Montag 7. Juni 2010
Der Monitor vor mir zeigt 35.000 Fuss an. Unter mir liegt der Atlantik. Der Airbus A340 in dem ich sitze jagt mit 880 Stundenkilometer seinem Ziel entgegen. Eigentlich ziemlich flott unterwegs, denke ich, und trotzdem sind es noch 3 Stunden und 37 Minuten bis Chicago.
Essen, trinken, schlafen, lesen, alles habe ich schon hinter mich gebracht. Jetzt könnte ich es noch mit schreiben probieren. Zum Beispiel über den letzten Segeltörn im Mai. Gott ist das schon wieder lange her.
Damals gab es bei der Reiseplanung einigen Nervenkitzel. Zunächst brachte dieser isländische Vulkan mit dem unaussprechlichen Namen die ganzen Flugpläne durcheinander. Dann häuften sich in Griechenland wegen des befürchteten Staatsbankrotts die Streiks. Es gab sogar Totesopfer. So waren wir dann doch ziemlich erleichter als unser Flieger zum planmäßigen Abflug aufgerufen wurden. Regina und Frank, auf vielen Törns mit dabei gewesen, bereiteten uns am Flughafen noch einen Sektempfang. Einfach klasse!
Knapp zweieinhalb Stunden später standen wir in Lefkas vor unserer MERLIN. Sie hatte den Winter gut überstanden. Da die Segelsaison gerade erst begonnen hat, war noch nicht viel los in der Marina. Da wir den Trubel sowieso nicht besonders mögen ist es für uns eigentlich die ideale Jahreszeit. Alle Ecker-Yachten standen am Kai bereit zum Auslaufen. Im Büro begrüßte uns Barbara in perfektem Deutsch und teilte uns auf Anfrage mit, dass Natascha, die wir vom letzten Jahr noch kannten, in Babyurlaub ist.
Mittwoch 12. Mai
Es soll ein gemütlicher Törn werden, möglichst ohne Hecktik. So sind wir erst um die Mittagszeit ausgelaufen. Richtung Westen durch den Kanal. Die ersten Meilen legen wir unter blauem Himmel bei glatter See und 10 bis 15 Knoten Wind zurück. So richtig zum eingewöhnen. Am Abend erreichen wir Porto Spilla auf Meganision und machen mit Mooringleine am Steg der Taverne fest. Es ist absolut herrlich bei einem kühlen Bierchen an der Strandbar zu sitzen und seine Yacht zu bewundern.
Auf jeden Fall sollte man auf Meganision eine Wanderung zum Bergdörfchen Spartakhorion einplanen. Der herrliche Ausblick ist die Anstrengung Wert. Das Abendessen nimmt man dann aber anstandshalber in der Taverne am Strand ein. Dafür werden keine Gebühren für Steg, Frischwasser und Landstrom erhoben und obendrein ist das Essen gut zubereitet.
Donnerstag 13. Mai
Ab 10 Uhr schippern wir bei glatter See und leichter Briese nördlich um Meganision herum Richtung Itaka.
Urplötzlich, als hätte jemand einen Schalter umgelegt frischt der Wind auf 27 Knoten auf. Die MERLIN, natürlich voll aufgetucht, legt sich fasst auf´s Wasser und läuft beinahe aus dem Ruder. Das Reffen bereitet einige Schwierigkeiten, zumal auch noch richtig Welle einsetzt. Ein Vatertagsausflug der sich gewaschen hat!
Ein kurzer Blick auf den Monitor. Goose Bay. Der Airbus hat den amerikanischen Kontinent erreicht. Außentemperatur minus 47°C. Jetzt sind es nur noch knapp über zwei Stunden. Aber zurück zum Segeltörn.
Freitag 14. Mai
Die Welt scheint wieder in Ordnung zu sein. Nach Mitternacht ist der Wind schwächer geworden. Jetzt um 9 Uhr sticht wieder die Sonne unbarmherzig vom stahlblauen Himmel. Baden, Dinghi-Rundfahrten und Landgang ist angesagt. Ab 12 Uhr motoren wir bei absoluter Flaute an der Nordostseite Itakas entlang und sehen uns einige hübsche Ankerbuchten an. Wie im Paradies. Aber der Schein trügt. Das NAVTEX bringt bereits Surmwarnung der Stärke 9. So machen wir uns um 15 Uhr auf den Weg zu unserem Stammplatz im Inselhaupthafen Vathi.
