich. Wahrscheinlich weil die Anreise doch relativ beschwerlich und zeitraubend war. Und somit die Müdigkeit überwiegte.

Das Frühstück nehmen wir entspannt im Marina-Restaurant ein. Wir haben keine Eile, haben den ganzen Tag Zeit für Vorbereitungsarbeiten, Dokumentenkram und Einkäufe. Die Stegnachbarn Jürgen und Burkhard kommen unter Tags zu einem kleinen Plausch vorbei und wir verabreden uns für abends ins Sempati https://www.facebook.com/SempatiTurkishCuisine/, eines meiner Lieblingslokale in Kaş. Doch zuvor gibt es noch eine Sicherheitsunterweisung an Bord. Da wir mit Udo einen Segelneuling an Bord haben, fällt die Unterweisung mal wieder sehr ausführlich aus. Bis hin zum Batteriewechsel an den Blitzleuchten der lange nicht mehr getragenen, Schwimmwesten. Udo ist in letzter Minute für Franz eingesprungen, der aus gesundheitlichen Gründen nicht mitfahren konnte. Er ist aber per WhatsApp-Törn-Gruppe quasi Live zugeschaltet

Ich falle aus allen Wolken, als Jürgen beim Abendessen erzählt, dass er erst am Montag auslaufen und das Schlechtwettergebiet am Wochenende abwarten will. Habe ich doch die letzten Tage intensive Wetterstudien betrieben und für die ganze Woche hervorragendes Segel- und Badewetter prognostiziert. Aber ein Blick in den Windfinder bestätigt Jürgens Aussage. Ab Freitagnachmittag wird´s heftig.

Beim Absacker an Bord diskutieren wir noch lange übers Wetter und die damit verbundenen möglichen Planänderungen. Eigentlich wollten wir mal wieder Richtung Fethiye und Göcek hoch um uns die Woche da oben rumzutreiben. Ursprünglich sogar bis Ekincik zu segeln. Aber  daraus wird wohl nichts werden. Jedenfalls nicht die ganze Woche lang.  Außerdem begrenzt die Tageslänge im Oktober schon merklich den Aktionsradius. Zumindest, wenn man Nachtfahrten vermeiden will.

Die Diskussionen dauern noch lange an. Und nebenbei wird mir klar, wir haben das falsche Bier zu Wein Verhältnis eingekauft.

Mittwoch, der 12. Oktober 2022, 07:00 Uhr

Sonne und hohe Cirrusbewölkung, Luftdruck 1003hPa, 24 Grad  

Log 23.290 NM; Motor 2.158,2 Std.

„Guten Morgen Sonnenschein“ Der Song von Nana Mouskouri reißt uns aus dem Schlaf. Das recht nervige Lied hat uns schon häufig als Weckruf an Bord begleitet. Lars hat es wohl nicht vergessen und auf seinem Handy eingeschmuggelt.

Wir verzichten auf ein opulentes Frühstück und legen bereits um 08:00 Uhr ab. Der erste Ableger funktioniert tadellos. Alle scheinen aufgepasst zu haben. Wir nehmen Kurs 270 Grad auf. Richtung Karakaören. Im Tagesverlauf nehmen Wind und Welle zu. Leider genau gegenan. Aufkreuzen können wir uns leider nicht erlauben, da es bereits um 18:30 Uhr dunkel wird. Wir stampfen ziemlich in die Wellen ein und werden immer langsamer. Um 11:30 Uhr querab Yilan Adasi kommen die ersten Zweifel auf, ob wir das Ziel rechtzeitig erreichen, oder doch lieber umkehren sollen. Wir entscheiden weiter zu fahren. Um 17:30 Uhr erreichen wir die navigatorisch anspruchsvolle Einfahrt. Es stehen schon etliche Yachten im Bojenfeld. Der sonst so aufmerksame Tavernen-Besitzer ist leicht überfordert und merkt gar nicht, dass wir uns an den anderen Yachten vorbei gemogelt haben. Erst als wir festgemacht und ihm gerufen haben, bemerkt er uns. Er teilt uns mit, dass eigentlich alles reserviert ist, da eine Regatta sich für den Abend angemeldet hat. Aber, nachdem wir nun mal da sind, dürfen wir bleiben und bekommen sogar ein Abendessen.

Gegen 19:30 Uhr, nachdem alles zugeparkt ist und die russischen Regattateilnehmer so langsam in Partystimmung kommen, gehen wir zurück an Bord. Dort ist der Lärm etwas erträglicher. Wir sind ziemlich erschöpft und nach dem allabendlichen Absacker begleitet von Tinder-Tittengewackel fallen wir rechtschaffend müde um 23:00 Uhr in die Kojen. Schwell schaukelt uns in den Schlaf.   

Donnerstag, der 13. Oktober 2022, 07:30 Uhr

Sonne, Luftdruck 1004hPa; LOG 23340 NM, Motor 2167,8 Std.

Wir wollen uns frühzeitig aus dem Staub machen. Bevor uns der Regatta-Trubel einnimmt. Aber der Motor macht keinen Zucker. Beim dritten Versuch springt er wiederwillig an. Vorsichtig bewegen wir uns durch das Bojenfeld, damit kein Russe erwacht.

Fetiye, Göcek und Ekincik können wir uns abschminken. Wir gehen auf Gegenkurs, zurück Richtung Kas. Ich will bei Durchzug der Front nicht zu weit von der Marina entfernt sein. Ein unangenehmer Schwell, vermutlich die Restwelle des Vortags, macht das Frühstück an Deck spannend. Gegen 11:00 Uhr setzt achterlicher Wind ein und wir kommen unter Segel recht gut voran. Teils Schmetterling, teils Vorwindkurs geht es um 13:30 Uhr bereits dem langen Sandstrand entlang. Nach einer Flaute unter Motorfahrt bekommen wir ab Kalkan wieder gute Segelbedingungen.

Bereits um 17:30 Uhr erreichen wir unseren Ankerplatz in der Bucht Ince Burun.  Wir ankern auf meinem Stammplatz mit 50 Meter Kette auf 10,8 Meter Tiefe. Dort findet sich dann auch recht bald Udos Schwimmflosse. Bergeversuche scheitern.

Kapitäns Dinner

Am Abend gibt es die berühmt berüchtigten Spaghetti mit zweierlei Saucen. Ich überlege, wie lange es diese Tradition wohl schon gibt. Dreißig Jahre werden nicht reichen. In der Verdauungsphase entfachen rege Diskussionen rund um die Fliegerei. Da bleibt kein Auge trocken. Ich liebe diese Abende ohne Fernseher, dafür mit Geschaukel.

Ein letztes Bier an Deck. Die Silhouette der Stadt Kas spiegelt sich im Meer. Das Kreuz des Südens über uns. Oder ist´s der kleine Wagen? 

Freitag, der 14. Oktober 2022. 08:00 Uhr    

Sonne und leichte Bewölkung, Luftdruck 1000hPa LOG 23394 NM, Motor 2175,6 Std.

Leider ist das WLAN Guthaben aufgebraucht. Wir erhalten deshalb keine neuen Wetterinformationen. Wir verwerfen die Idee nach Kekova runter zu segeln, da nicht sicher ist, ob wir am Samstagmorgen noch vor dem Wetterwechsel zurück sein können.

Somit haben wir Zeit zum Baden und für ein ausgedehntes Nobelfrühstück.

Gegen 10:30 Uhr laufen wir aus der Bucht. Der Motor springt auf Anhieb an. Es herrscht moderates Segelwetter mit wenig Welle. Wir kreuzen und halsen wie die Teufel, aber ohne konkretes Ziel. Jeder der will, darf mal ans Ruder. Immer im Auge, die Wolken der herannahenden Front.

Meist ist die Tankstelle bei der Marina verwaist. Selten, dass sich dort ein Boot länger aufhält. Aber als wir anrücken staut es sich schon im Hafenbecken. Eine Yacht betanken kann sehr zeitraubend sein. Zumal wenn sich Schlauchboot-Heinis vordrängen.

Nach einer Stunde, so gegen 15:00 Uhr ist unser Törn dann vorerst zu ende. Wir sind wieder am Steg C angekommen.

Yesil Restaurant

Es gibt vermutlich hundert Kneipen in Kaş. Aber mich zieht es immer wieder in die Selben. Diesmal ins Yesil Restaurant. Ein ganz einfacher Laden, aber mit vielen Eintopfgerichten zur Auswahl zu einem unschlagbaren Preis. Den Absacker nehmen wir in der Barcelona Bar https://www.facebook.com/groups/18138365959/ wo sich immer viele Deutsche Schiffseigner treffen. Den zweiten Absacker gibt´s dann an Deck.

Samstag, der 15. Oktober 2022. 07:00 Uhr   

Stark bewölkt, Luftdruck 998hPa LOG 23407 NM, Motor 2177,6 Std.

Serkan hat eine neue Starterbatterie besorgt und will sie heute gleich einbauen. Die Crew unternimmt derweil einen Tagesausflug nach Kastelorizo (GR). Das ist eine vorgelagerte kleine Insel mit einer typisch griechischen Hafenfront, kleinen Lokalen und Läden sowie einer historischen Kirche. Im Laufe der Jahrhunderte wechselte die Insel mehrmals den Besitzer. Zunächst zum Reich Alexander des Großen gehörig, wurde sie Römisch, dann Byzantinisch. Sogar Kreuzritter aus Rhodos belagerten sie. Anschließend wechselte sie mehrmals vom osmanischen Reich nach Griechenland und zurück. Wodurch sie von den Türken immer noch Meis genannt wird. Ohne die Tagestouristen wäre sie heute fast eine Geisterstadt.

Gegen 17:00 Uhr kommen die Jungs mit Ouzo und Havannas zurück.

Das Wetter wird immer heftiger. Der starke Regen zwingt uns am Abend in der Marina zu bleiben. In der Oxygen-Bar wurden durchsichtige Folienvorhänge angebracht, die verhindern, dass die Spezial-Burger nass werden und das Bier nicht immer dünnflüssiger wird. Draußen blitzt und donnert es ohne Unterbrechung.

In der Nacht nimmt der Wind noch weiter zu, so dass MERLIN mittlerweile fast mit dem Heck an den Steg gedrückt wird. Außer beobachten lässt sich an dem Zustand derzeit aber nichts ändern. Gegenüber von uns steht ein großer Catamaran dessen linker Rumpf bei dem Wellengang versucht die Stromsäule umzuknicken. Es ist niemand an Bord und wir hoffen, dass das Schiff nicht leck schlägt.

Erst weit nach Mitternacht beruhigt sich das Wetter etwas.         

Sonntag, der 16. Oktober 2022. 08:30 Uhr   

Dunkle Wolken, kein Regen, Luftdruck 998hPa Log 23.429 NM Mot. 2180,0 zum Törnende.

Vorm Waschraum hat es einen Baum umgelegt. Alles liegt voll Blüten, beinahe wie bei einer Hochzeit. Am Wellenbrecher liegt ein halb versunkenes Boot quer im Wasser. Wir sind uns aber nicht ganz sicher, ob es nicht schon vor dem Sturm dort lag.

An segeln ist heute nicht zu denken. Die Crew macht einen Landausflug und besichtigt u.a. das Amphitheater.

Gegen 17:00 Uhr beginnt es erneut zu regnen. Das ist aber nicht der Grund weshalb wir an Bord zu Abend essen. Vielmehr ist Ebbe in der Bordkasse. Und obendrein ist noch sehr viel Proviant übrig. Mit den mitgebrachten Würsten können wir glatt einen fränkischen Abend gestalten.

Anschließen wird Willi krank und kann nur mit einer Weinkorkentherapie geheilt werden. Es besucht uns Bembers mit seinen Schafen und noch so einige Gestalten. So wird es auch diesmal wieder 23:30 Uhr.

Montag, der 17. Oktober 2022. 08:00 Uhr   

Sonne, von Osten hohe Schichtbewölkung, Luftdruck 1000hPa

Das Barometer klettert langsam wieder. Wir beschließen noch mal raus zu fahren. Zum Frühstück lassen wir uns ein Stück treiben, genießen die Tasse Kaffe und die Landschaft ringsum. Um 10:00 Uhr geht’s weiter Richtung Kalkan, der hohen Bewölkung ausweichend. Udo ist am Ruder und testet seine Fähigkeiten. In Fliegerkreisen würde man von Rollübungen sprechen. Um 11:30 Uhr erreichen wir Saribelen Adasi. Die kleine unbewohnte Insel soll uns für einen ausgiebigen letzten Badestopp dienen. Alte Erinnerungen werden wach. Hier ankerte ich vor 5 Jahren mit Ingrid. Zur Erholung nach einer stürmischen und schlaflosen Nacht.

Am Rückweg gab es nochmal recht brauchbare achterliche Winde. Auch wenn andere noch mal ans Steuer wollten, ließ ich es mir nicht nehmen, selbst bis Kas zurück zu segeln. Vielleicht ist es ja das allerletzte Mal. 

Gegen 16:00 Uhr endet der Törn mit einem Manöverschluck und einem perfekten Anleger am Steg C Platz Nummer 1. Nach 139 NM mit 21,8 Stunden Motorlaufzeit.

Bis zu meiner Haustüre durfte ich bei einem Mitsegler mitfahren, dessen Frau uns am Flughafen Nürnberg abgeholt hatte. Auf ihre Frage, wie´s denn war, kam die Antwort, dass es in Kaş sehr viele gutaussehende Russinnen mit aufgespritzten Lippen gab. Und dass am Fernseher in einer Bar eine geile Hochleistungs-Segelregatta zu sehen war.

Da frage ich mich doch, wie unterschiedlich die Eindrücke einer Reise sein können.

Danke an Lars und Horst für die schönen Bilder.

