Die türkische Regierung hat über Nacht die Steuern für Charterlizenzen drastisch erhöht. Für MERLIN und uns ist es ein  absolut unrentables Geschäft geworden. Somit ist die Yacht von einem Tag auf den Anderen zum Privatboot geworden. FOREIN FLAG PRIVATE YACHT steht auf dem frisch ausgestellten Transit Log 2019. Wir müssen ab sofort neue Wege beschreiten. Wege, die eigentlich erst beim Gehen entstehen werden. 

Es ist schon fast dunkel, als ich am Sonntag in Göçek ankomme. Jedes Mal wenn ich nach längerer Pause MERLIN betrete, bekomme ich so ein unbeschreibliches Gefühl. Eine Mischung aus vertrautem  Wiedersehen, Freude und irgendwie auch Geborgenheit gepaart mit diesen eigenartigen Gerüchen, wohl aus der Bordtoilette. Das nüchterne Erwachen im neuen Zeitabschnitt wird mir erstmals bewusst, als ich die Kühlschrankklappe öffne. Für Charterkunden standen immer kühle Begrüßungsdrinks bereit. Jetzt ist dort nur gähnende Leere. Zum Glück sind Petra und Uli von der Sausalito am Steg und laden mich auf ein paar kühle Bierchen ein.

Der geplante Frühjahrstörn sollte eigentlich zwei Wochen dauern. Mit einem Crewwechsel auf halber Strecke. Leider sind einige Interessenten abgesprungen, so dass letztendlich ein 10tages Törn mit fünf Crewmitgliedern aus den beiden geplanten Wochentörns wurde. Sie reisen am Abend des nächsten Tages an. Bis dahin sind auch die ersten Bierchen kalt und nach dem Begrüßungsschluck geht´s ins Palmyra zum Abendessen.

Dienstag, der 7. Mai Auf geht´s

Um 8:15 kommt Bewegung ins Boot. Von den nächtlichen Pinkeleinlagen mal ganz abgesehen. Ich bekomme alles hautnah mit, weil ich im Salon schlafe, was mich aber nicht weiter stört, sondern eher den Überblick bewahren lässt.

Noch mal richtig ausgiebig duschen. Frühstück bei den netten Mädels im D-Cuisine. Geldwechsel (1€ :7,8TL) und ab zum Einkaufen. Gegen 14:00 Uhr soll es losgehen. Eintrag ins Logbuch: Bewölkt mit Aufheiterungen, schwache Winde, 22 Grad.

LOG: 22725; Motor: 17510 Std.

Aber der Motor springt nicht an. Werkzeug und Messinstrumente werden ausgepackt. Bald stellt sich heraus, dass die Starterbatterie ihren Geist aufgegeben hat. Dank des hervorragenden Service bei Sail with Friends können wir noch am selben Tag, um 16:30 Uhr vom Steg C ablegen. Danke Serkan! Der Wind reicht aus, die Segel zu ballen und wir gleiten bei wenig Welle an Göçek Adasi vorbei. Zum warm werden gibt´s einige Wenden und Halsen bis die eingerosteten Handgriffe wieder sitzen. Gegen 18:15 Uhr steuern wir durch die kleinere der beiden Einfahrten bei der Insel Tersane in den „Bodensee“ und machen an einer Boje für die Nacht fest. Kaum liegt MERLIN an der Boje, macht sich T3homas in der Pantry zu schaffen. Er ist zum ersten Mal mit an Bord und hat bereits bei der Törn-Vorbesprechung angekündigt, dass er sich an Bord um unser leibliches Wohl kümmern wird. Heute gibt es überbackenen Nudelauflauf mit Gemüse und Hähnchenstücke. Selten so delikat an Bord gegessen.  

Bemerkungen:        Bodensee nenne ich das von Inseln und Festland umschlossene Gebiet westlich Göçek. Nachdem es im Mitseglerkreis viele Thomas gibt, sind diese durchnummeriert. T3homas ist also kein Druckfehler.  

Mittwoch, der 8. Mai. Schäuferle-Verweigerer

Im Gegensatz zum ruhigen Abend, wurde die Nacht dann doch etwas windiger und die Metallboje hat mehrmals an den Bug geklopft. Es herrscht stahlblauer Himmel und es hat deutlich abgekühlt. Der Wetterbericht meldet starke und anhaltende Winde um west-nordwest. Unseren eigentlichen Plan Ekincik oder sogar Marmaris anzusteuern, können wir streichen. Da kämen wir bei Gegenwind nicht oder zumindest nur total gefrustet an. Neues Ziel ist Kaş.

