Start

Ein Spagat zwischen Seele baumeln lassen und whish you were here“.

Wie soll ich diesmal beginnen mit meinen persönlichen Logbucheinträgen. Es fällt mir schwer zu schreiben und ich finde keinen richtigen Anfang. Zu viel ist passiert die letzten Wochen. Es ist Dienstag, der 22. September 2015.  Ich sitze am Kartentisch meiner MERLIN. Hinter mir, in der Bordtoilette, rinnt das Wasser von der, zum abtropfen aufgehängten, Segel-Jacke.  Draußen stürmt und blitzt es und es gießt wie aus Eimern. Ich bin alleine an Bord, aber irgendwie genieße ich das auch. Meine Frau hat mir vor kurzem verkündet, dass sie nicht mit auf Segeltörn geht, weil sie daheim auf unseren alten Hund aufpassen muss. Ich verstehe das. Er war sein ganzes Leben lang unser treuer Freund. Und jetzt mit seinen umgerechnet 105 Lebensjahren, geht es wohl irgendwann zu Ende mit ihm. Nachdem vor drei Wochen auch noch mein bester Freund und Segelkamerad bei einem tragischen Flugzeugabsturz ums Leben kam, bin ich ziemlich durch den Wind. Ein paar ruhige Tage tun mir sicher ganz gut. Ich erkunde die neue Marina, unternehme Wanderungen –die Gegend um Kas ist übrigens wunderschön- und abends schwanke ich, nach ein paar Dosen Bier, zwischen „Seele baumeln lassen“ und „whish you were here“.

Dann, am Mittwochabend, treffe ich endlich eine spontane Entscheidung!

Am Freitag reisen meine Mitsegler und Bandkollegen an. Ich werde ihnen einfach ein Stück entgegen fahren. Alleine !?!

Donnerstag 24.September 2015 Einhandsegler

Log 15210 NM, 6:55 Uhr. MERLIN und ich sind abfahrbereit. Die über Kanal 73 angeforderten Marineros sind sofort zur Stelle und, wie immer, sehr hilfsbereit. Ob sie merken, dass ich das erste Mal alleine unterwegs bin? Alles klappt wie am Schnürchen. Raus auf Kurs, Leinen aufschießen, Fender rein. So ein Autopilot ist dabei echt hilfreich. Das Boot habe ich schon vor der Abfahrt seetüchtig gemacht. Wenn man alleine unterwegs ist muss man vorausschauend planen. Und schon geht es los, Richtung Göcek. Vor mir türmt sich eine von der Sonne orange eingefärbte Wolkenwand auf. Einhand1

Leider entwickelt sich aus dem Schauspiel ziemlich schnell ein stattliches Gewitter. Und nicht nur das. Ich bemerke am linken Wolkenrand einen wie ein dünner Pfeil aussehenden Wirbel. Er kommt geradewegs auf mich zu, oder bilde ich mir das nur ein? Als der zum Schlauch gewordene Pfeil die Wasseroberfläche berührt, wird mir ziemlich mulmig. Es steigt eine riesen Wassersäule auf, mit einigen Metern Durchmesser. Ich gerate ziemlich in Panik. Segel runter, Kurs ändern, alles unter Deck werfen, Schwimmweste und Lifebelt an, Niedergang dicht machen. So schnell das Naturereignis erschienen ist, so schnell löst es sich auch wieder auf. Gott sei Dank musste ich keine nähere Bekanntschaft machen. Was bleibt sind die starken Regengüsse. Die Rettungsausrüstung lass ich mal besser an.

Einhand2

Querab Kalkan hört es zu regnen auf und die Sonne kommt zum Vorschein. Am Ufer beginnt ein lang gezogener Sandstrand, anschließend ein Gebiet das sich die sieben Kaps nennt. Ich glaube es könnten auch acht oder neun sein. Dort in der Nähe hat sich schon wieder ein Gewitter gebildet. Gerade jetzt, wo die Klamotten trocken geworden sind.

Knapp zwei Drittel der Strecke sind geschafft. Der Regen lässt nach, leider auch der Wind. Zum Stabilisieren lasse ich das Großsegel stehen, aber die Hauptarbeit hat längst der Diesel übernommen. Nach dem Kampf mit den Gezeiten, folgt jetzt der Kampf mit der Sonne. Viel zu spät merke ich, dass ich mir den Nacken verbrannt habe. Um 15:00 Uhr biege ich in den Golf von Fethiye ein. Null Welle, null Wind. Um 16:00 Uhr kündige ich mich schon mal telefonisch bei Volkan an, dem ich eine weitere Stunde später am Steg die Hand schüttle. Ich hab es geschafft. Ganz alleine 52 NM von Kas nach Göcek. Einem Weltumsegler kostet das wahrscheinlich ein müdes Lächeln, aber für mich war es ein großes Abenteuer und ich bin richtig stolz.