Freitag, der 11. November

Tja, nun sitze ich schon wieder alleine am Nürnberger Flughafen an irgend so einem Gate herum und warte auf den Touristenbomber. Die letzten Wochen waren sehr ereignisreich. Um nicht zu sagen turbulent und letztendlich auch frustrierend. MERLIN sollte nun endlich verkauft werden. Seit wir vor vier Jahren Hundenachwuchs bekommen haben, geht Ingrid nicht mehr mit zum Segeln. Und es wird immer schwieriger Mitsegler zu begeistern. Schweren Herzens habe ich, nach 14 Jahren, MERLIN zum Kauf angeboten. Interessenten haben sich Einige gemeldet. Sogar aus der Schweiz und aus Kroatien. Letztendlich standen zwei Türken in der engeren Wahl. Sie waren bei der Besichtigung und Probefahrt sehr begeistert. Im Vorfeld wurden viele Dokumente gescannt und verschickt, gefühlt 100 Fragen beantwortet und geklärt. Dann haben die Beiden per WhatsApp den Kauf besiegelt.

Nun sitze ich kopfschüttelnd am Gate 19 und warte auf irgendeine Boeing. Das Ticket hatte ich vorgestern gekauft, um meine persönlichen Sachen aus dem Boot mit nach Hause zu nehmen und die Schlüssel zu übergeben. Und letztendlich um mich bei MERLIN zu verabschieden.

Frustbier

Gestern Abend kam dann die Absage der Türken. Ich war wie vorn Kopf geschlagen. Für mich war´s eine 180 Grad Wende. Alles was ich wohlweislich nach dem letzten Törn schon mit Heim genommen habe, musste nun wieder mit runter. Das Boot musste winterfest gemacht werden. Ein neuer Liegeplatzvertrag musste für Schweinegeld geschlossen werden. Oje, ich stand immer noch neben der Kappe. Der Rest des Tages lief ab wie ein Film. Seesack vom Band – Transfer – Boot elektrifizieren und für die Nacht klar machen – Abendessen. Erst nach einigen Frustbierchen kam ich zur Ruhe.

Samstag, der 12. November

Um acht Uhr drückt die Blase. Dann noch ein paar „Minütchen“ ruhen. Als ich wieder aufwachte und auf die Borduhr sah, war es nach zehn. Das letzte Bier war wohl doch zu viel.  

Ümit der Marina-Chef war nicht im Büro. Klar, es war Samstag und ich unangemeldet. Es wurde mir ein Zettel mit einer handschriftlichen Zahl gereicht. 91.700 Türkische Lira kostet mein neuer Liegeplatzvertrag. Ziemlich genau das dreifache vom letzten Jahr. Ich wurde blass und bekam Schnappatmung. Natürlich könne ich am Montag mit dem Chef reden, aber bis dahin könne sich der Preis sicherlich noch mal verändern. Ich nahm das Risiko auf mich und verlies aufgebracht das Büro.

Mit meinem Freund, der mir beim Einwintern hilft, bzw. ich ihm helfe, habe ich mich für Sonntag verabredet. So erledigte ich schon mal alle möglichen Vorarbeiten, die ich alleine hinbekomme. Die Bestandsaufnahme der Kopfkissen und Decken gestaltete sich schwieriger als erwartet. Eine Tabelle musste her.

Für Abend machte Monika den Vorschlag zum Essen zu gehen. Ich hatte aber immer noch großen Bedarf mit mir selbst ins Reine zu kommen und blieb letztendlich an Bord.

Sonntag, der 13. November

Die Bohrungen müssen neu gesetzt werden.

Es herrscht immer noch T-Shirt Wetter. So bin ich froh, dass noch eine kurze Hose an Bord war. Zunächst bauen wir den neu beschafften Kartenplotter in die Steuersäule ein. Die Bohrungen passen natürlich nicht zum Vorgängermodell. Sonst wär es ja einfach. Anschließend werden die Segel gewaschen und vom Salz befreit. Meinen Nachbarn auf der Spicy Lady warne ich vor, dass es etwas spritzen könnte. Ich bekomme eine typisch englische Antwort: „Das macht doch nichts, ich bin doch Engländer“. Bis die Segel trocknen kaufen wir uns ein Bier vom Fass und sehen dem Trocknungsprozess von der Bar aus zu.

Anschließend muss das Dinghi noch verstaut und die Rettungsringähnliche Tasche abmontiert werden. Es wird dunkel. Mein Freund und Helfer will nach Hause. Schließlich hat er seinen Sonntag für mich geopfert. Ich kann ihm nur immer wieder danken. Mensch, wenn ich ihn nicht hätte.

Zum Abendessen treffe ich mich mit Monika und Burkhardt im Yessil-Restaurant. Es ist gerammelt voll. Resteessen ist angesagt.

Den „Absacker“ nehme ich unter Deck und sehe mir am iPad einen Schwarzweißfilm der Serie Raumpatrouille Orion an. In den 70ern ist mir gar nicht aufgefallen, dass im schnellen Raumkreuzer Plastikbecher und Bügeleisen verbaut wurden.

Montag, der 14. November

Ein Pulverkäffchen an Deck. In T-Shirt und Shorts, versteht sich. Schon erstaunlich für Mitte November. Um 11:00 Uhr folgt das vereinbarte Gespräch mit Ümit. Zu meinem Entsetzen war die Zahl auf dem kleinen Zettel vom Samstag auch schon nicht mehr gültig. Alles Jammern half nichts. Ümit hat sich redlich bemüht, mir noch etwas entgegen zu kommen. Um 4.700,- € erleichtert verließ ich das Büro. Aber immer häufiger kommt mir dem Liedermacher Wolfgang Buck sein Spruch in den Sinn: „Jammern auf hohem Niveau – Meine Swimmingpool-Heizung treibt mich noch in den Ruin“. Mit der Unterschrift auf dem Vertrag, geht es in die nächste Runde. Es wird also im kommenden Jahr noch einige erlebnisreiche Wochen unter Segel geben.

Nachbarskatze. Ganz schön mutig!

Bis 16:00 Uhr sind noch einige Restarbeiten nach Checkliste auszuführen. Dann werde ich abgeholt. Kas – Antalya – Nürnberg. Weit nach Mitternacht bin ich wieder daheim. Die Reise ist zu ende, aber die Abenteuer gehen wohl weiter!     

Anflug auf Nürnberg.

Zwei Jungs aus dem Nachbarfliegerclub haben mich angesprochen. Sie haben im Herbst, im Bayerischen Meer und auf unserem fränkischen Planschbecken, dem Brombachsee, ihren Segelschein und Sportbootschein gemacht und wollten nun mal spüren, wie sich so ein Törn auf dem „echten“ Meer anfühlt.

Für mich klang es verlockend, mal wieder zwei Segelnovizen mitzunehmen. Nicht immer die gleichen Typen, die gleichen Gesichter sehen und die gleichen Sprüche hören. Kalle, mein engster Freund und Flugzeugpartner der auch Fluglehrer der Beiden war und ebenfalls Pilot im Nachbarverein ist, war als vierter Mann sofort begeistert und bereit mitzufahren.

Fliegerisch sind die beiden Jungs längst auf Augenhöhe, wenn sie uns nicht sogar schon überstiegen haben. Aber auf dem Wasser gibt es wohl noch viel Potenzial.

So vereinbaren wir nach zwei lockeren Sitzungen einen gemeinsamen Törn für Mai 2023.

Samstag, der 6. Mai 2023

Wie üblich fliege ich zwei Tage voraus, um das Schiff klar zu machen und in der Marina alles Notwendige zu erledigen. Aber der Tag geht schon schön los. Der Flieger hat in Nürnberg schon mehrere Stunden Verspätung. Statt um 11:25 Uhr soll es um 14:20 Uhr erst losgehen. Und selbst diese Startzeit verzögert sich noch einmal.

Statt am Spätnachmittag entspannt an der Hafenfront im Pub zu sitzen, trudle ich, mit entsprechend Durst und Kohldampf, erst gegen 22:30 Uhr in der Marina ein.  Gott sei Dank hat der Supermarkt noch offen. Dann folgt der nächste Tiefschlag. Ab 22:00 Uhr darf kein Alkohol mehr verkauft werden. Der Verkäufer stimmt mir zu, dass dies Schwachsinn sei. Aber trotz Bitten und Betteln ließ er sich nicht erweichen ein paar Dosen raus zu rücken. An einer Bar die gerade schließt bekomme ich für Schweinegeld noch zwei 0,33er Tuborg. Aber Hauptsache der erste Abend ist gerettet.

Sonntag, der 7. Mai 2023

Für Mai ist es erstaunlich ruhig in der Marina. Nicht mal ein Drittel der Yachten ist bewohnt. Vielleicht liegt es auch am Wetter. Denn so kalt habe ich es in dieser Jahreszeit hier noch nicht erlebt. Der Klimawandel ist wohl auch in der Türkei nicht mehr zu leugnen.

Zur Verlängerung des Transit-Log treffe ich mich mit Okan, meinem Agenten. Seine Freundin läd mich gleich ein mit zu Frühstücken und ich werde regelrecht vollgestopft mit leckeren Sachen. Danach tut es gut, mir die Beine etwas vertreten zu können. In Kaş, meinem liebenswerten Zweitwohnsitz ist alles beim Alten. Um es nicht zu vergessen kaufe ich gleich die von Ingrid in Auftrag gegebenen Muskatnüsse ein. Der Einkauf macht den gestrigen überteuerten Bierpreis wieder wett. Und außerdem reicht die Menge an Nüssen vermutlich bis an unser Lebensende. Nachmittag beginnt es zu regnen.

Als das Deck wieder einigermaßen abgetrocknet ist, kommen meine Freunde Monika und Burkhard zu Besuch. Es gibt viel zu erzählen. Die Besitzverhältnisse ihrer Yacht verändern sich gerade. Und die Heimreise mit dem Wohnmobil steht an. Somit auch der von mir schon lange versprochene Rundflug über Bamberg.  Hoffentlich klappt es diesmal.  

Dank Serkan funktioniert der WLAN-Anschluß an Bord einwandfrei. So sehe ich mir am Abend im BR den Meibock-Anstich an. Tuborg passt da auch perfekt dazu und haut ned so nei wie die Böckle am Nockherberg.

Montag, der 8. Mai 2023

Seit geraumer Zeit überlege ich ja die MERLIN zu verkaufen. Schwanke dabei von einem Extrem ins Andere. Serkan der zu Charterzeiten Jahrelang auf MERLIN aufgepasst hat und sich auch heute noch technisch um das Boot bemüht, interessiert sich für die Yacht. Ich will sie aber mittlerweile nicht mehr ganz hergeben. Eine Partnerschaft würde mir vorschweben.

Ich packe ein paar Sachen ein und begebe mich mit einem Linienbus auf den Weg nach Göćek zu Serkan. In einem längeren Gespräch bahnt sich eine Lösung an. Nach meiner Rückkehr nach Deutschland muss ich das ganze aber noch gedanklich auf die Reihe bringen.

Visite in der Club-Marina Göcek

Gegen 19:30 Uhr kommt die Crew an. Es gibt eine erste, wenn auch nur kurze Einweisung. Dann geht es zum Abendessen ins Yesil-Restaurant nach Kaş. Anschließend noch ein paar Bierchen beim Deutschen Stammtisch in der Barcelona-Bar. Den Absacker nehmen wir an Bord. Es wird Mitternacht.

Dienstag, der 9. Mai 2023. 08:00 Uhr; 998,0 hPa leichte Cirrusbewölkung. Windstill

Oh Gott, es gibt Frühaufsteher an Bord. Das muss ich nächstes mal bei der Törnplanung bereits unterbinden. Jetzt ist es zu spät dazu. Aber zum Glück ist unser Early Bird ein leiser Geselle.

Wir wollen uns im Pasarella-Restaurant an der Hafenfront ein klassisches türkisches Frühstück gönnen. Die Entschleunigung der Crew ist noch nicht ganz abgeschlossen. So müssen wir die Zeit überbrücken, bis die Restaurants öffnen.  Vor 9:00 Uhr ist gewöhnlich kein Yachtie auf den Beinen, außer es drückt die Blase. Nur Touris rumpeln schon rum.

Kein Alkohol, nur Lebensmittel.

Nach dem ausgiebigen Frühstück geht es zum Großeinkauf. Teils im Marina-Supermarkt, teils in der Stadt. Nach dem Verstauen der Lebensmittel hat MERLIN gefühlt einen halben Meter mehr Tiefgang.

Was folgt ist eine sehr intensive Einweisung in das Boot, in sämtliche Rettungsmittel und in die Reiseplanung. Schließlich sollen die beiden Scheinneulinge so viel wie möglich mitbekommen.

Am Abend bekommt der Skipper im Sempathi-Restaurant sein lang ersehntes Rinderlenden-Steak, während sich die Leichtmatrosen mit landestypischer Schonkost begnügen.

Den Absacker gib´s wieder an Bord. Und wieder wird es Mitternacht. Man hat ja schließlich Urlaub.

Mittwoch, der 10.05.2023. 08:00 Uhr Sonnig 997,0 hPa; Windstille

Wir laufen planmäßig um 09:00 Uhr aus. Der Ableger klappt perfekt. Das Aufschießen der Leinen muss vielleicht noch etwas geübt werde. Vielleicht gab es ja am Nürnberger Kanal nur Bindfäden oder Kälberstricke. Das Speed-Log geht nicht. Vermutlich wie so häufig veralgt. Unser erstes Ziel ist Polemos Bükü. Eine Bucht im Kekova Körfezi.