Um 9:15 Uhr lösen wir die Leine zur Klopfboje. Frühstück gibt´s während der Fahrt. Der Weg ist lang und wir wollen noch bei Tageslicht ankommen. Nach Tersane setzen wir zusätzlich zum Motorantrieb die Fock. Die Durchschnittsgeschwindigkeit sollte keinesfalls unter 5kt pro Stunde fallen. Querab Kap Dekükbaşi stellen wir komplett auf Segel um. Die achterlichen Wellen fordern den Rudergängern stundenlange volle Konzentration ab. Ich kenn den Weg, vorbei an den sieben Kaps und dem endlosen Sandstrand schon viel zu gut und überlasse dem bereits gut eingespielten Team das Feld. Sprich, ich mach ein ausgiebiges Nickerchen. Auf Vorwindkurs fühlt man die Windstärke nicht wirklich, aber an den immer höher werdenden Wellen merkt man die Gewalten der See. Beim Abwärtssurfen ist die Schmetterlingsbesegelung kaum mehr vernünftig zu halten. Wir sind deutlich schneller als die vorgegebene Schnittgeschwindigkeit und erreichen Kaş-Marina ziemlich abgeschlafft, aber bereits eine Stunde früher als geplant. Gegen 18:30 Uhr legen wir unter professioneller Unterstützung am Steg G an. Gerade mal drei Bootsbreiten von dem Platz entfernt, an dem MERLIN für eineinhalb Jahre beheimatet war. Ein kurzer wehmütiger Gedankenblick in die Vergangenheit geht dem Manöverschluck voraus. Abendessen im Yeşil-Restaurant in Kaş. Noch ein Absacker an  Bord, und bereits um 22:30 Uhr liegen alle hundemüde in den Kojen. Der Tag war anstrengend.  Die angeregte abendliche Diskussion über Ramadan und diverse andersgläubige Schäuferle-Verweigerer muss zu einem späteren Zeitpunkt fortgesetzt werden.

Logbuch: Motorlaufzeit 2,6 Stunden. Strecke 60 NM LOG 22792 NM; Motor 1754,9 Std. Gasflasche gewechselt. Tee- und Kaffeekanne lassen sich äußerlich kaum unterscheiden. Ein ernsthaftes Problem beim Frühstück. Ein Arbeitskreis soll Lösungen präsentieren.

Donnerstag, der 9. Mai. Wassereinbruch und Tütenkette .

07:45 Uhr Windstill, stahlblauer Himmel. Wer bald ins Bettchen steigt, ist auch bald wieder auf den Beinen. Eigentlich sollte es eine Art Ruhetag werden, aber der erste Blick in die Bilge brachte Hektik ins Boot. Ich hatte die letzten Jahre bereits mehrere Wassereinbrüche. Und da es sich wieder um Süßwasser handelte, hielt sich meine Erregung in Grenzen. Per WhatsApp prasselten Unmengen Ratschläge ein. Letztendlich waren einige Schlauchbinder in der Nasszelle lose und vorsichtshalber haben wir auch die verdächtige Dichtung der Außendusche gewechselt.

Der eigentliche Ruhetag begann dann mit einem ausgiebigen türkischen Frühstück. Gefolgt von Landausflügen der Crew. Ich habe den Tag genutzt mehrere interessante Gespräche mit Ümit, dem Marina-Chef und Metin dem technischen Leiter zu führen. Zum gemeinsamen Abendessen haben wir uns dann  im Marina-Restaurant PASSARELLA wieder getroffen. So ein mehrgängiges Abendessen braucht seine Zeit. Und so ging erst um 01:30 Uhr, nach dem „Absacker“ an Bord, das letzte Licht aus.

Logbuch: Motor-Kühlwasser-System, Saildrive und Heißwasserboiler gecheckt. Schläuche in Toilette nachgezogen. Dichtung der Außendusche gewechselt. Bilge trocken gelegt. Steuermann-Sitzbank mit neuer Edelstahlschraube befestigt.  Um den Nachschub unter Deck zu bringen wird eine „Tütenkette“ gebildet. Das Wort sollte in den Duden aufgenommen werden.

