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Herbstsegeltörn 2013

Meine erste Polarexpedition

Nach der Überstellung der MERLIN im Oktober 2013 hatten wir eigentlich gar keine Zeit mehr uns das Seegebiet um Volos und den nördlichen Sporaden richtig anzusehen. Deshalb war ich total gespannt, was uns hier erwartet. So bin ich am 30. September, schon einige Tage vor Eintreffen der Crew,  via Wien nach Volos geflogen, hab mir ein Leihauto gemietet um mich ortskundig zu machen.  Da ich seit Pfingsten praktisch keinen Urlaub mehr hatte, waren die einsamen Tage wie Balsam für die Seele.

Die drückende Schwüle des ersten Tages in Griechenland wurde durch heftige Winde am Abend abgelöst. Es bließ und schaukelte derart stark, dass es die Fender zwischen den Yachten heraus drückte. Später löste heftiger Regen den Starkwind ab.  Ich beschloss unter Deck noch diese Zeilen zu schreiben und bin erschöpft in meine Koje gefallen.

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Dienstag 1. Oktober

Blauer Himmel. Das Unwetter hat sich über Nacht verzogen. Allerdings ist es mit 18 Grad außergewöhnlich kalt geworden.  Ich darf an der Bergung einer liegen gebliebenen Yacht teilnehmen. Bin bis weit nach Sonnenuntergang beschäftigt und erfahre nebenbei sehr viel über den Stützpunkt Achilleion, das Seegebiet, die Inseln, die schönsten Buchten und Häfen, über Seemannschaft und Motorkunde. Ein toller Tag der mit einem Tavernenbesuch am Abend gekrönt wird. Darauf hab ich lange warten müssen. Auf einem mit Draht zusammen gehaltenen griechischen Holzstuhl sitzend, vor mir ein mit Papiertischdecke gedeckter Tisch. Ein Krug Harzwein, ein mit Olivenöl getränkter griechischer Salat , Ouzzo. Was braucht man mehr zum Leben?

 

Mittwoch 2. Oktober

Nachts hat es wieder durchgeregnet. Nachdem die Griechen (und auch ich) erst kurz vor Mitternacht mit dem Abendessen fertig sind, beginnt der Tag erst um 10:00 Uhr. Vorher tut sich in Achilleion nicht viel. Den restlichen Vormittag verbringe ich mit ratschen und am Nachmittag beginnt der Großeinkauf für den Törn.  Eine halbe Autostunde entfernt, in Almiros, gibt es einen Lidl-Markt. Am Abend fesselt mich Sophie´s Welt. Das Buch beschreibt viele griechische Philosophen und ihre Weltanschauungen. Ich gehe zeitig zu Bett, damit ich meine Crew nicht verpasse.

Donnerstag 3. Oktober

Der Wecker bzw. das iPad läutet um 4:00 Uhr. Um 4:30 Uhr befinde ich mich auf dem Weg nach Thessaloniki. Es regnet in Strömen und ich habe den Eindruck, dass es noch weiter abgekühlt hat.  Um 11:00 Uhr bin ich mit Kalle, Mathias und Thomas (um Verwechslungen auszuschließen T2 genannt) zurück in Achilleion. Den Nachmittag verbringen wir mit Resteinkäufen, dem Auto abgeben und einer ersten Bandprobe unter Deck. Abends dann das erste Konzert, vor drei eifrig klatschenden Zuhörern, in einer sonst Menschenleeren Tavernen.