Kaum liegen wir fest, schon kommt Hecktik auf. Eine Flotille mit englischen Crews brechen herein. Und mit ihnen der Sturm. Alle setzen Zweitanker. Das ist gut so, denn was da aus der Hafeneinfahrt auf uns zukommt ist nämlich keine Nebelwand sondern aufgepeitschtes Wasser. Wir lassen sicherheitshalber den Motor mit gegenan kämpfen und sind auf alles gefasst.
Nach zwei Stunden harter Arbeit ist die erste Woge durch. Wir lecken unsere Wunden und können zum Abendessen sogar an Land gehen. Leider halten die Sonnenschirme dem schon wieder einsetzenden Regen nicht stand. So wird es nur ein kurzes aber nasses Abendessen.
Samstag 15. Mai
Das NAVTEX zeigt abermal Sturm an. Die für diesen Tag geplante Motorroller-Rundfahrt fällt also flach. Es reicht gerade mal für einen Stadtbummel mit kurzem Museumsbesuch. Immer mit einem Auge zum Hafen gerichtet.
Um 14 Uhr geht´s wieder los. Bei einer Gewaltböe rauscht die Ankerkette ein Stück durch die Winsch. Unser Bug stattet der Nachbaryacht einen kurzen Besuch ab. Fender sei Dank ist nichts passiert. Wir setzen zur Sicherheit noch Querleinen zum Hafenamt. Kaum hat sich am Abend die Lage beruhigt, schon setzt das Hungergefühl wieder ein. Aber jedes mal wenn wir zum Landgang ansetzen wollen, frischt der Wind wieder auf. Na schön, holen wir halt Pizzas an Bord.
An dieser Stelle ein Dank an die Crew von sailingholiday.com die nicht unmassgeblich beteiligt waren, dass an den letzten beiden Tagen nichts ernsthaftes passiert ist.
Sonntag 16. Mai
Die Nacht war dann eigentlich noch recht ruhig. Das Barometer klettert wieder. Trotzdem wollen wir schon mal ein Stück der Heimreise antreten. Um 10 Uhr nehmen wir Kurs Vlykhon auf Lefkas. Bei durchschnittlich 29 Knoten Wind und 2,5 Meter Welle macht die MERLIN mit gerefften Segeln 6 bis 7 Knoten Fahrt. Ein anstrengender aber schöner Segeltag. In der Meerenge zwischen Lefkas und Meganision bekommen wir dann noch mal richtig eine verpasst. Selbst in der allseits geschützten Bucht von Vlykhon blässt es ohne ende. Der Zweitanker muss wieder ausgebracht werden, da wir laut GPS auf Trift gehen.
Beim Versuch mit dem Dinghi an Land zu fahren verlässt uns Manfred in voller Montur Richtung Pfütze. Außenborder unterwasser, Propeller oben. Na prima, dann gibt´s halt keine Vorspeisenplatte an der Wasserfront sondern Spaghetti unter Deck. Dazu dreht sich die MERLIN die halbe Nacht wie ein Karussell. Aber der Anker hält.
Montag 17. Mai
Da die nächsten Charterkunden erst am Samstag eintreffen, könnten wir eigentlich bis Dienstag kurz vor unserem Abflug weitersegeln. Aber ich hab ehrlich gesagt die Schnauze voll. Und so fahren wir nach dem Frühstück zurück in die Marina. Ab der Kanaleinfahrt nimmt der Wind wieder zu. Diesmal allerdings wegen des Düseneffekts und nicht weil der nächste Sturm auf uns lauert.
Da wir bereits gegen Mittag in der Marina eintreffen, holen wir heute die ausgefallene Motorroller–Rundreise nach. Mit kurzen Hosen geht’s durch die Insel. Wusste gar nicht, dass es auf Lefkas so hohe Berge gibt. In 1100 Metern Höhe wird´s dann bei ca. 4°C schon etwas kalt für´s kurze Höschen. Aber der Blick auf die traumhaften Buchten auf der Südseite der Insel ist einmalig. So hat dieser Segeltörn etwas ganz besonderes an sich. Höhen und Tiefen, Flauten und Stürme, Kälte und Hitze, Entspannung und Hecktik. Ein Mix aus allen Möglichkeiten.
Wenn man die Zeit noch mal zurück drehen könnte, ich würde den Törn auf alle Fälle noch einmal erleben wollen.
Wir gehen in den Sinkflug über. Vor mir liegt Lake Michigan und im Dunst die Skyline von Chicago. Ich bin am Ziel.
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