Kriegsschiff in Sicht

Anfangs weht noch kein Windchen. Wir können also unterwegs entspannt frühstücken. Bei der Vorbeifahrt an der griechischen Insel Kastellorizon entdecken wir ein imposantes Kriegsschiff das hier die Stellung hält. Wir motoren durch die Enge bei der Insel Akar Bogazi. Anschließend kommt Wind auf. Wir setzen Segel mit Kurs aufs weite Meer. Theoretisch würden wir, ohne weiteres Zutun, irgendwann in Israel anlanden. Aber soweit lassen wir es nicht kommen. Mit ein paar Wenden und Halsen geht es zurück Richtung Kekova. Die Einfahrt erreichen wir gegen 15:00 Uhr und unser Tagesziel eine halbe Stunde später. Das Ankermanöver klappt. Wenn auch erst beim dritten Anlauf. Der Düseneffekt verkompliziert die Sache enorm. Meine Großmutter würde sagen „das ist gut fürs merken“. Und sie hatte eigentlich immer Recht. Hektik wäre hier fehl am Platz.

Die Jungs wollen sich unter Wasser den Speed-Log-Geber ansehen und in Gang bringen. Das Wasser ist eisig kalt. Und irgendwie kommen mir die Beiden vor, wie damals die „freiwilligen“ Helfer in Tschernobyl. Gut, kaltes Wasser ist nicht ganz so gefährlich wie Strahlung, aber für uns sind es Helden.

Der Düseneffekt lässt Merlin an der Ankerkette hin und her tänzeln bis sich am Abend der Wind legt. Die Jungs kochen Sahnegeschnetzeltes mit Reis. Sehr lecker. Es fehlt an Nichts!

Dafür, und für den aufopfernden Einsatz werden feierlich Orden „Helden der Bucht“ verliehen.

Den Absacker gibt es unterm Sternenhimmel an Deck. Was für eine Nacht!

Log 24NM

Donnerstag, den 11. Mai 2023. 08:30 Uhr; Sonnig, leicht diesig; 996 hPa.

Frühstück an Deck. Die Müslifraktion hat die Oberhand. Heute steht eine Wanderung zu einer Lykischen Siedlung auf dem Programm. Ich bleibe an Bord, spül das Geschirr ab und putze die Toilette. Wohl gemerkt, in dieser Reihenfolge. Gegen 13:30 Uhr kommt die Crew mit dem Dinghi zurück. Wir machen Brotzeit mit Bierkugel und Restgeschnetzeltem.

Um 14:45 Uhr Anker auf. Wir lassen uns von der Fock gemütlich aus der Bucht ziehen. Auf offener See lässt der Wind erstaunlicherweise nach. Zeit für ein Skipper über Bord Manöver. Fünf Minuten später bin ich, respektive die Wasserflasche, wieder an Bord. Unser Treiben scheint ein Rudel Delfine neugierig gemacht zu haben. Sie umschwärmen das Boot. Tauchen mal links, mal rechts auf. Diesmal klappen sogar einige Schnappschüsse. Es packt mich immer wieder eine gewisse Ehrfurcht, diese edlen Tiere zu treffen. Hoffentlich haben sie noch lange eine Überlebenschance in unseren mit Plastik und anderem Scheiß zugemüllten Meeren.

Da es mit dem Segeln nicht so klappen will, besichtigen wir die zerklüftete Eselsbucht. Ich kann mal wieder meine Story loswerden, von Piraten die hier versteckt auf vorbeiziehende Handelsschiffe gewartet haben. Langsam glaube ich die Geschichten schon selbst.   

Um 17:00 Uhr brechen wir nach Üćağis zu Hassan auf. Um 18:15 Uhr mit 50 Meter Kette auf 5,5 Meter Grund sicher und fest. Ankerbierchen bzw. Ankercola.

Bei Hassan werde ich schon fast wie ein Familienmitglied aufgenommen. Wir essen Vorspeisen, lecker gegrillte Dorade und bekommen lauwarmes Baklava zum Nachtisch spendiert. Zum Verdünnen gehört natürlich Raki dazu. Eine Zeitlang gesellen sich Joanna und Marcel zu uns an den Tisch. Zwei mir schon länger bekannte Weltumsegler die derzeit hier am Gemeindesteg einen Dauerliegeplatz haben.

Den Absacker gibt’s dann wieder Bord. Leider ist ein schwerer Diebstahl zu verzeichnen und trübt die gute Laune gewaltig. Eine Tüte Chips ist spurlos verschwunden. Alle Anzeichen deuten auf die Bugkabine hin. Der Fall beschäftigt uns bis weit über Mitternacht.

Log 15NM

Freitag, der 12. Mai 2023. 09:00 Uhr 994 hPa Sonnenschein mit leichter Eintrübung (nicht nur am Himmel)

Mein erster Schwumm ums Boot. Nicht nur zum wach werden, auch um den Raki aus dem Kopf zu bekommen. Es gibt eine Planänderung. Den Jungs hat es gestern so gut bei Hassan gefallen, dass sie am Rückweg hier noch mal einkehren wollen. Damit entfällt die heute geplante Fahrt nach Finike in die Marina. Die haben sowieso meine elektronische Reservierung noch nicht bestätigt. Also bleiben wir in dem uns mittlerweile schon bekannten Seegebiet rund um Kekova. Zum Frühstück gibt es diesmal nicht nur Müsli, sondern auch „falsches Rührei“. Also das Ei ist schon richtig, allerdings mit Bierkugel statt Schinken. Zu aller erstaunen wird als Beweisstück Nr. 1 eine leere Chipstüte in der Bugkabine entdeckt. Eine Taskforce wird einberufen.

Beweisstück Nummer 1

Um 11:30 Uhr lichten wir den Anker. Alles läuft wie am Schnürchen. Ich bin quasi nur noch Gast. In der Bucht gibt es bereits Schaumkrönchen. Draußen erwarten uns bis zu 30kt Wind und bis zu 2 Meter Welle. Wir machen einen längeren Schlag ins offene Meer und sausen mit dem dritten Reff immer noch mit 6 bis 7 Knoten durch die Gegend. Ich kämpfe mit dem Raki der mir offensichtlich noch mal durch den Kopf gehen will. Als alter Salzbuckel darf ich mir jetzt bloß nichts anmerken lassen! Nach der Wende steuern wir wieder zurück in die geschützte Bucht. Die Starkwinderfahrung war wichtig, aber jetzt reicht´s dann auch wieder. Wir legen eine Pause ein. Gegen 16:00 Uhr beruhigt sich die Lage. Wir holen den Anker ein, ohne an dem Ami anzudötzen,  der sich so saublöd vor uns gelegt hat. Es gelingt schmerzfrei.

Im Schmetterling geht es Richtung Kamishk Burun oder auch Karibikbucht, wie sie Ingrid betitelt hat. Die Diskussion ob der Bullenstander Königsblau, Dunkelblau oder Hellschwarz ist, endet als wir mit dem Bug in eine Höhle blicken und wenig später unseren Übernachtungsplatz erreichen. Um 17:45 Uhr fällt das Eisen auf 6 Meter Tiefe mit 40 Meter Ankerkette im Karibikblauen Wasser. Alles geschieht automatisch. Ich bin nur noch Gast.

Abends gibt es Spaghetti Carbonara und einen Absacker an Deck. Kurz nach 22:00 Uhr fallen die letzten Äuglein zu. Der Tag war ziemlich anstrengend. Die Nacht ist ruhig, bis auf einige Trompetenkäfer.  

Log 21 NM

Samstag, der 13. Mai 2023; 08:15 Uhr; Sonne pur; 999 hPa

Ein Schwumm ums Boot mit Körperreinigenden-Maßnahmen.

Nach dem obligatorischen Müsli-Frühstück inspizieren die Jungs mit dem Dinghi die Gegend. Inclusive der Höhle in der die MERLIN gestern nicht ganz hineingepasst hat. Es ist ein entspannter Vormittag mit Bücherlesen und vor sich hindösen.

Die neueste Mode

Um 13:00 Uhr verlassen wir die Bucht Richtung Demre. Außerhalb der Landabdeckung kommt richtig geiler Segelwind auf. Moderat mit lang gezogenen Wellen. Mit bis zu 20 Knoten Wind und 6 Knoten Fahrt kreuzen wir den ganzen Nachmittag mit ausgedehnten Schlägen bis hoch zur Einfahrt bei Kara Adasi die wir um 16:45 Uhr erreichen. Dann geht es mit mehrmaligem Halsen weiter in die innere Bucht zurück zu Hassan.

Um 17:30 Uhr fällt der Anker auf 5 Meter Grund mit 40 Meter Kette. Auf besonderen Wunsch der Crew lassen wir uns ein zweites mal von Hassans Tochter mit dem Motorboot zum Abendessen abholen. Diesmal sind die Vorspeisen noch Variantenreicher und als Hauptgericht gibt es Schwarzmeer-Fisch. Was immer das für eine Art Fisch ist. Wenngleich Simon penibel an den Gräten rum balanciert als würde er Mikado spielen, scheint es doch wieder vorzüglich zu munden. Nach der Rückkehr gegen 22:00 Uhr legt Kalle noch eine kleine Showeinlage aufs Parkett. Als Schmerzmittel zur inneren Anwendung gibt es Ouzo aus Kastellorizon. Nun scheint plötzlich auch Felix krank geworden zu sein. Zum Glück habe ich genügend Schnapsgläser an Bord.

Log 21 NM   

Sonntag, 14 Mai 2023; 08:00 Uhr; Sonnig 1001,5 hPa.

Täglich wird es wärmer. Wir erreichen mittlerweile 27 Grad. T-Shirt und Shorts sind durchgängig zu tragen. Selbst beim Segeln.

Um 10:30 Uhr gehen wir Anker auf. Wie gesagt, ich bin nur noch Gast an Bord. Alles funktioniert ohne Rückfragen und ohne schlaue Ratschläge.

Wir müssen ein gutes Stück zurück Richtung Kaş und hoffen auf guten Segelwind. Aber diesmal scheint uns das Glück nicht hold zu sein. Gegen 12:00 Uhr packen wir das Tuch wieder ein. Zu wenig Wind und aus der falschen Richtung. Ab Inci Adasi ist ein Kurswechsel notwendig und wir können die Segel wieder auspacken. Gemächlich geht es weiter. Um 15:30 Uhr legen wir nördlich Kovanli Adasi einen Badestopp ein. Nach gut einer Stunde geht es weiter nach Ince Burun wo wir um 17:30 Uhr auf 10 Meter Wassertiefe mit 60 Meter Kette ankern.

Die ersten Wahlergebnisse trudeln ein. Erdogan liegt knapp vorne. Wohl wieder dank der Deutsch-Türken die dann ganz entspannt aus dem sozialsten und demokratischsten Land der Welt auf das heimatliche Chaos aus Korruption und Inflation blicken können. Unser auswärtiges Amt warnt bereits vor Unruhen im Land.

Trotz Wahlkrimmi gibt es zum Törnabschluß „Kapitäns Dinner“ Spaghetti mit zweierlei Sauce, bunter Salat und Rotwein. Es wird langsam dunkel. Der Mond schimmert und tausend Lichter scheinen von Kaş herüber. Unsere letzte Nacht auf See.

Log 19 NM

Montag, der 15. Mai 2023; 08:00 Uhr; Sonnig 999 hPa.

Heute geht es zurück in die Marina. Die Woche ist rasant vergangen. Wir machen um kurz nach 8:00 Uhr ungefrühstückt los. Kaffee gibt´s unterwegs. Endlich darf ich auch mal wieder ans Ruder. Gegen 10:30 Uhr sind wir an der Tankstelle und füllen 33 Liter Diesel nach. Für umgerechnet 90ct pro Liter.

Um 11:00 Uhr stehen wir an unserem Steg C auf unserem Platz Nr. 1. Eigentlich müsste es jetzt Platz Nummer 1,5 heißen, da sie mir noch eine kleine Motoryacht vor die Nase gesetzt haben.

Die Jungs beginnen sofort wie die Wilden zu werkeln. Unaufgefordert, wohl gemerkt! Segel waschen, Boot putzen, Luft aus dem Dinghi lassen, aufräumen.   

Ich bin viel zu schwach mitzuhelfen und verschanze mich hinter meinen Logbuchaufzeichnungen.

Abends im Smiley´s-Restaurant noch mal ausgiebig Vorspeisen und lecker Fisch. Diesmal paniert und aus dem heißen Fett. Der letzte Abend an Deck wird noch mal genossen. Erst um Mitternacht fallen dem Letzten (also mir) die Äuglein zu.

Morgen geht es zurück. Hm, gerade jetzt, wo´s so schön ist. Naja, vielleicht kann man das ja mal wiederholen. An mir soll´s nicht liegen.

Log 6 NM    

Gesamt Log:    106 NM

Motorlaufzeit:    15 Stunden (Zählwerk von 2.184,1 bis 2.199,1)

Bemerkung:      Der Speed-Log-Geber konnte gar nicht funktionieren, er war nicht eingebaut.

                       Wenn man nachts auf einen Trompetenkäfer tritt hört sich das an als würde man furzen.

                        Der Chips-Diebstahl konnte nie ganz aufgeklärt werden.

Der erste Schluck kaltes Bier, das ist wie wenn einem ein Engel auf´s Herz brunzt.

Herbsttörn 2023

Wie soll ich diesmal anfangen? Es ist mein 35ter Törnbericht. Alles ist schon mehrmals gesagt und beschrieben worden. Alles wiederholt sich und ist doch immer wieder neu.

Beginnen wir heute einfach mal in der Gegenwart. Ich sitze im Flugzeug auf dem Weg nach Hause. Es ist wohl eine Boeing 737 neueren Baujahrs. Draußen ist´s stockdunkel. Ein paar Sterne funkeln. Ich könnte in meinem Buch weiterlesen, Musik hören, oder etwas schlafen.

Nein, ich habe mich diesmal fürs schreiben entschieden und beginne, bei einer kleinen, aber guten Flasche Rotwein in meinen Gedanken und meinen Notizen zu kramen. Es geht zeitlich ein ganzes Stück zurück. Weit vor den Törnbeginn.