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Freitag 4.Oktober.  QNH 1025 LOG 13597NM

Um 10:25 Uhr legen wir vom Kai ab. Das Abendteuer kann beginnen. Wir motoren in die Bucht von Volos. Dort soll es wenig Wind und wenig Welle geben. Also ideal, wenn man zwei Segelneulinge an Bord hat.  Aber entgegen allen Wettervorhersagen kam es ganz anders. Als wir nach einer kurzen Mittagspause in der Bucht Ormos Nies die 20 Meter Kette aufholten, kam richtig schöner Segelwind auf. Wir kreuzten was das Zeug hält. Immer im optimalen Wind aber ohne konkretes Ziel. Einfach so, dass es richtig Spaß macht. Meine beiden Neulinge waren super drauf und voll bei der Sache. Vor lauter Segel-Euphorie wären wir bald in die Nacht gekommen. Beim letzten Büchsenlicht fällt um 19:20 Uhr im Ormos Vathoudi, in einem Dauerliegerfeld, der Anker. Der Wind lässt nachts nach und die 65 Meter Kette werden garantiert halten. Zu Mathias selbstgemachter Pizza gibt es Livemusik bis spät in die Nacht.

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Samstag 5. Oktober Ein sonniger Tag

Laut Wetterbericht soll es bis zu 16 Grad „warm“ werden. Mit bis zu 4 Stunden Sonnenschein. In Summe natürlich.   Die Leichtmatrosen tuckern mit dem Dinghi zum Eierkaufen an Land. Rührei mit Schinken. Einfach klasse und gerne jeden Morgen.

Um 11:00 Uhr gehen wir Anker auf und verlassen die Bucht von Volos wieder.  Ab einem Steinbruch am Ausläufer des Trikeri-Gebirges setzen wir Segel und kreuzen von Kap Sarakinikos zur Insel Euböa und wieder zurück. Ohne eine einzige Meile Höhe zu machen, aber mit dem größtmöglichen Spaß. Ziel ist die Bucht Chondri Amos.  Gegen 18:00 Uhr laufen wir ein. Die Bucht ist recht schön, aber nach Südosten offen. Und genau aus der Richtung kommt der Wind. Der Ankergrund scheint aus Beton zu sein und so basteln wir bis es dunkel wird. Mit zwei Landleine und verkattetem Anker sollte es funktionieren.

Kapitänsdinner mit viel Bier, Wein und Ouzzo. Dazu Watzmann rauf und runter.

Tageslektion für die Neulinge: Dinghifahren, perfekt motoren, optimal segeln, Banane im Mast, Schmetterling, ausgebaumte Fock, Bullenstander, verkattete Anker, Landfeste. Alles perfekt, nur der Spibaum hörte sich etwas verbrannt an.

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Sonntag 6. Oktober. Bedeckter Himmel, LOG 13659

Das erste Bad, bei 16 Grad Luft- und 22 Grad Wassertemperatur.  Wenn du mal drin bist, magst gar nicht mehr raus. Rührei mit Speck und O-Saft zum regenerieren. Um 11:30 Uhr geht’s los, Richtung Skopelos, der zweiten großen Sporaden-Insel. Skiatos lassen wir touristenbedingt links liegen. Tagesbilanz: drei Stunden Motorfahrt, zwei Stunden segeln. Diesmal sogar zielorientiert. Um 16:30 Uhr sind wir in Nea Klima. Der Hafen gehört uns alleine. Wir legen längsseits an. Kaum ist der Fahrtwind weg, wird´s doch tatsächlich auch mal warm. Nachdem uns ein freundlicher Grieche mit einem Lächeln und „yes, yes, yes“ den Weg so schön erklärt hat, wandern wir bergauf nach Palio Klima, ein vom Erdbeben zerstörtes Dorf. Zum Abendessen ist es uns auf der Terasse der Taverne schon zu kalt. Wir begeben uns ins wärmere Innere und sind schockiert als man uns eisgekühltes Bier in tiefgefrorenen Gläsern serviert. Nachts backen wir an Bord Brot. Nicht wegen dem Hunger, sondern zum Aufwärmen.  Während des Backvorgangs geht die Sicht unter Deck auf weniger als einen Meter zurück. Mathias, der seine Erkältung bereits aus Deutschland eingeschleppt hat, wird mit einer Ingwer-Ouzzo-Mischung behandelt und ist wahrscheinlich ein Leben lang kuriert. Ab 23:00 Uhr ist wieder Bandprobe.