Port Göcek

Freitag 25.September 2015. Immer nur dichtholen.

Meinen gestrigen Erfolg habe ich am Abend an Bord bei einer Flasche türkischen Weißwein gefeiert. Entsprechend zerknittert komm ich mir heute vor. Ein feines Omelett und reichlich Kaffee helfen mir wieder auf die Beine. Um 11:10 Uhr kommt meine Crew in Dalaman an. Ich fahre ihnen im Shuttlebus entgegen und postiere mich mit einem Namensschild vor dem Flughafeneingang. Die Begrüßung fällt entsprechend lustig aus. Mathias, mein Co-Skipper, hat seine kleine Baßgitarre dabei. Der Koffer könnte auch ein Automatikgewehr beherbergen. Entsprechend zeitraubend sind jedes Mal die Zollkontrollen.  Die Einweisung an Bord fällt relativ einfach aus. Thomas, T2 genannt, und Mathias waren schon öfter mit dabei und kennen sich noch perfekt aus. Hartmut der vierte im Bunde wird während des kühlen Begrüßungsbierchen weitgehend instruiert. Er war noch nicht mit dabei, hat aber die größte Segelerfahrung von uns allen.

Gourmet

Am Nachmittag sehen wir uns Göcek an. Aus dem einstigen Fischerdorf in den 80er Jahren ist eine quirlige Touristenstadt geworden. Auch wenn der Rummel nicht zu meinen Urlaubsfreuden gehört, man kann dort gut shoppen und essen gehen. Im Restaurant wird die Einkaufsliste erstellt und wir stopfen MERLIN mit Proviant voll. Freitags ist, was man im Winterurlaub „Bettenwechsel“ nennt. Alle Charteryachten laufen am Nachmittag ein und werden gründlich gecheckt. Hektik kommt auf. Und Jeder will, nach einer oder zwei Wochen Törn,  der Erste in der Dusche sein. Der Letzte Abend an Bord wird bei den Chartergästen dann laut und überschwänglich gefeiert.  Wir mischen entsprechend mit und machen Livemusik an Bord.

Samstag, 26. September. Nächtliches Männleinlaufen.

QNH 1015hPs. Ab 4:00 Uhr ist an Schlaf nicht mehr zu denken. Vom Steg aus tippeln ganze Heerscharen zur Toilette und wieder zurück. Bei der Rückkehr kreuzen sich ihre Wege mit Seesackbepackten Zeitgenossen. Die zum Transport zur Verfügung gestellten Transportwägen klappern mit dem größtmöglichen Radau über den Steg. Schlaftrunken dauert es einige Zeit, bis ich begreife was da abgeht. -Na klar- die müssen alle zum Flieger. Es dauert nicht lange, dann beginnt ein reges Geschnatter am Steg. Die Putzmädels beginnen die Yachten zu reinigen und die ersten Neuen kommen an. Das ist alles ziemlich zermürbend, zeugt aber davon, dass das Chartergeschäft bei Sail with Friends sehr gut läuft und bestens organisiert ist.

Auslauf

Bevor uns die neuen Charterkunden noch überrumpeln, verabschieden wir uns von Judith und Volkan und laufen fasst unbemerkt aus. Im Golf von Fetyie herrscht leichter Segelwind. So kann sich die Crew optimal ans Schiff gewöhnen. Ab 14:30 Uhr wird´s dann „flautig“ und wir versuchen noch unter Segel die Durchfahrt bei der Insel Tersane zu erreichen. Dahinter, in der Göcek-Bucht, tummeln sich wahnsinnig viele Yachten. Dass diese Ecke eine der schönsten Segelgebiete der Türkei ist, hat sich leider rumgesprochen. Gegen 17:00 Uhr ergattern wir noch einen freinen Ankerplatz bei Sarsala. Der Grund fällt schnell und steil ab. Wir müssen einige Ankermanöver fahren, erschwert von den Köpfen die aus dem Wasser ragen. Es sind Badegästen vom benachbarten Gullet. So sind wir nicht böse, dass eine große Motorjacht ausläuft und wir zu seiner frei werdenden Boje versetzen können. Der Anleger wird noch ganz lustig, da die Landleine wegen einiger Zentimeter nicht mehr bis zu unserer neuen Position an der Bojen reicht. Abends kocht uns T2  zweierlei Nudeln mit Tomaten-Tunfisch-Sauce. Quasi mit Penne gefüllte Maccaroni.  Diese Füllung muss uns erst mal jemand nachmachen. Wir sitzen noch lange an Deck und stoßen auf die ersten 14 Seemeilen an.

