Meine Frau Ingrid ist in den letzten Jahren nicht mehr mit Segeln gegangen. Nicht weil sie keine Lust dazu hatte, sondern wegen unserer Haustiere. Unser Hund war altersschwach geworden und konnte nicht mehr in Pflege gegeben werden. Jetzt, drei Wochen nachdem er nicht mehr unter uns weilt, packten wir die Seesäcke und sind spontan losgedüst. Nicht zuletzt um etwas Ablenkung zu haben.
Da Ingrid schon seit 15 Jahren nicht mehr in der Türkei war, wollten wir neben dem Segeln, auch Land und Leute und vor allem die neue Marina und die Hafenstadt Kaş besser kennenlernen. So dienen diese Zeilen nicht nur als Logbuch, sondern sind auch ein kleiner persönlicher Revier-Reiseführer.
Donnerstag, der 5. Mai 2016, Christi Himmelfahrt
Es gibt genügend Chartergesellschafften die von deutschen Flughäfen aus Dalaman oder Antalya anfliegen. Aber gerade ab Nürnberg finden diese Flüge meist während der Nacht statt. Wegen ein paar Stunden hat man sich früher nicht mehr ins Bett gelegt, sondern ist von der Kneipe aus gleich zum Flughafen gefahren. Jetzt, wo wir etwas in die Jahre gekommen sind, nehmen wir dann doch lieber den Flug um 11:05 Uhr mit Turkish Airline und die damit verbundene Zwischenlandung in Istanbul in Kauf. Vor Terroranschlägen haben wir keine Angst. Die Wahrs
cheinlichkeit ist wie ein Sechser im Lotto. Und gerade die internationalen Flughäfen sind derzeit
wohl die am besten bewachten Orte. Der Service der türkischen Linie ist beispielhaft. Kaum abgehoben, gibt es schon die ersten Naschereien. Auf einer Speisekarte kann man zwischen zwei Gerichten wählen. Mehrmals während des Fluges werden Getränke gereicht und der Duft frischer Brötchen zieht durch die Kabine. Und das für ca. 140,- Euro hin und zurück, in der „Holzklasse“ wohl gemerkt. Ein schöner Urlaubsauftakt, wir sind begeistert.
In Dalaman angekommen handeln wir einem Taxifahrer 15,- Euro runter. Durch seine freundliche Art und seinen flotten Fahrstiel bekommt er zum Schluss aber 10,- Euro als Trinkgeld wieder zurück. Es wäre geschwindelt, zu behaupten, dass die Reise nicht trotzdem anstrengend und lange ist. Und so kommen wir erst nach Sonnenuntergang in der Kaş-Marina an. Serkan von Sail with Friends erwartet uns bereits und erledigt in Windeseile alle Formalitäten. Anschließend lassen wir uns in einem der beiden Marina-Restaurants verwöhnen. Nicht gerade billig, aber dafür gut.
Freitag, der 6. Mai 2016. Ein Pool für uns alleine.
Die Sonne scheint durch die Decksluke und kitzelt in der Nase. Die nächtlichen Gewitter haben sich verzogen. Für deutsche Verhältnisse ist es richtig warm. Kurze Hose, T-Shirt und
ab zum Frühstücken an den Pool. Es sind mehr Bedienungen als Gäste da. Die Terroranschläge un
d die vermeintliche Nähe zu Syrien machen sich extrem bemerkbar. Wir werden zuvorkommend bedient, Pool und Strand gehören uns quasi alleine. Es ist traumhaft.
Freitags ist in Kaş immer Markttag. Wir kaufen Obst, Gemüse und Käse frisch von den Bauern ein. Alles duftet so intensiv. Endlich mal wieder Tomaten die auch nach Tomaten schmecken. Und Erdbeeren die du aus zehn Meter Entfernung riechen kannst. Den restlichen Einkauf erledigen wir im ausgezeichnet sortieren Marina-Supermarkt.