Christian, der schon einige Male bei Segeltörns dabei war, hat mich im Frühsommer gefragt, ob er wohl mal wieder mitsegeln könne. Er ist ein aufgeweckter Zeitgenosse und beherrscht mittlerweile die meisten Manöver. So jemanden nimmt man gerne mit auf Tour. Seine Freundin, auch nicht zum ersten Mal dabei, ist im Gegensatz zu ihm eine recht ruhige und ausgeglichene Person. Natürlich darf Lydia auch mit. Ist doch klar.    

Schnell sind zwei weitere Aspiranten aus der Segelflugszene gefunden. Die sind total begeistert. Fast schon überschwänglich und sagen voller Euphorie spontan zu. Beim ersten Treffen fällt allerdings einem der Beiden ein, dass seine hochschwangere Frau zum Zeitpunkt des Törns kurz vor, oder bereits nach der Entbindung steht. Sowas kann man in der Hektik schon mal vergessen, oder? Der Andere hat zwar seine Frau nicht geschwängert, macht aber trotzdem vorsichtshalber auch gleich einen Rückzieher.

Christian weis einen Ausweg und zaubert einen ehemaligen Studienkollegen nebst Frau aus dem Zylinder. Nach zwei weiteren Treffen mit entsprechender „Beschnupperung“, kann ich die Crewliste abschließen und mit der Planung beginnen.

Springen wir nun einen zeitlich großen Schritt weiter. Bis zum 5. Oktober 2023

Ich habe es satt mitten in der Nacht aufzustehen und übernächtigt in einen Flieger zu steigen. Deshalb reise ich, wann immer es geht, mit Türkish Airline. Der Linienflug startet täglich um 11:00 Uhr in Nürnberg. Da muss ich nichtmal meinen Wecker umstellen. Es geht über Istanbul nach Dalaman. Von dort aus weiter mittels Transfer nach Kaş. Ich reise schon einige Jahre immer ein/zwei Tage der Crew voraus, um das Boot und die notwendigen Dokumente vorbereiten zu können. Um 22:00 Uhr habe ich mein Ziel erreicht.

Freitag 6. Oktober 2023

Burkhard kommt mich am Morgen besuchen. Wie immer haben wir uns viel zu erzählen. Wenngleich sein Rücken ihn derzeit peinigt, freut er sich über die mitgebrachte Dose Nürnberger Bratwürste und die Lebkuchen für Moni.

Die türkischen Gesetze schreiben vor, dass eine Yacht unter fremder Flagge maximal 5 Jahre im Land bleiben darf. Nachdem die Frist für MERLIN demnächst abläuft, habe ich geplant, zusammen mit der Crew am Sonntag auszuklarieren und am Montag, nach einer Nacht in griechischen Gewässern, wieder einzureisen. Dann beginnen die 5 Jahre aufs Neue.

Mein Agent wird fast panisch. Ich muss das unbedingt heute noch erledigen, da die Behörden am Wochenende geschlossen haben und er mich quasi schon angemeldet hat. So muss ich in aller Hektik mit dem Boot am Zollsteg erscheinen, die Prozedur über mich ergehen lassen und auf kürzestem Weg die türkischen Hoheitsgewässer verlassen. Alleine an Bord, ohne Hilfe.

Skipper allein unterwegs. Eine meiner wenigen Selfies ever.

Nach meiner Rückkehr, dem Zoll und Einklarierprozess sowie der beiden Anlegemanövern, am Zollsteg und Liegeplatz, bin ich ziemlich fertig. Und obendrein um 430,- Euro erleichtert. Nach ein paar scheiben Wurst, einigen Dosen Bier und einer Folge Hubert und Staller fall ich hundemüde in meine Koje.

Bemerkungen:

Motor 2213,0 Stunden (vor dem Ablegen)

Log 23429 NM

Serkan hat vorab die beiden Servicebatterien erneuert, Den Außenborder gewartet und die Feuerlöscher prüfen lassen. Super!

Samstag 7. Oktober 2023

Um 3:30 Uhr stelle ich fest, dass der Landstrom ausgefallen ist. Kann nachts aber keinen Fehler finden. Morgens stell sich heraus, dass lediglich mein Guthaben aufgebraucht ist.

Gegen 10:00 Uhr kommt die Crew. Es entsteht schlagartig ein ungewohnt hektisches Gewusel. Um 12:00 Uhr unterbricht der Hunger das Treiben. Wir gehen ins Passarella zum Frühstücken.

Ein typisch türkisches Frühstück ist für mich immer was Besonderes. Ja eigentlich auch ein kleines Anfangs-Highlight des Törns. Es werden Unmengen von Schälchen aufgetragen. Gefüllt mit den verschiedensten regionalen Köstlichkeiten. Marmeladen, Honig, Erdnuss-Creme, Ahornsirup, Öle, Oliven, Gurken, Tomaten, Nüssen, gegrillten Paprika, frittierten Würstchen, Pommes, Spiegeleier, Weißbrot usw. usw.

Beispiel eines typisch türkischen Frühstücks

Mir irgendwie unverständlich, warum unsere Mitseglerin mit Laktoseunverträglichkeit sich ausgerechnet sofort auf den Teller mit den verschiedenen Käsesorten stürzt. Mit der, in Deutsch formulierten Frage, ob es sich bei allen Sorten um Schafskäse handelt, war der Kellner natürlich überfordert und hat es höflich bejaht. Und so nahm das Schicksal seinen Lauf.

Um es gleich vorweg zu nehmen. Wir mussten nicht zum Arzt, nicht ins Krankenhaus. Und wir mussten auch unseren Törn nicht abbrechen. Aber seitdem hat der Begriff Lactose-Intoleranz und hier speziell das Wort Intoleranz, für mich eine ganz neue Bedeutung bekommen.

Gut gestärkt folgt der obligatorische Großeinkauf im Supermarkt. Anschließend ist weiter wuseln und ein erster „Schwumm“ irgendwo im Marina-Bereich sowie eine Runde Dinghi-fahren rund ums Boot angesagt. Was allerdings sehr schnell langweilig wurde. Den geplanten Sonnenuntergang auf den Stufen des Amphitheaters verpassen wir um Haaresbreite. Schönheit braucht halt seine Zeit.       

Das Abendessen nehmen wir im Yessil-Restaurant ein und gehen anschließend noch auf einen Absacker ins Barcelona. Der aller letzte Schluck an Deck fällt wegen Müdigkeit aus. 

Bemerkungen:

Motor 2216,0 Stunden

Log 23432 NM

Blindstopfen gegen Speedlog-Geber getauscht. Beim Betanken des Außenborders ist leider etwas Sprit daneben gelaufen. Gott sei Dank wurde es bald dunkel.

Das Faßbier im Barcelona war leicht säuerlich.

Sonntag 8. Oktober 2023

08:45 Uhr – 1000,5 hPa – teils bewölkt – windstill

Das Frühstück wird unter Deck eingenommen. Ich bin ja kein großer „Frühstücker“ und staune deshalb nicht schlecht, was man morgens alles so wegputzen kann. Aber angeblich soll ja das Frühstück die gesündeste Mahlzeit des Tages sein. Ich halte es eher umgekehrt. Moni und Burkhard kommen kurz zu Besuch um uns zu verabschieden. Um 11:20 Uhr laufen wir aus. Nach der langgestreckten Bucht Buçak Deniz und vorbei an der markierten Gefahrenstelle, probieren wir mit Kurs Richtung Kastellorizon alle Segel aus. Der Wind ist schwach und eigentlich gar kein Segelwind. Aber zum Ausprobieren der einzelnen Segelstellungen ideal für den ersten Tag. Kerstin schlägt sich gut am Steuer.

Ich erfahre, dass unsere Neulinge vor gefühlten 30 Jahren schon einmal auf Segeltörn waren. Dass es in Kroatien wohl schöner sei. Dort bessere Winde geherrscht haben, größere Wellen waren und es ein schnelleres Segelboot war. Und dass man bei Nachtfahrten angeblich nicht aufgestoppt hätte, wenn jemand von Bord gegangen wäre.

Ich tröste mich damit, dass sich die Geschichten im laufe der Jahre verändern. Und wenn die Beiden in ein paar Jahren mal wieder auf Segeltörn sein sollten, es sicher bei mir die besseren Winde die höchsten Wellen und das bessere Boot gegeben hat. Nur einfach weiter fahren würde ich nicht, sollte jemand nachts unfreiwillig von Bord gehen.

Gegen 13:30 Uhr schläft der wenige Wind endgültig ein. Wir motoren in die Bucht bei Inçe Burun. Der Anker fällt bei 11 Meter Wassertiefe und wir stecken 50 Meter Kette. Ankerbier! Baden! Feierabend!

Am Abend gibt es Linguine al Carbonara mit Salat und einen Schluck Rotwein dazu.

Ein halbes Jahr habe ich das schon vermisst. Eine ruhige Bucht. Das im Mondlicht spiegelnde Wasser. Die entfernten und doch sehr hellen Lichter einer Stadt. Den herrlichen Sternenhimmel, ohne Lichtverschmutzung. Leider entscheidet sich die Crew für laute Discomusik und ebenso laute Gespräche. Kann man machen, muss man aber nicht.

Bemerkungen:

Motor 2218,0 Stunden

Log 23438 NM

Wir haben sicherheitshalber einen Brotbeauftragten ernannt. Kerstin wird angewiesen die Weißbrote mehrmals täglich aus den Plastiktüten zu entnehmen, zu lüften und zu wenden.

Montag 9. Oktober 2023

08:30 Uhr – 1000,0 hPa – sonnig – 10kt Wind

Um 4:30 nimmt der Wind stetig zu und wir kommen dem Nachbarschiff, das nach uns noch gekommen ist, deutlich näher. Unser Anker hält. Aber die Schwoi-Kreise überschneiden sich beinahe. Ich mache es mir an Deck so bequem wie möglich und beobachte das Treiben. Bei Sonnenaufgang lässt der Wind nach und ich verkrieche mich wieder in meine Koje unter Deck.

Um 08:30 Uhr kommt Leben ins Boot. Frühstück unter Deck. Schwimmeinlagen rund ums Boot.

Um 11:00 Uhr holen wir den Anker auf. Nach Verlassen der Bucht steuert uns Lydia Richtung Kekova. Gegen 13:00 Uhr erreichen wir die Durchfahrt Akar Boğazi.  Als Mittagshäppchen gibt es Bruscetta. Langsam nimmt der Wind zu. Wir kreuzen und halsen ohne großes Ziel. Übung macht bekanntlich den Meister. Gegen 16:30 Uhr steuern wir die erste Einfahrt in den Kekova-Fjord an und biegen Richtung Polemos Büki ein, wo wir auf 8 Meter Tiefe 50 Meter Kette stecken. Es gibt Kaffee und Klebzeugs (Baklava) und für mich mein Ankerbier. Der elektronische Ankeralarm sorgt für Verwirrung, da optisch keine Drift erkennbar ist. Nachdem der Schwoikreis neu eingegeben ist, sind die Alarme beendet. Merlin tanzt wie gewohnt freudig um die Ankerkette. Bleibt aber an Ort und Stelle. Abends lässt der Wind nach. Herbert bereitet Kartoffelgrößtl mit Schinken, Spiegelei und Zwiebel.

Bemerkungen:

Motor 2221,1 Stunden

Log 23460 NM

Heute mal keine laute Musik an Deck. Dafür aber große Aufregung, weil die Fischerboote so laute Motoren haben.

Dienstag 10. Oktober 2023

08:30 Uhr – 998,5 hPa – sonnig – Windstill

Um 08:30 Uhr kriechen Alle aus den Kojen. Die Nacht war ruhig, sieht man einmal von den üblichen Pinkelgängen ab, an denen ich mich natürlich auch beteiligt habe. Ein Morgenschwumm im Salzwasser mit anschließender kurzer Süßwasser-Spülung. Der Wasserverbrauch ist, entgegen meinen Befürchtungen, sehr diszipliniert. Wenn das so weitergeht, müssen wir nicht mal nachbunkern.

Frühstück wieder unter Deck. Die außergewöhnliche Teezubereitung fasziniert jeden Morgen aufs Neue und treibt so manchen Puls in die Höhe. Zumindest wenn sich im Kaffeefilter mehr Teewasser befindet, als die darunter befindliche Tasse aufnehmen kann.

Heute ist Wandertag angesagt. Das Dinghi wird zu Wasser gelassen. Der Wanderweg führt an Purple House vorbei zur Lykischen Siedlung Apalia.

Ich bleibe an Bord und verlustiere mich indes an der etwas zickigen Toilettenpumpe sowie an einigen unangenehmen aber notwendigen Desinfektionsprozessen.

Gegen 14:45 Uhr nach einigen Mittagshäppchen geht es weiter. Außerhalb der Bucht tümpeln wir bei 3kt Wind dahin. Sehen uns die verwinkelte Piratenbucht näher an und fädeln am östlichen Ende des Fjords wieder ein. Kurs Üçağis.

Nachdem der Anker auf 5 Meter Tiefe und 50 Meter Kette gut festsitzt und das Ankerbierchen geleert ist, holt uns Burcu, Hassans Tochter, um 18:30 Uhr mit dem Boot ab

Es wird wie immer ein gelungener, leicht Raki-Geschwängerter, herzlicher Abend bei Freunden.

Bemerkungen:

Motor 2224,1 Stunden

Log 23474 NM

Mittwoch 11. Oktober 2023

08:30 Uhr – 999,0 hPa – sonnig – Windstill

Nachdem die Wettervorhersage auch für heute nicht viel Wind prophezeit, wollen wir das Gebiet um Kekova verlassen. Es gibt zwei Alternativen. Entweder ein großes Stück nach Westen. An Kaş und Kalkan vorbei bis Karakaören. Oder Richtung Osten nach Finike. Die erste Variante scheint uns dann doch zu weit. Um 11:00 Uhr holen wir den Anker auf und verlassen die Bucht mit Kurs Finike. Entgegen allen Vorhersagen kommt doch brauchbarer Segelwind auf. Mit durchschnittlich 16 kt sind wir bei 1 Meter Welle gut unterwegs.