Tageslektion für den Skipper: Kabeltrommeln können nicht schwimmen.

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Montag 7. Oktober. LOG 13678. Dänen lügen nicht.

Um 9:00 Uhr aufstehen, frühstücken und einkaufen. Die Grundnahrungsmittel gehen zur Neige. Glücklicherweise passt genau eine Palette Dosenbier in den Rucksack. Um 12:00 Uhr dampfen wir in die Vorspring und bewegen uns nordwärts in die sogenannte Schwarzwaldbucht, nur um sie mal gesehen zu haben. Anschließend geht es weiter Richtung Alonissos. Unterwegs gibt es Obstsalat mit Joghurt. Ab 13:30 Uhr kommt Wind auf und wir kreuzen zwischen Alonissos und Skopelos hin und her, mal wieder ohne großes Vorwärtskommen.  Beim letzten Büchsenlicht laufen wir in die Bucht Vasiliko auf der westlich von Allonisos liegenden vorgelagerten unbewohnten Insel Peristera.  Zwischen Fischermoorings und Unterwasserkabel ankern wir mutterseelen allein in der Bucht auf 12 Meter Tiefe und ziemlich nah am Land. Spahgetti mit Tuna, Gigandes und Salat. Es fehlt an Nichts! Noch nicht!! Gegen 23:00 Uhr die obligatorische Bandprobe. Ab 01:00 Uhr findet eine astronomische Exkursion an Deck statt. Seit langem sehe ich mal wieder das Planktonleuchten.  Bei welcher Aktion kann man sich ja denken. Nachtruhe ist gegen 2:30 Uhr.

Tageslektion für den Bordtechniker: Halts Maul und löt!

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Dienstag 8. Oktober. Fixlos glücklich.

Heute ist Wind und Welle angesagt.  Wir dampfen zwischen Allonisos und Peristera Richtung Norden. Ab dem Felsbrocken Vrak Moro kommen die Segel zum Einsatz. Bei 17kt Wind und 1,5 Meter Welle ein idealer Segeltag. Wir, besser gesagt ich, kreuze Nordwärts und erreichen gegen 17:30 Uhr die unbewohnte Insel Panagia. Den nördlichsten Punkt unserer Reise. Panagia liegt in mitten eines großflächigen Naturschutzgebietes. Dem letzten Rückzugsgebiet der vom Aussterben bedrohten Mönchsrobben. Wir halten uns strikt nach den Vorgaben und wollen hoffen, dass andere Segler auch entsprechend rücksichtsvoll agieren.  Hinter einer schmale Einfahrt liegt Limin Planitis, einen der größten Naturhäfen Griechenlands. Außer einigen Fischern sind wir die einzigen Gäste. Wir ankern auf 6 Meter Wassertiefe frei schwojend.  Schon wieder so ein traumhaft schönes Fleckchen Erde. Allerdings haben wir nicht berücksichtigt, dass einige Lebensmittel zur Neige gehen. So ist Resteverwertung angesagt. Zuerst geht das Bier aus, dicht gefolgt vom Rotwein. Dann wird der Weiße knapp und um 0:30 Uhr ist der letzte Tropfen Ouzzo geleert. Zur Bandprobe wird Retsina mit Wasser im Mischungsverhältnis 1:100 gereicht.  Die Krönung war der Spruch des Co-Skippers: Man kann auch ohne Alkohol lustig sein. Wir versinken in tiefschürfende Diskussionen darüber, was man mit Kletten Wurzel Öl alles anstellen kann. Und auch das nächtliche Treiben der Fischer bleibt uns weitgehend schleierhaft.

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Mittwoch 9. Oktober. LOG 13724NM.  … und hatten die Pest an Bord.