Abends besuchen wir das nahegelegene Amphitheater und kehren anschließend bei Hüseyin Usta ein. Hier gehen die Einheimischen essen. Weil´s gut und günstig ist. Bei meinen Aufenthalten war ich jetzt schon mehrmals dort und werde bereits per Handschlag begrüßt. Den Absacker nehmen wir dann an Deck.
Samstag, der 7. Mai 2016
Frühstück an Deck. Da es außer Pitter Yachting keine weiteren Charteryachten gibt, ist es außergewöhnlich ruhig an den Stegen. Tja, selbst die Eigner von Traumyachten haben halt nur eine begrenzte Anzahl an Urlaubstagen im Jahr zur Verfügung. Und so sind an unserem Steg D gerade mal drei Yachten „bemannt“. Noch bevor die Sonne unbarmherzig wird machen wir uns in Wanderschuhen auf den Weg und besuchen einige Lykische Gräber und andere Sehenswürdigkeiten in der Umgebung. Den Nachmittag lassen wir dann, bei Snacks und Drinks, am Pool ausklingen. Danach wird MERLIN reisefertig gemacht. Abendessen in Kas, Absacker an Deck.
Sonntag, der 8. Mai 2016. 1015hPa, 2/8 Cumulus. Endlich segeln!
Um 8:00 Uhr aus den Federn. Um 8:50 Uhr legen wir ab. Das Marina-Personal ist 5 Minuten nach unserem Funkspruch zur Stelle und hilft selbstverständlich beim Ablegen. Wir motoren aus der lang gezogenen Bucht Yarim adasi. Eine halbe Stunde später setzt Wind zum Segel ein. Unser Kurs führt uns westlich an Kastellorizon vorbei. Nicht gerade Zielführend, aber das segeln an sich macht uns richtig viel Spaß. Ingrid ist voll bei der Sache und so fahren wir weit raus aufs Meer, um bei der nächsten Wende unser Tagesziel Kekova Körvezi ansteuern zu können. Zuvor biegen wir aber noch in die Bucht von Aperlae ab. Im Scheitel der Bucht gibt es einen antiken Hafen und antike Festungsanlagen. Eigentlich ein schöner Ort zum verweilen. Allerdings steht der vorherrschende Westwind für diese Bucht recht ungünstig und würde uns womöglich eine unruhige Nacht bescheren. Ein Engländer steckt trotzdem seinen Anker. Wir Weicheier fahren weiter, zwischen den Inseln Akar Bogacic und dem Festland durch und biegen anschließend in den Kekova Körvezi nach Polemos Bükü ein. Um 15:30 Uhr fällt der Anker genau an der Stelle, an der wir vor 15 Jahren bereits geankert haben. Die Bucht, die wir uns mit nur einer weiteren Yacht teilen, hat seitdem nichts an ihrem Charme verloren. Ein geradezu Mystischer Abend nach 22 Seemeilen und nach 15 Jahren.
Montag, der 9. Mai 2016 1019hPa blauer Himmel. Steine, Gräber und Musik.
Ingrid hat für Heute Landgang angeordnet. Sie möchte unbedingt die gestern entdeckte Festungsanlage erkunden. Nach einem erfrischendem Bad und einem ausgiebigen Frühstück geht es mit dem Dinghi an Land. Der Weg ist gut ausgeschildert und führt uns durch eine angelegte Gartenlandschaft namens Purple House. Hier haben sich ein paar Aussteiger niedergelassen, die Gäste offensichtlich gerne willkommen heißen. Man muss bzw. darf durch ihren Vorgarten um zu den historischen Anlagen zu kommen. Am anderen Ende ihres Anwesens beginnt der Aufstieg zur Festung aus längst vergangener Zeit. Tolle Eindrücke und tolle Bilder entstehen im Kopf und im Foto. Am Rückweg treffen wir Kühe die wie Gämse auf den steilen Abhängen umher klettern. Wenn man beim Abstieg mal extrem weich auftritt, so entdeckt und riecht man ihre Hinterlassenschaften spätestens an Bord wieder. Zu Mittag essen wir in der einfachen Taverne ein einfaches Essen. Kleingeschnittene Gurken, Zwiebeln und Tomatensalat. Dazu frittierte Kartoffelstücke. Es schmeckt wie beim Sternekoch. Bis zum Abend ist Bandprobe angesagt. Ich hab nach dem Törn einen wichtigen Auftritt und muss unbedingt die neuen Songs üben. Zum Glück befinden sich auf MERLIN immer ein Keybord und eine Gitarre. So haben die Fische, Vögel, Kühe und Eulen auch mal Hotel California und Black Velvet zu Gehör bekommen. Die Tradition, dass der Kapitän einmal pro Törn den Kochlöffel schwingt. Diese Tradition gilt natürlich auch, wenn man nur zu zweit unterwegs ist. Und so gab es am Abend Spaghetti aglio e olio mit reichlich Peperoni und Salat dazu. Und alles unterm Sternenhimmel.