Am Ruder löse ich mich mit Christian und Herbert ab. Um 16:00 Uhr erreichen wir Gök Limani. Eine weit ausladende Bucht kurz vor Finike. Durch Schwell und schlecht haltendem Ankergrund zum Übernachten nicht geeignet, beschreibt Andrea Horn in ihrem Hafenhandbuch die Örtlichkeit. Aber wir wollen hier sowieso nur zur Kaffeepause und zum Baden einen Zwischenstopp einlegen. Gegen 17:30 Uhr erreichen wir Finike Marina. Wir sind über das SETUR- Reservierungssystem bereits angemeldet und werden auch entsprechend empfangen.

Marina Finike

Wir machen am Steg A am uns zugewiesenen Platz 64 fest. Es gibt erstaunlich viele leere Liegeplätze hier. Der Boom der letzten Jahre scheint vorüber zu sein. Hoffentlich sinken dadurch auch die Liegeplatzgebühren wieder auf ein erträgliches Maß.

Es geht doch nichts über eine ausgedehnte warme Dusche mit Süßwasser.

Zu Abend essen wir, auf Empfehlung von Schiffsnachbarn, in der Stadt in einem Schnellimbiss. Ob´s die Richtige Adresse war, möchte ich aber bezweifeln. Am Rückweg werden wir kurz vor der Marina-Einfahrt förmlich in ein Restaurant hinein bugsiert. Auch als wir beteuern, dass wir bereits satt sind und nur noch ein Bierchen trinken wollen, dürfen wir gerne bleiben. Von der Terrasse aus haben wir einen tollen Rundblich auf die Stadt und den Hafen. Und das noch dazu mit traditioneller Livemusik.

Den zweiten Absacker gibt es an Deck. Zusammen mit den verpönten Käsechips, die in zehn Minuten verputzt waren. Es wird kurz nach Mitternacht bis alle Äuglein zugefallen sind.

Bemerkungen:

Motor 2228,0 Stunden

Log 20420 NM (Die Anzeige liegt um unerklärliche 3.000 Stunden daneben)

Finike – Reservierungs Nr. 7251

Gasflasche gewechselt

Landstrom und Wasser sind hier am Steg kostenlos

Kerstin, die neu gewählte Keilbeauftragte wird abgesetzt, da der Keil wieder fest auf der Ruderwelle sitzt.

Es wird behauptet, dass man in der Mikrowelle Teller vorwärmen kann? Ich verneine das kategorisch, werde aber irgendwie überstimmt. Auch wenn ich mir eigentlich ziemlich sicher bin. Aber was soll´s.

Donnerstag 12. Oktober 2023

08:00 Uhr – 1002,5 hPa – sonnig – Windstill

Kerstin und Herbert nutzen die tolle Morgenstimmung zu einem Ausflug und bringen tolle Bilder mit. Auf dem Weg zum Waschraum treffe ich Marcell. Er ist gerade gestern von einer sechswöchigen Überstellungstour aus Thailand zurück. Er und Joana wollen heute noch weiter nach Osten Richtung Mersin. Ein mir völlig unbekanntes Seegebiet. Ich hoffe bald via Facebook Berichte von den Beiden zu erhalten. Eigentlich wollten sie zur Weihnachtszeit nach Israel segeln. Aber die derzeitige Lage macht dies unmöglich.

Wir legen um 11:00 Uhr ab. Der Nachmittag beschert uns wieder guten Segelwind, so dass wir zurück Richtung Kekova unter Segel aufkreuzen können. Nur einmal brauchen wir kurz den Motor, um uns an einer Außenboje einer Fischzuchtanlage vorbeimogeln zu können.

Fischzuchtanlage

Um 18:00 Uhr erreichen wir die von Ingrid benannte Karibik-Bucht. Es gibt Spaghetti mit zweierlei Saucen und Salat dazu. Für den Absacker an Deck wird jetzt Flutlicht benötigt. Anscheinend um Chips und Wein besser orten zu können. Die Stille und der grandiose Sternenhimmel spielen für Stadtmenschen wohl nur eine untergeordnete Rolle.

So ist um 22:00 Uhr auch schon Zapfenstreich für mich. Eine Zeitlang lausche ich noch den nächtlichen Geräuschen im und rund ums Boot, dann schlafe ich zufrieden ein.   

Bemerkungen:

Motor 2230,7 Stunden

Log 20447 NM (Die falsche Zahlenreihe bleibt weiterhin bestehen)

In Finike Wasser gebunkert.

Dank meines Jahresvertrags in Kaş entstanden keine Liegegebühren.

Den Mann im Marina-Office kannte ich noch von Marmaris. Das ist 5 Jahre her. 

Freitag der 13. Oktober 2023

09:00 Uhr – 1003,5 hPa – sonnig – leichter Wind

Eine neue Idee keimt auf: Kaffeetrinken an Deck! Bei den früheren Törns war es eigentlich üblich, an Deck zu frühstücken. Warum dies bei diesem Törn anders ist. Ich kann´s mir nicht erklären. Vielleicht weil der Tisch unten im Salon größer ist und somit deutlich mehr Proviant aufgetragen werden kann. Als notorischer Nichtfrühstücker kann ich bei dem Thema sowieso nicht mitreden. Aber nach der ersten Tasse hat man sich dann doch zum Großeinsatz unter Deck begeben. Nur ich nicht. Der Morgen an Deck ist zu schön.

Um 10:45 Uhr dampfen wir aus der Bucht. Die Höhle die wir von der Wasserseite aus besuchen wollen, ist mit einer Ankerkette versperrt. Angeblich Einsturzgefahr. So steht es zumindest auf einem Schild. Jetzt hat sie Millionen von Jahren gehalten. Sogar im Frühjahr haben wir den Schiffsbug noch reingesteckt. Und jetzt ist sie auf einmal baufällig geworden. Was aber Kerstin und Herbert nicht hindert, sich schwimmend hinein zu wagen. Die Höhle hat jedenfalls gehalten!

Anschließend tuckern wir am unteren Kap der Insel Kekova vorbei. Aber selbst draußen, auf offener See, weht kein Wind. Wir entscheiden deshalb direkt nach Üçağiz zurück zu fahren und einen zweiten Wandertag einzulegen.  Um 13:45 Uhr ankern wir mit 40 Meter Kette auf 5,5 Meter Tiefe. Die Crew nimmt das Dinghi und wandert zur Burg Kaleköy. Ich bleibe an Bord. Kenn das ja alles schon zur Genüge.

Nachdem der Wind nun doch noch auffrischt, rückt mir eine große Motorjacht auf die Pelle. Einzig eine Frau ist an Bord. Nach deren Hilferufen eilt die Mannschaft von Land zurück und rettet die Jacht, bevor sie an meinem Bug zerschellt und untergeht.

Um 18:30 Uhr werden wir wieder von Burcu abgeholt und kehren ein zweites Mal bei Hassan ein. Diesmal wird´s fleischlastiger. Aber auch heute wieder doppelte Portionen. Ich begnüge mich mit den köstlichen Vorspeisen und einer vorzüglichen Fischsuppe. Die hatte ich hier noch nicht.

Den Absacker gibt es an Deck. Natürlich mit Festbeleuchtung. Bett- bzw. Kojenruhe ist um 23:00 Uhr.    

Bemerkungen:

Motor 2233,6 Stunden

Log 20456 NM (Langsam gewöhne ich mich an die falsche Zahl)

Die tägliche Mottendiskussion.

Merlin steht monatelang leer. Damit sich kein Getier einnistet, stelle ich nach Ende eines jeden Törns an den neuralgischen Stellen Mottenfallen auf. Daran lassen sich, im Laufe der Zeit, auch immer wieder Exemplare an den klebrigen Innenflächen fangen. Nachdem die Tierliebe einiger Crewmitglieder bereits bei Hund und Katz überspannt war, sind diese kleinen Schwebfliegen wohl ein absolutes Nogo gewesen. Leider wurden während des Törns zwei Exemplare unter Deck gesichtet was zu angeregten Diskussionen führte. Ein Begasen des Schiffes wurde angeregt. Ich überleg mir das dann aber erst nochmal. 

Samstag 14. Oktober 2023

08:00 Uhr – 1001,0 hPa – sonnig – Windstill

Täglich wird es morgens später. Aber wir haben heute keine Eile. Wir müssen nur zurück, in die Bucht vor Kaş. Der zweite Versuch an Deck zu frühstücken scheitert kläglich. Vermutlich wieder an der Vielfalt und Menge an Essen. Ich bleibe mit meiner Tasse beharrlich an Deck im Schatten sitzen. Um 11:00 Uhr holen wir das Grundeisen an Deck. Nachdem der Anker sauber und der Schrubber gerettet ist, geht die Fahrt los. Erst nach der Durchfahrt bei Akar Boğazi kommt einigermaßen brauchbarer Wind auf. Wir kreuzen, so sportlich wie möglich auf, und kommen gut voran. Ab 16:30 Uhr hilft der Motor mit und die Fock wird eingeholt. Die letzten Umdrehungen der Rollfock gehen ziemlich streng und es muss vom Bug aus nachgeholfen werden.

Um uns herum ziehen Gewitter auf. Die Wolkentürme sind ein herrlicher Anblick, in der tief stehenden Sonne. Skipper werden bei diesen Ausmaßen allerdings eher unruhig. Das Wetterradar meint, dass sich die Gewitter ins Landesinnere verziehen werden. Hoffen wir´s.

Abends gibt es Schinkennudeln mit Salat und den restlichen Rotweinbeständen. Bettruhe ab 22:00 Uhr

Bemerkungen:

Motor 2236,0 Stunden

Log 20462 NM

Nachthimmel bis in die Morgenstunden von Blitzen erhellt. Die Gewitter haben uns aber nicht erreicht. Nachts hat der Wind gedreht und aufgefrischt. Aber der Anker hält.

Sonntag 15. Oktober 2023

06:30 Uhr – 996,0 hPa – sonnig mit Rest-Gewittertürmen – Windstill

Um 07:00 Uhr Anker auf. Ich will zeitig zurück sein, da ab 10:00 Uhr mit auflandigem Starkwind zu rechnen ist. Um 08:30 Uhr gehen wir an der Tankstelle längsseits und bunkern 66 Liter Diesel nach. Um 09:00 Uhr sind wir an unserem angestammten Platz Nr. 1 am Steg C.

Zwölf Minuten lasse ich mir das Duschwasser über den Kopf rieseln, während die Anderen sich noch leicht müffelnd mit Frühstück vollstopfen. Ich denke ich habe in dieser Woche so circa die Hälfte der Durchschnittsmenge verzehrt. Essen war ja auch während des gesamten Törns Thema Nr. 1. Leider bin ich aber wohl kein guter Kostverwerter. Ich würde bei den vertilgten Mengen deutlich zunehmen.

Die Crew unternimmt einen Ausflug zu den Höhlen oberhalb Kaş. Mich besuchen inzwischen Moni und Burkhardt an Bord und anschließend Serkan. Mit Serkan habe ich Vieles zu besprechen. Aber das ist eine andere Geschichte.

Abends steuern wir das Sempati-Restaurant an, wo ich mein obligatorisches Törn-Abschlussessen in Form eines Rinderlendensteaks bestelle. Aber auch die anderen Crewmitglieder sind von den Kochkünsten überzeugt.  

Bemerkungen:

Motor 2238,2 Stunden

Log 20468 NM

Montag 16. Oktober 2023

09:00 Uhr – sonnig

Der Tag ist geprägt von Aufräumarbeiten. Nach dem türkischen Frühstück im Passarella wird das Dinghi entsalzt, getrocknet und eingepackt. Ich organisiere einstweilen den Reinigungsdienst für Boot und Bettwäsche. Schließe nach intensiven Verhandlungen einen weiteren Jahresvertrag mit der Marina ab und verstaue meine persönlichen Utensilien an Bord.

Gegen 15:00 Uhr heißt es Abschied nehmen. Der Bustransfer bringt uns nach Antalya zum Flughafen. Dort ist das Gewusel so groß wie damals vor Corona. Niemand will auf seine Annehmlichkeiten und seine Urlaubsreisen verzichten. Und irgendwie verstehe ich das ja auch.

Für den Rückflug habe ich mir wieder einen Fensterplatz ergattert. In Reiseflughöhe angekommen bestelle ich mir ein Fläschchen Rotwein. Nicht gerade billig. Aber das ist es mir jetzt wert. Ich genieße jeden Schluck und beginne, ziemlich entspannt meinen Törnbericht zu schreiben.

Bemerkung

Gesamtstrecke 139 NM

Gesamt Motorlaufzeit 25 Std.

Dieselverbrauch 66 Liter

Kein Zwischenfall, kein Unfall. Bis auf eine leicht lädierte Zehe, keine nennenswerten Verletzungen.

Alles gut !!

Danke an Herbert und Christian die bei Problemen immer sofort mit dem Werkzeugkoffer zur Stelle waren. Und danke für die schönen Bildbeiträge.

Nein, diesmal wird es kein Reisebericht über eine aufregende Segeltour. Diesmal ist Arbeiten angesagt. Ob es darüber berichtenswertes und obendrein auch noch lesenswertes gibt, liegt in der Entscheidung des Betrachters.

Schon weit vor der Abreise checke ich täglich die Wetterberichte. Sie verheißen nichts Gutes. Ich war vor Jahren schon mal an einem Januar in der Türkei. Sogar viel weiter nördlich. Damals konnte man tagsüber mit T-Shirt und kurzer Hose rumlaufen. Jetzt erwarten mich laut Wettervorhersage Höchsttemperaturen um die acht Grad mit viel Regen. Entsprechend demotiviert trudle ich am Donnerstagvormittag am Flughafen Nürnberg ein. Begleitet von meiner kleinen Familie, bestehen aus Frau und Hund. Die Begleitung ist wichtig für mich. Da mir Abschiede immer schwerer fallen, werde ich von den Beiden doch immer wieder motiviert.