Tersane

 Sonntag, 27. September. Guten Morgen Sonnenschein.

Ein Song haut uns füörmlich aus den Kojen. T2 hat sich offenbar vorgenommen, täglich von Nana Mouskouri geweckt werden zu wollen. Das Lied muss doch schon aus den 60ern stammen. Scheußlich! Wir frühstücken ausgiebig und trennen uns erst gegen 11:00 Uhr von unserer Boje. Unter Motor geht es zwischen den Inseln Kapi Creek und Domuz Adasi raus aus der Bucht und zurück in den Golf von Fetyie. Ich habe noch keine große Eile nach Kas zu kommen, und so verbringen wir noch einen weiteren Segeltag im Golf. Unser Abend-Ziel ist der Postkartenstrand von Ölüdeniz. Ölüdeniz

Hier hab ich schon häufig gelegen, dem regen Treiben am Strand zugesehen und mich von den Gleitschirmfliegern inspirieren lassen. Nur diesmal steht derart Schwell in die Bucht, dass wir uns nach einer Alternative umsehen. Ein hilfsbereiter Fischer mit seinem Boot bietet seine Dienste an. Er hilft beim Festmachen an den Felsen. Als wir ihm ein Trinkgeld geben wollen, macht er einen Gegenvorschlag. Er hat frischen Tunfisch gefangen und würde uns diesen zubereiten. Klingt abenteuerlich, aber wir lassen uns nach einiger Diskussion darauf ein. Er dockt längsseits bei uns an und beginnt sofort zu kochen und zu grillen. Es gibt gegrillte Auberginen, Fisch mit Reis und Salat und einen kühlen Schluck Weißen dazu. Kapitän Osmann entpuppt sich als Multitalent. Selbst als er schon längst wieder abgelegt hat, sprechen wir noch lange über das ausgezeichnete Abendessen. Es folgt eine herrliche Vollmondnacht. LOG 15296.

Osman1 Osman2 Osman3

Montag 28. September. Nur 12 Minuten Gehweg

7:30 Uhr 1015 hPa. Dünne aber geschlossene Schichtbewölkung. Wir legen zeitig ab und wollen nun doch ein gutes Stück Richtung Kas vorankommen. Zunächst geht es, unter Motor, zu den sieben Kaps. Es setzen achterliche Winde ein und wir segeln Schmetterling. Bei der Tour-Vorbereitung am Morgen hatte ich drei Wetterberichte mit drei grundsätzlich unterschiedlichen Meinungen. Jetzt um die Mittagszeit sind sich alle einig. Gewitter und Starkwind sind für Nachmittag und Abend angesagt. Niemand wiederspricht mir, als ich vorschlage, am geplanten Tagesziel Kalkan vorbei zu segeln und bis Kas-Marina durchzufahren. Wind und Welle werden stärker und wir rauschen am Nachmittag an Kalkan und unbewusst sogar an Kas vorbei. Als ich vom Mittagsschläfchen erwache, sind wir bereits in Mais Adasi. Das zurückkreuzen gegen den Wind wird dann richtig sportlich, so wie es T2 am liebsten hat. Um 16:15 Uhr legt Mathias bei über 20kt Wind gekonnt am Steg G an. Die Gewitter bleiben am Abend aus. Zumindest in unmittelbarer Umgebung. Nach nur 12 Minuten Gehweg erreichen wir die Altstadt und lassen uns in einem Restaurant verwöhnen. Es war mein dritter Besuch dort, und ich hatte den Eindruck, man kennt mich schon. Noch ein Absacker an Bord. Alle sind ziemlich müde, bis auf T2 natürlich. Log. 15339 (43NM)

Dienstag 29. September

In der Nacht ist der Wind eingeschlafen. Das Aufstehen ist ein schleichender Prozess. Selbst Nana Mouskouri bringt uns nicht aus der Ruhe. Die Sonne lacht vom stahlblauen Himmel. Mathias und Hartmut philosophieren lange Zeit am Bug über das Segeln. Fachausdrücke, Formeln, die wildesten Theorien werden aufgestellt, kritisch hinterfragt und wieder verworfen. Beide schenken ihrer Umgebung kaum noch Aufmerksamkeit. So wird es 11:45 Uhr bis wir aus der Marina kommen. Der Wetterbericht warnt abermal vor heftigen Gewittern. So wollen wir auch die kommende Nacht nach Kas zurückkehren und nehmen uns als Tagesaufgabe die Umrundung der Insel Kastelorizon vor. Hartmut, mit seiner Segelerfahrung, zeigt uns immer wieder worauf es beim Optimieren ankommt. Ich bin ja eher so der träge Typ in puncto Segeltrimm, lerne aber in dieser Woche gerne einiges dazu. Segeln2Der Wind nimmt stetig zu und steigert sich am Nachmittag auf 35kt und entsprechend hoher Welle. Den letzten Teil unserer Inselumrundung haben wir den Wind von vorn. Wir machen beim Kreuzen nicht mehr allzu viel Höhe, sind aber ehrgeizig bei der Sache. Mit dem zweiten Reff in Groß und Genua schießen wir immer noch flott durch die Düse zwischen Festland und Insel. Das geht so weit, dass sogar das Bimini einreißt. Ein geiler Segeltag. Irgendwann nach unzähligen Wenden reicht der Abstand zur Festlandszunge aus, um zurück zur Marina zu steuern. Wir waren sowieso die letzten die noch draußen sind.