Dienstag, der 10 Mai 2016. 1014hPa Stahlblauer Himmel.
Die paradiesische Ruhe wird eigentlich nur durch unser Geplansche unterbrochen. Frühstück, wie immer, an Deck. Um 11.00 Uhr gehen wir Anker auf und motoren nach Ücagic. Ist der Kekova Körvezi schon so eine Art Fjord, so ist Ücagic ein Fjord im Fjord. An den Stegen der Stadtmarina drängen sich Gulet an Gulet , aber mangels Touristen sieht alles wie ausgestorben aus. Beim nächsten Törn werden wir in dieser total geschützten Bucht ankern und mal den Ort unsicher machen. Um 12:30 Uhr dampfen wir aus der Kekova-Bucht und nehmen Westkurs auf. Leider dem Wind genau entgegen. Trotzdem versuchen wir zu segeln und kreuzen wie wild, machen dabei aber wenig Höhe. Trotzdem macht es irre Spaß. Als der Wind nachmittags etwas dreht und mit entsprechenden taktischen Entscheidungen, schaffen wir es um 16:30 Uhr bis in die Bucht Ufakdere zu segeln. Eine Art Geheimtipp für Segler. Nur ist der Wind noch zu stark um zwischen den Untiefen einen günstigen Ankerplatz zu finden. So runden wir doch noch die letzte Landzunge vor Kas und finden mit Agzi Liman eine herrliche und windgeschützte Bucht.
Den ganzen Tag haben wir diskutiert, ob mit einer Zweier-Crew vernünftig eine Landfeste gelegt werden kann. Und schon stehen wir vor der Aufgabe und probieren es gleich mal aus. Es klappt nicht auf Anhieb aber wir haben eine riesen Gaudi. Ich bin richtig stolz auf meine Crew! Abends ist restessen und restetrinken angesagt. Nachts schwellt es etwas und Merlin schaukelt so vor sich hin. Aber was kann uns das jetzt noch ausmachen?
Mittwoch, der 11. Mai. 1014hPa. Wolkenlos. Rücksturz zur Basis.
Einen einzigen Nachbarn hatten wir in dieser Nacht in der Bucht. Und der war gefühlte kilometerweit weg. Es war ein richtiger Yachti. Mit eigener HR. Beim Frühstück um 9:00 Uhr lag der noch in der Koje. So stell ich mir mein Rentnerdasein vor. Wir holen Landfeste und Anker ein und machen uns auf den Weg zurück zur Kas-Marina wo wir nach Funkankündigung bereits erwartet werden. Die Marina-Leute helfen nicht nur beim Anlegen. Sie kümmern sich auch um den Landstrom und anderer Dinge. Es ist einfach traumhaft und wir freuen uns bald wieder hier zu sein. Unseren letzten Abend verbringen wir im Dolphin Restaurant mit Blick über den Hafen von Kas. Entspannt, ausgerüht, glücklich und zufrieden.
Toller Bericht, man glaubt fast dabei gewesen zu sein
Natürlich wie immer KLASSE der Bericht. P.S. glaub ja nicht das Du als Rentner mehr Zeit hast 🙂
kann mich den Worten von Kalle nur anschliessen. Einfach genial
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