Goya checkt die Abflugzeiten

Der Trip geht, wie so häufig, über einen Zwischenstopp am Drehkreuz Istanbul. Kurz vorm Abflug spreche ich mich telefonisch noch mit Serkan ab. Wir kommen zu dem Schluss, dass beim morgen zu erwartenden Dauerregen so gut wie keine Wartungsarbeiten möglich sind und verabreden uns deshalb erst für Samstag.

Weil wir schon gerade über Serkan reden. Er ist seit dem Frühjahr mein Schiffs-Partner geworden. Er kennt MERLIN noch aus der Zeit, als sie als Charteryacht ihr Geld verdienen musste. Kennt die Yacht besser als ich und mittlerweile wahrscheinlich sogar besser als die Herstellerfirma. Und er ist genauso verknallt in das Schiff, wie ich selbst. Serkan hat sich vor einigen Jahren selbstständig gemacht und in der Türkei eine Firma für Yachttechnik gegründet. Er kann sich durch seinen Fleiß und Sachverstand derzeit vor Aufträgen nicht retten. Und ich könnte mir menschlich und aufgrund seines Erfahrungsschatzes keinen besseren Partner wünschen. In absehbarer Zeit wird er MERLIN komplett übernehmen.

Aber jetzt zurück zum eigentlichen Vorhaben.

Freitag, der 08. Dezember 2023

Bei der Landung in Istanbul liegen die Wolken auf. Die offensichtlich vom Autopiloten durchgeführte Landung fällt entsprechend hart aus. Ich kenne das Verfahren. Bei diesen Bedingungen, Starkregen, Wolken bis zum Boden und der extrem nassen Landebahn, ein übliches Verfahren um den Flieger schnell am Boden und möglichst nicht zum schlingern zu bringen. Das gleiche Spiel dann in Dalaman. Allerdings ist es da auch noch stockdunkel geworden. Mein Fahrer, den ich spontan in Nürnberg geordert habe, steht schon bereit. Im nagelneuen 9sitzer-Bus geht es Richtung Kas. Wie ein VIP komme ich mir als einziger Passagier in den riesen Gefährt vor. VIP auch deshalb, weil draußen ständig Blitzlicht die Szene erhellt. Oder sind´s Gewitter? Kurz nach Mitternacht erreiche ich mein Ziel. Zum Glück hat es aufgehört zu regnen und ich komme einigermaßen trocken zum Boot. Die Passarella auslegen, Landstrom anschließen, Koje für die Nacht vorbereiten. So aufgewühlt brauch ich aber dann doch erstmal ein Bierchen. Zu essen gibt es leider nur noch ein paar Press-Chips aus der Dose. Gegen 2 Uhr falle ich  endlich in die Koje.

Die Nacht war kühl und durchwachsen, von hell aufleuchtenden Blitzen und Regengeprassel durchzogen. Sinnlos bei dem Sauwetter früh aufzustehen. Ich bleibe erstmal bis Mittag liegen. Dann quält mich der Hunger und ich wate, nach einer Katzenwäsche, in die Stadt. Die Preise fürs Essen haben sich fast verdreifacht. Sind aber für deutsche Verhältnisse und wohl auch durch die hohe Inflation für uns durchaus noch günstig. Nachmittag blickt dann doch die Sonne mal raus. Und man kann seinen Cappuccino im Freien genießen. Wenn auch mit Pulli.

Am Abend bin ich bei Burkhard und Monika zum Essen eingeladen. Es gibt Krautwickel mit Kartoffelbrei. Ich fühle mich, in mehrfacher Hinsicht, fast wie daheim. Nach dem Essen kommt ein regelrechter Sturm auf. Der Wind schiebt die massiven Gartenmöbel auf der Terrasse durch die Gegend. Gefolgt von Blitzen und wolkenbruchartigen Regenfällen. Ich will schnellstmöglich zurück an Bord. Wie ein begossener Pudel sitze ich unter Deck und wechsle erstmal sämtliche Kleidung. Zum Glück liegen von früheren Törns noch T-Shirts und eine Jogginghose rum. Man kann sich gar nicht vorstellen, dass laut Wetterbericht morgen die Sonne scheinen soll.

Samstag, der 09. Dezember 2023

Die Sonne scheint. Und sofort bessert sich meine Stimmung. Kurz nach 10:00 Uhr kommt Serkan und hat, neben Werkzeug und Ersatzteilen, zwei seiner Mitarbeiter dabei. Es geht sofort zur Sache. Segel waschen, trocknen und unter Deck stauen. Bimini und Sprayhood abbauen. Alle Edelstahlteile an Deck polieren. Sowie das gesamte GfK-Deck. Außenbordmotor und Ankerwinsch für Wartungsarbeiten demontieren. Toilettenspülung reparieren. Geschwindigkeitssensor (von mir fälschlicher Weise Speed Log genannt) demontieren und säubern. Sicherungsleinen ausbringen usw. usw.

Die Arbeiten dauern den ganzen Tag an. Die Jungs werkeln wie die Verrückten. Ich versuche so gut wie möglich mit anzupacken, aber es fehlt mir leider an der nötigen Professionalität. Als Ausgleich kümmere ich mich um die Getränkeversorgung.

Am Abend sitze ich ziemlich geschafft unter Deck. Genieße die letzten Stunden an Bord. Zum Glück sind beim letzten Törn noch einige Dosen Bier übrig geblieben. Ein Prost auf die Herbst-Crew! Morgen um 6:00 Uhr ist wecken. Warm duschen, das Boot winterfest machen, dann geht es wieder zurück. Auf der Fahrt nach Antalya genieße ich jeden Sonnenstrahl und die ganz passablen 16 Grad Temperatur. Ade MERLIN, hoffentlich bis bald.   

Kein Triebwerksbrannt.
Da geht gerade die Sonne zwischen zwei unterschiedlich hohen Wolkenschichten unter.

       

Eine Zeitreise in die Vergangenheit

Vielleicht sollte ich doch meinen Rauschebart wieder abrasieren. Beim Zoll am Flughafen Nürnberg fragte mich die Dame, ob ich denn deutsch spreche, bevor sie mein Handgepäck durchwühlte. Mein als Taschenlampe getarntes Laserschwert entpuppte sich allerdings dann doch nur als schwach leuchtende Funzel. Aber nicht genug. Das iPad auf dem ich hier gerade „rumtippe“ wurde auf Sprengstoff und Drogen untersucht. Erst dann durfte ich zum Gate 121 weiter. 

Keine Angst, etwas weiter unten geht´s dann mit dem Törn-Bericht schon los. Aber irgendwie muss ich diesmal vorab ein paar Gedanken loswerden, die mich seit geraumer Zeit beschäftigen. Gedanken aus der Gegenwart, aber auch aus der Vergangenheit.

Was war ich früher abenteuer- und reiselustig. Das scheint mit zunehmendem Alter drastisch nachzulassen, um sich in andere Eigenschaften zu wandeln. Wie zum Beispiel Häuslichkeit, Einklang und Geborgenheit. Auch wenn man es mir äußerlich mit meiner schrulligen Art nicht anmerkt. Seit meine Ingrid nicht mehr mitsegelt und lieber beim Hündchen daheimbleibt, fallen mir Abschiede noch mal so schwer. Aber trotzdem freue ich mich auf einige entspannte Segeltage mit meinen Freunden Christian, Felix, Kalle und Lars (in alphabetischer Reihenfolge, versteht sich). Sie kommen in zwei Tagen nach, wenn Merlin segelfertig gemacht ist. Ich bin heute schon unterwegs, via Istanbul und Dalaman nach Kaȿ. Die Reise kann beginnen. Mein Laserschwert, den Sprengstoff und die Drogen durfte ich behalten. Selbst meinen Bart.

Apropos Istanbul. Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ich 2018 meinem Nachbarn auf dem Gang-Sitz erklärte, dass wir gerade den neuen Flughafen überfliegen, der just an dem Tag eingeweiht wurde. Er hat einen Satz in Türkisch durch die Kabine geplärrt und die Hälfte der Passagiere haben sich von ihren Plätzen erhoben und zur linken Seite aus den Fenstern geblickt. Der Kapitän war damals sicherlich schwer mit nachtrimmen beschäftigt.

Zurück in die Gegenwart. Beim Weiterflug von Istanbul nach Dalaman ist mir eine Flugbegleiterin aufgefallen. Sie sah genauso aus wie die Moderatorin und Ulknudel Constanze Lindner vom Bayerischen Fernsehen. Nur etwas dunkler gebräunt und mit rotem Dutt. Allerdings mit deutlich mehr Ü im Vokabular. Den Rest der Tour von Dalaman nach Kaş verbringe ich als einziger Passagier im klimatisierten 9sitzer Bus. Der Fahrer hätte durchaus als Kamikaze-Pilot sein Geld verdienen können, was aber die Fahrzeit deutlich verkürzte und auch keine Langeweile aufkommen ließ.  Zwischen Haustüre und Bootssteg sind es immerhin 10 Stunden. Entsprechend gerädert lasse ich mich an Bord, nach einem Beruhigungsschluck aus der Heineken-Brauerei, in meiner Koje darnieder.

Mittwoch, der 9. Oktober.

Zum Glück kugelt noch Schnellkaffee an Bord rum. Von der Sorte der keinerlei Aufwand bedarf. Wo Kaffeepulver, Milch und Zucker bereits vorgemischt sind. Lediglich Gas und Wasser muss aktiviert werden. Als Erstes muss anschließend der Landstromanschluss in Gang gesetzt werden. Das hat gestern Nacht nicht mehr richtig geklappt. Der Marina-Elektriker schafft es auf anhieb. Dann erst mal ne Dusche, bevor es zu längeren Verhandlungen ins Büro geht. Der Jahresvertrag für den Liegeplatz muss neu verhandelt werden. Die immer weiter steil ansteigende Inflationsrate in der Türkei gestaltet die Verhandlungen schwierig. Letztendlich haben Serkan und ich dann doch ein paar Prozente raushandeln können. Nachmittag hat sich Mustafa, unser neuer Agent mit dem schönen Nachnamen Ararat, angekündigt, um das Transitlog auszustellen und mir reichlich Geld dafür abzunehmen. So vergeht der erste Tag an Bord wie im Fluge und mein Geldbeutel ist jetzt schon auf ein Minimum geschrumpft. Aber morgen kommt ja die Bordkasse angeflogen.

Donnerstag, der 10. Oktober. Die Crew kommt.

Ingrid hat gestern schon eine Rose auf Vaters Grab gelegt. Heute ist sein Geburtstag. Obwohl für ihn nur die Fliegerei zählte, ist er doch einige Male mitgesegelt und war begeistert. Beim Schnellkaffee wandern meine Gedanken weit zurück. Ich kann sie ruhig schweifen lassen. Die Crew wird erst um 11:30 Uhr eintreffen und an Bord ist bereits alles soweit gerichtet. Die Katze vom Nachbarboot stattet mir einen Besuch ab.

Nachdem sämtliche Reisetaschen und Rucksäcke unter Deck verstaut sind, nehmen wir im Marina-Restaurant Passarella ein verspätetes Frühstück ein. Wie immer nutzen wir die Zeit, eine Einkaufsliste zu erstellen. Und wie immer entsteht die gleiche Diskussion, dass es viel zu viel Trinkwasser wäre, wo hingegen die Biermenge unmöglich reichen wird. Der Nachmittag gestaltet sich mit Einkaufen, Boot einräumen, Klamotten verstauen, Orientieren und ein wenig relaxen. Schließlich war es ein Nachtflug und außer Christian konnte keiner wirklich die Flugzeit zum Schlafen nutzen. Den Sonnenuntergang genießen wir am Amphitheater. Diesmal sind wir sogar pünktlich und können die letzten Sonnenstrahlen genießen.

Zum Abendessen ging es ins Yeşil Restaurant. Ein sehr einfaches Lokal, aber mit ausgezeichnetem und günstigem Essen. Übrigens das erste Lokal, dass ich damals im März 2015 in Kaş betreten habe. Mittlerweile werde ich dort per Handschlag begrüßt. Anschließend geht es in eine Bar oberhalb des Hafens. Ein zugiges Plätzchen mit wackeligen Barhockern und lauter Musik.

Nicht mein Geschmack, aber man scheint das jetzt so zu mögen. Den Absacker nehmen wir traditionell an Bord ein. Es scheint, die Crew ist mental angekommen und entspannt, oder aber auch nur recht müde. Jedenfalls ist um 22:30 Uhr Zapfenstreich.

Freitag, der 11. Oktober. Der erste Tag auf See (07:30Uhr, 1011hPa, sonnig, 25 Grad, kein Wind)

Wie bei der Vorbesprechung bereits durchgesickert, gibt es zwei Frühaufsteher im Team. Das kann unangenehm sein, zumindest, wenn man seine Koje Mitschiffs hat. Es hat aber auch Vorteile. Da die Jungs sofort los sind und den restlichen Proviant in Form von Obst, Gemüse und Brot vom Markt geholt haben. Und wenn einer der Frühaufstehen auch noch Kaffee kochen kann, ist das ebenfalls von Vorteil. Die Zeit des Pulver-Schnellkaffees scheint vorüber zu sein.

Unseren Plan, um 09:30 Uhr abzulegen, haben wir überpünktlich eingehalten. Der Windfinder, unser Wetterprogramm hat tatsächlich mal recht. Selbst draußen, nach dem Kap Ada Burun kommt kein brauchbarer Segelwind auf. Und so soll es die ganze Woche weitergehen. Trotzdem wollen wir, quasi zum üben, die Segel schon mal auspacken. Da reißt doch glatt die Leine des Großreffs. Ausgerechnet die einzige Endlosleine an Bord die zur richtigen Funktion gespleißt werden muss. Wir wechseln die Großschot um und machen mit dem Boot derweil ein paar undefinierte Kreise. Das rückt die Küstenwache auf den Plan. Sie kommen näher und letztendlich längsseits. Als wir symbolisch die gerissenen Strickenden in die Höhe halten, dampfen sie wieder ab.