Segeln1Um 16:30 Uhr sind wir zurück am Steg und haben rein zur Gaudi 27 Seemeilen zurückgelegt. Abends lassen wir es uns im Dolpin Retaurant (Seglertipp) richtig gut gehen, während ein Segelmacher unser Bimini wieder zusammen flickt.

Dolphin1 Dolphin2

Mittwoch, den 30.September.

08:00 Uhr 1013 hPa. Die Wetterberichte variieren immer noch stark. Aber in Einem sind sie sich einig. Es soll am Abend keine Gewitter mehr geben. So können wir wohl doch noch in die Kekova-Bucht fahren. Doch zuvor tanken wir MERLIN schon mal nach und pumpen den Fäkalientank aus. In einigen Gebieten der Türkei legt man mittlerweile sehr viel Wert auf Umweltschutz. Es herrscht Flaute. Mathias zieht unter Motor einige Kreise durchs Wasser und erklärt Hartmut sämtliche physikalischen und aerodynamischen Kräfte die derzeit auf das Boot einwirken. Es ist erstaunlich, wie akademisch man selbst die einfachsten Vorgänge betrachten  kann. Ein Fischer winkt uns. Er hat zwar Zigaretten bei sich, aber kein Feuer. Wir reichen ihm eine Schachtel Streichhölzer in sein Boot. Voll besegelt aber mit wenig Wind tümpeln wir langsam unserem Ziel entgegen und verbringen die Zeit mit plaudern, dösen, essen, trinken und mit der Verhütung von Sonnenbrand. Eine HR schippert in Zeitlupe an uns vorbei. Die 10 Grad Kursunterschied machen sie glatt 0,1 kt schneller. Am Festland entwickeln sich stattliche Gewittertürme und es grollt zu uns herüber. Soviel zum Thema Wetterbericht. Wir biegen gegen 15:00 Uhr in den Kekova Körfezi ein und haben längst die Segel eingeholt. In der westlichen Bucht ankern wir frei schwojend auf 12,5 Meter Wassertiefe.  Trotz Flaute sind wir 23 Meilen gesegelt. Abends gibt es Kapitäns-Dinner und anschließend eine Bandprobe an Deck.

Probe1 Probe2 Probe3 Wir müssen üben, schließlich ist morgen ein großer Auftritt. Die Dunkelheit ist von Blitzen und Donnern durchsetzt, aber das Wetter kommt, Gott lob, nicht näher. Die laue Nacht lädt zu einem Bad bei Mondschein ein. Genial!

Donnerstag, den 1. Oktober.

T2

1015 hPa. Um 7:00 Uhr heißt es Anker auf. Die Sonne wirft ein ganz besonderes Licht in die Landschaft.T2 fährt uns aus der Bucht. Auch Außerhalb weht kein Lüftchen. Um 10:00 Uhr befinden wir uns querab der kleinen Inseln vor Kastelorizon. Wir lassen uns motorlos treiben. Wohl ist die letzte Gelegenheit in diesem Jahr zu einem Bad im Meer. Um 11:00 Uhr geht’s zurück zur Marina. Mittag legen wir an unserem Steg G Platz 27 an. Erkan ist auch zur Stelle und wir besprechen einige technische Details. Aber was gibt es schon groß zu besprechen, das Boot ist top in Schuss. Die Woche haben wir 195 NM zurückgelegt, davon 52 Meilen solo nach Göcek. An Bord wurden 144 Dosen Bier vernichtet, 6 Flaschen Wein und eine Flasche Raki. Mit dem Wasser haben wir uns etwas verschätzt, so sind doch tatsächlich einige Liter übrig geblieben.

Den Nachmittag verbringen wir zum entsalzen am Pool bei Pizza und Corona. Und nachdem Alles im Leben noch steigerungsfähig ist, bereitet uns Hartmut als Nachtisch Kaiserschmarrn mit Mango-Kompott an Bord zu.

So gestärkt stehen wir auch unseren letzten Abend in der Türkei durch. Mit Livemusik, versteht sich.

Gig2

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.