Freitag, der 10. Mai Dreifach Salatdressing

08:30 Uhr dunstig, nebelig 1018hPa, aber warm. Nochmal ausgiebig duschen. Frühstück an Bord. Um 10:45 Uhr Leinen los! Wir umrunden die Ferienhalbinsel Çukurbağ Yarimadasi und gehen auf Kurs Kekova Körfezi. Querab Ulu Burun Gehen wir unter Segel und kreuzen uns mit 4kt Fahrt langsam unserem Ziel entgegen. Zum Mittagessen zaubert unser Smutje einen orientalischen Salat aus Karotten, Zwiebel und Orangen. Leider lässt sich das Dressing beim Seegang nicht gut bändigen und musste dreimal hergestellt werden.  Mittlerweile scheint die Sonne fast ungehindert auf uns herab. Gegen 15:00 Uhr steuern wir mit Schmetterlingsbesegelung die Einfahrt in den Fjord an. Durch den Düseneffekt steigert sich das vorherrschende Lüftchen zu beachtlichen 18kt an, was das Ankern bei Palamut Bükü immer etwas prickelnder macht. Aber mit 60 Meter Kette bei 8 Meter Tiefe sind wir gut fest. Die elektronische Ankerwache bestätigt das. Gegen 19:00 Uhr lässt der Wind nach. Abends gibt’s Nudelauflauf mit reichlich Rotwein. Ein Gedicht! Wenn´s nur nicht immer so lange dauern würde. Um 23:45 Uhr geht’s vollgefressen, selig und gut angeheitert ins Bettchen.

Logbuch: Motor 1759,1 Std. Log 22.811NM. Karotten werden rationiert. Der Smutje macht ernst!

Samstag, der 11. Mai. Bestes Koch von Mittelmeer.

Sonnig, mit einzelnen Wolken, 1019 hPa. 08:30 Uhr die Nacht war ruhig. Frühstück an Bord. Um 10:00 Uhr geht’s mit dem Dinghi zum Landausflug zur nahegelegenen Lykischen Siedlung. Quasi ein kleines Stückchen auf dem Lykien Trail. Dieser ist 500km lang und führt von Fethyie nach Anatlya, immer der Küste entlang. Am Rückweg Einkehr bei einem modernen Einsiedler im Purple House. Trotz stetem Windhauch ist es zum Wandern gut warm. Nach der Rückkehr um 14:00 Uhr Anker auf. Mittagimbiss während der Fahrt. Bevor wir Segel setzen machen wir noch einen Abstecher in die auf der Insel Kekova befindliche Bucht Karaloz. Eine verwinkelte und allseits geschützte Bucht, in der vermutlich schon Piraten ihr Unwesen trieben. Aber dann wird das Tuch ausgepackt. Wir müssen nirgends hin und können deshalb die schnellste Segelstellung wählen. So führt unser Weg Richtung Demre und auch wieder zurück in den Kekova Körfezi. Noch ein Abstecher in die westlichen Buchten mit dem türkisblauen Wasser. Aber zum Baden ist es schon zu spät. So motoren wir weiter in den inneren Fjord nach Üçağiz zu meinem Freund Hasan. Der hat uns längst bei der Einfahrt erspäht und lässt uns von der Tochter im Taxiboot abholen. Allein die Abende bei Hasan und seiner Familie sind den Abstecher hierher wert. Der Abend wird lang und hat auch an Bord bei CD-Hardrock-Musik noch lange kein Ende.   

Logbuch: Motor 1762,6 Std.  Log 22.830 NM; Öl gecheckt ist übervoll.

Sonntag, der 12.Mai Muräne in Sicht

Es wird 09:00 Uhr bis sich an Bord etwas regt. Das Wasser im inneren Fjord ist nicht besonders klar, aber der Morgenschwumm tut gut.  Es herrscht stahlblauer Himmel, 1021hPa. Erst gegen 11:30 Uhr sieht unser Anker die Sonne. Nach der Kekova-Ausfahrt und der Begegnung mit einer treibenden Muräne, setzen wir Segel. Auf der Kreuz geht´s zurück an den kleineren Inseln und Kastellorizon vorbei Richtung Kaş. In der weit ausladenden Bucht Bayindir Limani gehen wir gegen 17:00 Uhr vor Anker. Die auszubringende Landleine beschert uns einige akrobatische Einlagen und entsprechenden Diskussionsstoff zum Sundowner.  Abends gibt es Rinder-Kartoffel-Schmortopf, arabische Art. Dazu orientalischen Salat, leider ohne Orangen, da diese tagsüber von niedrigen Matrosen verputzt wurden.

Logbuch: Motor 1765,7 Std.  Log 22.857 NM; Durch den herrschenden Butter-Notstand treten beim Frühstück erste Mangelerscheinungen auf.