Wir beschließen umzukehren und in der Marina eine neue Leine zu kaufen. Ansonsten könnten wir, den ganzen Törn, mit dem Großsegel nur noch am Wind-Kurse fahren. Um 13:00 Uhr legen wir längsseits neben der Tankstelle an und kaufen für 1.700 TL knapp 23 Meter Tauwerk. Eine halbe Stunde später sind wir schon wieder unterwegs. Felix steuert uns in die Bucht Bayindir Limani, direkt gegenüber Kaş. An altbekannter Ankerstelle auf 8 Meter Wassertiefe 40 Meter Kette gesteckt. Mit einem gut spürbaren Ruck beim Ankersetzten ist der erste Segel-Tag beendet und das Ankerbier zischt ins Glas. Schwimmen und tauchen ist angesagt. Selbstgebackene Pizza mit Salat und Rotwein führen in einen harmonischen Abend über. Gute und interessante Gespräche an Deck, bei sternklarer Nacht mit vielen Bierchen und dem einen oder anderen Raki. Um 23:00 Uhr kehrt Ruhe ein.

Bemerkungen: 10NM; Abgezirkelt, da Speed-Log nicht geht; Mann über Bord Manöver klappt vorzüglich; Unserem Udo von der Crew per WhatsApp zum Geburtstag gratuliert.   

Samstag, der 12. Oktober. Ein langer Schlag.  (05:45Uhr, 1011hPa, sonnig, 26 Grad, kein Wind)

Um 05:45 Uhr ist wecken. Um 06:00 Uhr Anker auf. Bei Mondschein verlassen wir die Bucht. Nachtfahrt. Hinter den Hügeln wird es aber schon langsam hell.

Kurs Karacaören. Um 09:00 Uhr befinden wir uns querab Kalkan. Kurze Zeit später kommt es zu einer recht außergewöhnlichen Begegnung. Ein Pulk Extremschwimmer quert unseren Kurs. Wir weichen dem Feld nach rechts aus. Es geht weiter auf allzu bekannter Strecke. Zunächst kommt der endlose Sandstrand, anschließend die sieben Kaps, bei deren Anzahl ich immer ins Zweifeln komme. Die See ist glatt. Ich muss dabei immer an die Folienattrappe in der Augsburger Puppenkiste denken. Die Älteren unter uns werden Jim Knopf noch kennen. Um 13:00 Uhr sind wir querab der Schmetterlingsbucht, die wir aber erst am Rückweg besuchen werden. Es gibt Mittagessen. Gemischter Salat, getoastetes Weißbrot und diverse fränkische Wurst- und türkische Käsespezialitäten. Um 14:45 Uhr treffen wir in Karacaören ein. Erstaunlicherweise liegt nur eine einzige Yacht hier. Aber die Touri-Dampfer umschwärmen uns pausenlos mit ihrer aufdringlichen lauten Musik.

Weitere Yachten kommen hinzu. Von einer werde ich mit „hallo Thomas“ begrüßet. Es ist ein früherer Charterkunde der Merlin und kommt aus Erlangen. Nach einem kräftigen Stoß ins Nebelhorn werden wir zum Abendessen mit dem Motorboot abgeholt.

Die urige Atmosphäre auf der Terrasse begeistert mich immer wieder. Allerdings sind die Preise mittlerweile derart unverschämt geworden. Schade eigentlich. Der Absacker findet wie üblich an Deck statt. Diesmal mit Bordell-Beleuchtung ganz in Rot. Gegen 22:00 Uhr geht’s in die Kojen.

Bemerkungen: 43NM; Krümmer im Zulauf der Toilette undicht. Gott sei Dank nicht im Ablauf.

Sonntag, der 13. Oktober.  (07:00Uhr, 1013hPa, sonnig, 28 Grad, wieder kein Wind)

Wir wollen zeitig los nach Ekincik bzw. in die My Marina. Die soll allerdings, laut dem Erlanger Segler, geschlossen sein. Um 08:00 Uhr legen wir von der Boje ab und verlassen die Bucht über die Untiefe der Gemiler Rede. Kurs 280 Grad.

Groß und Fock helfen bei der Motorfahrt etwas mit. Mittag gibt es Salat und türkische Wurst in der Pfanne gebraten. Die Geschmäcker könnten nicht unterschiedlicher sein. Um 13:30 Uhr querab Kap Dişibilmez können wir erstmals motorlos segeln. Mit drei Knoten rauschen wir dahin. Doch die Freude währt nicht lange. Bald gesellt sich der Dieselmotor wieder dazu. Um 16:00 Uhr legen wir überaus vorbildlich mit Mooring und Achterleine am Steg der My Marina an.

Es gibt Wasser und Strom sowie einen kleinen Laden, dem wir einen Großteil seiner Bierbestände plündern. Der Vorschlag auch einen Liter H-Milch nachzukaufen, wird letztlich abgelehnt. Wir sind von Russen umgeben. Entsprechen hoch ist die Lautstärke. Doch es gibt auch ruhige und freundliche Exemplare. Zum Beispiel die Familie am Nachbarschiff. Für 19:00 Uhr haben wir im Nobel-Restaurant einen Platz reserviert. Allerdings ist aus MERLIN dort wohl BERLIN geworden, was für einige Verwirrung sorgt.

Dank disziplinierter Rückhaltung bei Vor- und Nachspeisen kommen wir mit 250 Euro aus. Im Leistungsvergleich zu Karacaören fast ein Schnäppchen. Den Absacker gibt es dann wieder an Bord. Um 22:00 Uhr ist Nachtruhe angesagt. Nacht ja, Ruhe nein. Zwei stundenlang hysterisch kreischende Russenweiber duellieren sich mit unseren quietschenden Fendern.

Bemerkungen: 35NM; tolle sanitäre Anlagen in der MyMarina, nur an die Klowürfel in den Waschbecken muss ich mich noch gewöhnen.

Montag, der 14. Oktober. Landgang. (07:30Uhr, 1012hPa, sonnig, 28 Grad, Windstill)

Um 08:30 Uhr werden wir zum (halb)Tagesausflug nach Dalyan zu den Felsengräbern und der antiken Stadt Kaunos abgeholt. Die Tour habe ich mittlerweile schon viermal mitgemacht. Das erste Mal am 19. September 1994. Also vor über 30 Jahren bei meinem ersten Törn als Skipper.

Der Guide hat sich damals in Dalyan so volllaufen lassen, dass sein kleiner Sohn uns heimfahren hat müssen. Unser Führer hingegen ist stock nüchtern. Er schippert uns durchs Schilf-Labyrinth bis zur antiken Stadt Kaunos und weiter zu den Felsengräbern.

Gegen Mittag kehren wir mit vielen Eindrücken und um 150 Euro erleichtert zurück.  Wir müssen Merlin versetzen, da sich für Nachmittag eine Regatta in der My Marina angekündigt hat. So fahren wir das kurze Stück bis in die Bucht von Ekincik und ankern auf 6 Meter Tiefe mit 40 Meter Kette. Der Ausflug muss sehr anstrengend gewesen sein, da die komplette Crew in eine Art Tiefschlaf verfällt und erst gegen 16:00 Uhr wieder Bewegung ins Boot kommt. Landausflüge schwimmenderweise stehen an. Anschließend zur Kräftigung ein Kapitäns-Dinner. Spaghetti mit zweierlei Sauce, Salat und Rotwein. Danach wird an Deck ein kompletter Kernspin-Tomograph bildlich in seine Einzelteile zerlegt und wieder zusammengesetzt.  Aus Richtung MyMarina schallt es indes herüber. Diesmal haben wir allerdings mit Wolfgang Ambros Watzmann eine ebenbürtige Gegenwaffe. Es wird spät. Abgesehen der üblichen Schnarch Geräusche ist die Nacht ruhig.

Bemerkungen: 3NM; Wasser gebunkert. Auch etwas Trinkwasser nachgekauft.

Dienstag, der 15. Oktober (07:30Uhr, 1012hPa, sonnig mit Schleierwolken, 28 Grad, zeitweise Wind)

Wir haben den westlichsten Punkt unserer Reise erreicht. Heute geht es ein gutes Stück zurück. Geplantes Ziel war die Sarsala-Bucht im Göҁek-Golf. Aber ich möchte eigentlich noch weiterkommen. Das ermöglicht uns vielleicht doch noch einen Besuch bei meinem alten Freund Hassan einzuplanen. Die Crew stimmt, mehr oder weniger freiwillig zu. So soll das heutige Ziel die erst für morgen geplante Schmetterlingsbucht sein. Aber vorher noch ein kurzer „Schwumm“ ums Boot. Nicht zum Vergnügen, sondern eher zu reinigungszwecken. Um 08:30 Uhr schippert uns Felix aus der Bucht. Der Wind frischt auf und wir können segeln.  Selbst die Richtung passt einigermaßen, so dass wir mit 5 Knoten Fahrt unserem Ziel entgegensteuern. Leider hat der Spaß gegen 10:00 Uhr wieder ein Ende und der Motor kommt zum Einsatz. Da ich zwar schon mal in der Schmetterlingsbucht war, aber noch nie über Nacht dort geankert habe, folgen mehrere Mails und ein Telefonat mit Bernhard aus München, der uns den optimalen Ankerplatz verrät. Gegen 17:45 Uhr kommen wir in der Bucht an.

Wir ankern auf 19 Meter Tiefe mit 50 Meter Kette und werden dabei lautstark von Reggae Music unterstützt. Abends, als die Tagesgäste in ihre Hotels abtransportiert werden, wird es merklich ruhiger. Wie gesagt, ich war hier schon einmal. Es muss 1988 gewesen sein. Zu einem Badestopp. Damals war ich noch ein einfaches Crewmitglied auf einer Charteryacht aus Marmaris. Wir waren ziemlich durchgeknallt und hatten ne Menge Spaß. Einige hatten ihre Gleitschirme dabei und sind vom Babadag, dem höchsten Berg in der Umgebung, gesegelt. Geil!

Heute, über 35 Jahre später geht es deutlich gesitteter zu. Zur Abwechslung gibt es abends mal kalte Platte. Den Absacker wie immer an Deck, bei atemberaubendem Vollmondaufgang.

Damals war unser Schlachtlied „Mare Mare“ von Luca Carboni. Die heutigen musikalischen Vorlieben der Crew schwanken im abendlichen Wunschkonzert von Deep Purple bis Helene Fischer. An dieser Stelle möchte ich keinen Kommentar abgeben.

Bemerkungen: 38NM.

Mittwoch, der 16. Oktober (06:45Uhr, 1014hPa, sonnig, 26 Grad)

Wir müssen zeitig los, um die Tagesaufgabe vor Sonnenuntergang zu bewältigen. Um 06:00 Uhr Anker auf. Kurs Richtung Kekova. Es liegen 10 ½ Stunden Fahrt vor uns. Der schwache Wind hilft etwas mit und bläht die Segel auf. Um 13:00 Uhr querab Heybeli Adasi kurz noch mal nachgerechnet. Es könnte eine knappe Sache werden. Aber ich kenne die Ankerbucht. Es sollte daher auch kein Problem sein, bei Dunkelheit den Anker zu werfen.  Um 14:30 Uhr sind wir querab Kastellorizon, oder besser gesagt Meis, wie die Türken die Insel nennen. Um 16:00 Uhr sind wir bei der Durchfahrt zur Insel Içada angekommen. Bei Tageslicht anzukommen, wird immer wahrscheinlicher. Zumal nach der Durchfahrt Wind aufkommt. Wir kreuzen und halsen bis zur Einfahrt in den Kekova-Golf und sind sogar deutlich schneller als unter Motor.

Beim dritten Versuch hält er Anker auf 3.8 Meter Tiefe mit 45 Meter Kette. Und das noch bei Tageslicht. Hassans Tochter holt uns ab. Es wird ein schöner Abend mit vielen Vorspeisen, Fisch und Meeresgetier als Hauptgang sowie Salat, Chips und einige Bierchen.

Und viel zu viel Raki. Um 22:45 Uhr werden wir zum Boot zurückgebracht. Beim Absacker reichen diesmal keine Lieder aus. Es müssen schon Videos sein. Jürgen von der Lippe mit seiner Korkennummer und natürlich der Bembers der Kain Schwarzer und etliche Schafe trifft.  

Bemerkungen: 55NM.

Donnerstag, der 17. Oktober (08:00Uhr, 1013hPa, sonnig mit Cumulus-Wolken, 24 Grad, WIND!!!)

Die Nacht war kurz. Heute geht es zurück bis zur Bucht vor Kaȿ. Es kommt kein rechter Schwung in die Truppe. Die Nachwirkungen des gestrigen Abends sind deutlich spürbar. Schwimmen oder nicht schwimmen ist die entscheidende Frage. Um 10:00 Uhr gehen wir Anker auf. Nach der Ausfahrt aus Kekova erwartet uns erstmals richtig guter Segelwind. Wir legen uns ins Zeug und kreuzen mit langen Schlägen gen Norden auf.

Zum Ziel hin machen wir eigentlich recht wenig Höhe, aber wir bleiben eisern. Jeder darf mal ran. Der Tag entschädigt für die vielen Flauten, die wir diese Woche erlebt haben. Es würde durchaus so weitergehen, aber wir kämen nicht vor Einbruch der Nacht in die Bucht. So starten wir querab der Insel Ḉoban den Diesel. Das Großsegel will im oberen Bereich nicht in den Mast zurück. Die Jungs lassen nicht locker. Mit viel Ehrgeiz und entsprechender Technik gelingt das Bergen dann doch noch. Lars erhält für hervorragende Leistung am Großsegel einen Orden verliehen.