Um 9:00 Uhr aufstehen. Der letzte Kaffee, die letzten 4 Eier, der letzte Schinken. Um 10:00 Uhr dampfen wir aus der Bucht und gegen Uhrzeigersinn um die Insel. Im Schmetterling geht’s, westlich an Allonisos vorbei,  Richtung Skopelos.  Auf halber Höhe wird einfach der Wind abgedreht. Es beginnt die Sauere-Gurken- Zeit. Genauer gesagt, die Salzgurken-Zeit. Um 16:30 Uhr treffen wir im Haupthafen von Skopelos ein. Der erste Anleger mit Heck zum Kai klappt so als hätten wir das x-mal geprobt. Jetzt ist Zeit, noch mal richtig Proviant zu bunkern. Erster Einkauf: vier Dosen Bier. Den Rest lassen wir zum Boot liefern. Am Abend findet die Erstbesteigung des Mount OBI statt. Ohne Sauerstoff und ohne Machete bis in die Todeszone. Danach gibt es in einer urigen Einheimischen-Kneipe ein traumhaftes Abendessen.  Der Erstkontakt mit Zipuro endet beinahe mit einer kleinen Meuterei. Um 23:30 Uhr Bandprobe unter Deck. Hoffentlich wachen die Engländer neben uns nicht auf.

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Donnerstag 10. Oktober. QNH 1018 LOG 13746. Sundowner time.

Um 10:05 Uhr legen wir ab. Auch dieses Manöver gelingt (beinahe) perfekt. Die See ähnelt der Augsburger Puppenkiste. Wir motoren westlich um Skopelos und erreichen gegen 11:00 Uhr den „Drecksfelsen“.  Benannt nach Sir Dreck der dort Szenen aus dem ABBA Musical Mama Mia abdrehen ließ.  Mathias langersehnter Wunsch, einmal im Leben diesen Ort zu sehen, geht in Erfüllung.  Gegen 12:00 Uhr sind wir am Westkap der Insel. Der Wind ist schwach und gegenan. Wir tuckern an den vorgelagerten Inselchen vor Skiatos vorbei in Richtung Euböa. Ein kurzer  Segelversuch, dann nehmen wir T2 in Schlepptau. Ohne Wasserski, wohl gemerkt.  Um 17:00 Uhr erreichen wir die weit offene Bucht von Pevkion. Hier ist im Sommer sicherlich einiges los. Heute sind wir die Einzigen. Abends, wie immer, Bandprobe. Diesmal aber an Deck bei einem herrlichen Sonnenuntergang. Mathias backt noch einmal Pizza. Mit Allem was der Kühlschrank hergibt.

Tageslektion für Alle: Halbliterdosen lassen sich mit der richtigen Falttechnik genauso klein zerdrücken wie kleine Dosen. Kalle will gleich nach der Rückkehr ein Patent anmelden.

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Freitag 11. Oktober. LOG 13776 NM.

Stahlblauer Himmel, jetzt wo es heimwärts geht. Heute Nacht müssen eine Horde Wildgewordener unter Deck gehaust haben. Das Boot ist total verwüstet. Die Crew braucht Stunden um für Ordnung zu sorgen. Ich geh derweil schwimmen.

Um 12:30 Uhr Anker auf. Wir segeln mit halben Wind Richtung Triker-Halbinsel und dann im Schmetterling zu einer Bucht hinter der kleinen Insel Aryironisos. Das könnte ein Übernachtungsplatz für den nächsten Törn werden.  Anschließend kreuzen wir zurück, um in die Bucht Ptelou zu kommen.  Unser Ziel und Ausgangspunkt. Wir erreichen Achilleion gegen 18:00 Uhr und legen bei 18kt Wind von der Seite an. Nach 10 Trainingstagen auf See ist aber auch dies kein Problem mehr. Nach 201 Seemeilen sind wir wieder sicher im Hafen. Mit einem Abschiedskonzert geht ein kalter aber traumhaft schöner Segelurlaub zu ende. Ich würde mich freuen, wenn die ganze Crew nächstes Jahr wieder mit dabei ist.

Thomas, genannt T1

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