Montag, der 13. Mai Augsburger Puppenkiste

Trotz Fliegengitter waren nachts erstmals Moskitos unter Deck. Ab 05:00 Uhr setzte Wind ein, der sich allerdings zu Sonnenaufgang wieder verabschiedete. Stahlblauer Himmel 1020hPa. Wir haben einen langen Schlag vor uns und machen uns bereits um 08:00 Uhr auf den Weg. Mit Ausnahme einiger Windhaucher kommt kein richtiger Segelwind auf. Die See ist glatt und erinnert wieder einmal an die Folie in der  Augsburger Puppenkiste. 11:00 Uhr Querab Kalkan, 13:00 Uhr am langen Sandstrand entlang. 15:00 Uhr bei den sieben Kaps. Auf See patrouillieren verdächtig viele Militärschiffe. Aus dem Internet erfahren wir, dass das bisher größte Seemanöver der Türkei im Gange ist. Vermutlich zum Säbelrasseln wegen dem Streit über die neue entdeckten Gasvorkommen in Zypern. Gegen 16:30 Uhr erreichen wir unbeschadet Karakaören. T3 legt perfekt an einer der Bojen an. Zeit für ein Manöverbierchen und ein paar Runden um MERLIN. Um 19:00 Uhr werden wir zum Abendessen mit dem Boot abgeholt. Die Terasse ist immer noch sehr klapprig und rustikal, aber der Ausblick hinüber zum Babadğ ist einfach grandios. Nachts beim Absacker an Deck stehen wir immer noch unter Manöverbeschuss. Sogar Leuchtspurmunition ist zu sehen. Irgendwie schon etwas beunruhigend.

Logbuch: Motor 1773,2 Std.  Log 22.902 NM

Dienstag, der 14. Mai Kein Tropfen im Tank

Nachts standen wir noch weiter unter Beschuss und ab 5:00 Uhr krähten uns die Hähne wach. Stahlblauer Himmel; 1019hPa. Frühstück an Bord. Es raucht und dampft aus allen Pfannen. T3homas gibt noch mal Alles! Um 11:30 Uhr fahren wir aus der Bucht. Ab Dökübaşi kommt leichter Segelwind auf. Den hätten wir gestern gut brauchen können. Der Weg ist genau genommen recht kurz. Aber was machen wir am Nachmittag schon in der Bucht? Und so kreuzen wir im Fethyie Golf mit den anderen Yachten um die Wetter, bis auch der Letzte der Crew genug Wenden gefahren hat. Dann geht es wieder zurück in den „Bodensee“ und an unsere Boje, die Kalle perfekt trifft. Der Kreis unserer Reise hat sich, von uns unbemerkt geschlossen. Das MIGROS-Versorgungsschiff kommt wie gerufen. Es gibt Eis für die ganze Mannschaft. Zum Kapitäns-Dinner müssen die Restvorräte herhalten, aber es ist niemand hungrig oder durstig aufgestanden. Wir sitzen noch lange an Deck.

Logbuch: Motor 1775,2 Std.  Log 22.922 NM. Obwohl wir in Kaş nachgebunkert hatten, ist der Frischwassertank leer!?! Das ist mir in den letzten 11 Jahren nicht passiert.

Mittwoch, der 15. Mai Immer eine Handbreit …..

Wie immer möchte ich zeitig in die Marina zurück. MERLIN auf Vordermann bringen, dauert schon einige Stunden. So düsen wir um 8:00 Uhr bereits los und sind um 9:30 Uhr längsseits an der Tankstelle. In der D-Marin ist Hochbetrieb wegen einer Regatta. Wir ergattern den letzten freien Platz am Steg C. Allerdings auf der gegenüberliegenden Seite. Das Tiefenlog zeigt gerade mal 0,2 Meter bis zum Kiel an. Erst mal lange duschen und anschließend Frühstück im D-Cuisine. Die Crew unternimmt einen Landausflug nach Fethyie während ich das Boot klariere. Über WhatsApp erhalte ich zwischendurch  schöne Ausflugsbilder von den Felsengräbern und dem Fischmarkt. Nach getaner Arbeit gönne ich mir ein Weißbier und bekomme unerwarteten Besuch von meinem Freund Oktay. Er ist mittlerweile Kapitän auf einer Traumyacht, an der wir zufällig, ohne es zu wissen, heute Morgen vorbei geschippert sind. Es ist ein herzliches Wiedersehen. Der Abschiedsabend findet im Can-Restaurant statt. Wir können uns das locker leisten, die Bordkasse ist noch dicke voll.

Logbuch:         Motor 1777,0 Std.  Log 22.931 NM

                        Gesamtstrecke 206 NM, 26 Motorstunden, 41 Liter Diesel verbraucht

                              Ein Unfallfreier Törn!

Danke an die Crew fürs Segeltraining, für die hervorragende Küche, den Teamgeist und die schönen Fotos.

T1homas

Owner and Sipper SY MERLIN    

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