Gegen 17:15 Uhr biegen wir in die Bucht vor Kaş ein und werfen am schon ausgelatschten Platz den Anker. Wassertiefe 10 Meter bei 50 Meter Kette. Der Wind bläßt selbst in der gut geschützten Bucht am Abend weiter. Es gibt Linguine al Carbonara und natürlich gemischten Salat dazu. Auch Christian bekommt feierlich einen Orden verliehen.  Wegen umsichtiger und professioneller Ankermanöver während der ganzen Woche.

Der Absacker an Deck währet nicht lange. Die Nachwirkungen des gestrigen Abends stecken anscheinend noch immer in den Knochen. Um 22:00 Uhr kehrt Ruhe ein.

Bemerkungen: 18NM; Serkan 35€ für WLAN nachladen in die gemeinsame Schiffskasse. Um 23:10 Uhr löst der Ankeralarm aus. Entwarnung: Der Wind hat um 180 Grad gedreht und die Kette hat sich neu ausgerichtet. Ein Reset, dann blieb die Nacht über ohne Störungen.

Freitag, der 18. Oktober (07:00Uhr, 1014hPa, sonnig mit nächtlicher Restbewölkung, 22 Grad, schwacher Wind)

Ich will wie immer zeitig in der Marina eintreffen. Die Wecker, sprich Handys sind gestellt. Und wie so häufig weckt uns Nana Mouskouri mit ihrem guten Morgen Song. Da bleibt niemand freiwillig liegen. Um 08:40 Uhr Anker auf und ab nach Hause. Etwas über eine Stunde später sind wir daheim.

Die 77 Liter Diesel, die wir nachtanken, sind den vielen Flauten und den langen Tagestouren geschuldet. Aber das war es wohl Wert.  Jetzt werde ich erst einmal eine halbe Stunde dauerduschen. Mit Süßwasser versteht sich. Die „Gämsen“ unter uns zieht es auf die Berge, zu den Höhlen hoch über Kaş.

Der nicht so sportliche Rest der Truppe, zum Cappuccino in die Oxygen-Bar bei 30er Jahre Jazz-Musik. Am Nachmittag geht´s für die Jüngeren und jung gebliebenen ins Hamam. Die türkischen Massöre können ziemlich kräftig zulangen. Das sieht man deutlich an den verklärten Blicken nach der Rückkehr unserer Badegäste. Das Abendessen im Sempati war wieder ausgezeichnet. Allerdings mit einem bitteren Beigeschmack, da uns der Aushilfskeller bei der Währungsumrechnung doch glatt um 100,- € beschummeln wollte. Aber unserem Schatzmeister entgeht sowas nicht.  Eigentlich hätte auch er einen Orden verdient. Der Chef hat jedenfalls daraufhin seinen hochgelobten Nachtisch spendiert. Und Raki. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob der edle Tropfen nicht doch auf der Rechnung erschienen ist.

Den allerletzten Absacker gibt es wieder an Deck. Bis auf drei Dosen vom gelben Malzgetränk und einer Handvoll Nüsse wird vor dem Schlafen gehen alles vernichtet.

Bemerkungen: 8NM; Jeder zahlt noch mal 100,- € in die Bordkasse ein. Dinghi entsalzt und verstaut.

Samstag, der 19. Oktober Es geht nach Hause.  (08:00Uhr, 1013hPa, sonnig mit Quellbewölkung; 20 Grad Windstill)

Wir werden erst um 15:30 Uhr abgeholt und trotzdem bricht um 08:30 Uhr die totale Hektik aus. Einer stopft sich noch schnell die Backen mit Restproviant voll. Die anderen wühlen und wuseln in sämtlichen Taschen und Rucksäcken. Die erste Tasse Kaffee bringt dann doch etwas Ruhe rein. Ich habe handschriftlich einen Arbeitsplan erstellt, was alles vor der Abreise bootsseitig noch zu erledigen ist. Frischwasser-Tank leeren, Ventile schließen, Müllentsorgung, die Gummidichtungen der Luken „vasilinieren“, Vorhänge schließen, Wäsche wegbringen, usw. usw. Alles wird zügig abgearbeitet. Dann geht’s zum Mittagessen ins Kuşhane, einem sehr guten Schnellrestaurant, in dem wir für den Preis eines gestrigen Steaks alle zusammen satt werden. Der Fahrer pickt uns pünktlich „behind Migros“ auf und liefert uns genauso pünktlich am Flughafen Antalya ab. Wir sind nicht die einzigen Fluggäste. Es entsteht ein, wenn auch geregeltes, Chaos ungeahntem Ausmaß. Es scheint als wolle halb Deutschland zur gleichen Zeit heimfliegen. Von den anderen Nationen ganz zu schweigen.  Aber irgendwie kommen wir doch mit nur leichter Verspätung, kurz vor Mitternacht, in Nürnberg an.

Dann mal auf, zu neuen Abenteuern.    

Bemerkungen: Endreinigung innen und außen incl. Wäsche 140,- €; Transfer 5 Personen 140,- €. Positionslampe achtern, Birne erneuert und auf LED gewechselt.

 Gesamtstrecke: 210 NM Dieselverbrauch: 77 Liter.

Skipper T1homas

Mein letzter Törn-Bericht liegt schon einige Zeit zurück. Ich war zwar mittlerweile schon bei MERLIN in Kaş, aber halt nicht zum Segeln. Und eigentlich auch diesmal nicht. Nur um nach dem Rechten zu sehen und Papierkram und einige Arbeiten zu erledigen. Aber auch darüber lässt sich durchaus schreiben. Nennen wir es einfach den Werkstatt-Törn.

Durch die unaufhörlich weiter steigende Inflation in der Türkei, kann man wohl kaum mehr von einem günstigen Reiseland sprechen. So hat der Flug von Nürnberg nach Antalya zum Beispiel nur 53,- Euro gekostet. Der Transfer mit dem Auto nach Kaş hingegen kostet mittlerweile 100.- Euro.  Ein Vergleich der deutlich hinkt. Um 11:00 Uhr morgens verlasse ich an diesem 9. Mai unser Häuschen in Veldershof und mit den aller letzten Sonnenstrahlen treffe ich in der Setur-Marina-Kaş ein. Dank der Solarzellen sind die Batterien randvoll und sorgen vorab für den nötigen Strom unter Deck. Ich bin zu müde, um zum Essen zu gehen und mache es mir, mit meinem Reiseproviant und ein paar Tuborg unter Deck gemütlich.

Mit meinem Schiffspartner Serkan habe ich mich für Samstag 09:00 Uhr zum Arbeitseinsatz verabredet. Nachdem die türkische zu der deutschen Auffassung von Zeit leicht variieren, kann ich noch locker bis 10:00 Uhr meinen Cappuccino im Hafenrestaurant Passarella genießen, ohne großartig in Zeitnot zu kommen. Serkan bringt nicht nur Werkzeug, Putzmittel und Motoröl mit, sondern auch gleich seinen Mitarbeiter, der uns zur Hand geht.  Das Deck wird mit Hochdruckreiniger vom Winterdreck befreit. Sämtliche Metallteile vom Flugrost. Hier handelt es sich um Edelstahlrohre, die eigentlich nicht rosten dürften. Aber die salzhaltige Luft und das Salzwasser setzt ihnen trotzdem gnadenlos zu. Am Motor werden das Getriebeöl und der Luft- und Ölfilter gewechselt.

Ich frage mich, ob das wirklich notwendig ist, bei den wenigen Motorstunden im Jahr. Aber Serkan lässt hier keine Schlamperei einreißen.  Das Teak Deck wird mit speziellen Scheuermitteln aufgehübscht. Zum Schluss, die Sonne neigt sich schon, werden noch die beiden Segel angeschlagen, sowie die Persenning und Spray Hood angebracht. Das kühle Bierchen zum Abschluss der Arbeiten schmeckt jetzt wunderbar. Zugegeben, ich hatte den geringsten Anteil an den Arbeiten geleistet. Ist halt so, wenn die Profis am Werk sind. Aber müde bin ich trotzdem geworden. Und so bleibe ich auch den zweiten Abend an bzw. unter Deck und genieße die Stille und das Bordleben. Als „Absacker“ gibt es noch einen Tatort-Krimi aus dem Smartphone und die Nachricht, dass Goya, unser Familienhund, Daheim mal wieder für Nachwuchs gesorgt hat. WLAN machts möglich.

Serkan hat sich für Sonntag nochmal angekündigt. Nicht nur, weil er neue Fender mitbringt. Er will mir auch seine Lebensgefährtin Nesli persönlich vorstellen. Nesli ist eine nette und sympathische Frau. Ich denke, sie passen gut zusammen. Sie ist Türkin, hat aber einige Jahre in der Schweiz gewohnt. Das ist allerdings lange her. Und so ist ihr deutscher Sprachschatz ziemlich geschrumpft, aber immer noch besser als meine drei Worte türkisch. Es wird also eine dreisprachig gemischte Konversation. Eigentlich ist der Name Nesli eine Kurzform von Neslihan, was auf Arabisch seltene königliche Blume bedeutet. Sie wollen bald heiraten, wie schön.

Am Nachmittag besucht uns unser Freund Burkhardt und wir entscheiden spontan eine Runde mit dem Boot zu drehen. Nesli hält das erste Mal ein Steuerrad in der Hand. Ich habe den Eindruck, dass es ihr wahnsinnig Spaß macht. Es herrscht nur geringer Segelwind. Trotzdem probieren wir beide Segel aus und kommen auch leidlich voran.

Nach knapp zwei Stunden kehren wir in die Marina zurück. Das Hochzeitspaar in spee beschließt spontan, nicht wie geplant heim zu fahren, sondern über Nacht mit an Bord zu bleiben. So machen wir uns auf den Weg nach Kaş ins Sempati, einem meiner Lieblingslokale. Einmal pro Aufenthalt muss ich hier ein Rinderlenden Steak verdrücken. Und jetzt ist es mal wieder so weit. Aber natürlich nicht, ohne vorweg eine Menge Vorspeisen probiert zu haben. Und Spir(i)tuelles gab es natürlich auch genügend dazu. Monika, die Frau von Burkhardt gesellte sich auch zu uns. Und so war es ein wunderbarer Abend, der mit jedem Schluck, immer lustiger wurde. Den Vorschlag, um 23:00 Uhr das Lokal zu wechseln und in eine nette Bar mit Livemusik zu gehen, haben Monika und ich dann doch dankend abgelehnt. Aus dem Alter bin ich definitiv raus. Und Monika scheinbar auch. Die beiden Turteltauben haben versprochen, leise zu sein, wenn sie später zum Boot zurückkämen. Aber das gelingt an Bord eines Schiffes natürlich nicht absolut geräuschlos. Und schon gar nicht um 03:00 Uhr morgens.

Heute ist Montag, mein letzter Tag in Kaş für dieses Mal. Nesli und Serkan sind schon um 07:00 Uhr aufgebrochen. Die Arbeit ruft. Ich habe versprochen Freunden von Monika und Burkhardt bei ihrem ersten Brauversuch zu helfen und werde gegen 10:00 Uhr abgeholt. Und so lerne ich ein nettes Pärchen und dessen wunderschön gelegenes Häuschen kennen.

Sie haben sich die gleiche Brauanlage gekauft, die ich einige Jahre verwendet hatte. So konnte ich hoffentlich einige Tips geben und zum Gelingen des ersten Sudes beitragen. So ein Brauvorgang nimmt, mit Unterbrechungen, den ganzen Tag in Anspruch. Und auch heute ziehe ich die abendliche Ruhe an Bord dem lauten Stadtleben vor. Resteessen ist angesagt.

Ich werde erst um 13:00 Uhr abgeholt. So lasse ich es mir am Dienstagmorgen nicht nehmen, nachdem MERLIN aufgeräumt ist, auf der Restaurant-Terrasse ein spätes Frühstück einzunehmen. Mit Blick über die blühende Landschaft, rüber zu den Stegen und zu Merlin. Schön ist es hier.

Die Blütenbracht ist beeindruckend, wenn man bedenkt, dass es Zuhause gerade mal 2 Grad plus hat. Das neu gebaute Terminal 2 am Antalya Airport entzerrt das sonst übliche Gedränge deutlich. Da ich nur mit Handgepäck reise und sich die Bordkarte bereits auf dem Smartphone befindet, ist es ein entspanntes einchecken. Eigentlich bin ich dadurch circa zwei Stunden zu früh dran.  Zeit genug beim Schotten eine Kleinigkeit zu essen. Potz blitz, ein Cheeseburger und kleine Pommes zum Schnäppchenpreis von knapp 16 Euro. Au Backe! Unter dem Motto. Wenn schon protzen, dann richtig, gönne ich mir an Bord auch noch Rotwein und Nüsschen. Eigentlich aber mehr, um die Zeit tot zu schlagen. Pünktlich zur Landung geht in Nürnberg gerade die Sonne unter.

Ich werde von Goya mit großem Gejaule im Flughafengebäude begrüßt. Schließlich muss er ja lautstark von seiner Damenbekanntschaft berichten. Ingrid wird immer erst als Zweite begrüßt. Aber Hundebesitzer kennen und akzeptieren das.

Fazit: Ich bin sehr gerne in Kaş, meiner zweiten Heimat. Aber auch sehr, sehr gerne wieder daheim.

Übersetzung für Nichtsegler: Segel werden nicht montiert oder angebunden, sie werden „angeschlagen“. Persenning ist ein Sonnenschutz an Deck und meist aus Stoff. Ebenso die SprayHood. Sie schützt vor Spritzwasser bei Seegang. Fender sind mit Luft aufgeblaßene Gummischläuche die um das Boot herum befestigt werden, um Zusammenstöße zu vermeiden. Je schlechter der Skipper, desto mehr Fender 😉