
Arschkalt ist es geworden. Zumindest kommt es mir so vor. Die vom Herbst bunt gefärbten Blätter liegen zuhauf am Boden. Es weht ein unangenehm starker Wind, dazu Dauerregen. Aber ich musste raus. In den Wald. Der Hund braucht dringend mal einen längeren Auslauf, nachdem er die letzten Tage nur immer kurz mal rauskam. Und mir tut das Laufen sicherlich auch gut. Die letzten Tage waren manchmal nur 10,58 Meter Strecke am Stück möglich. Merlin ist halt nicht länger.
Wobei wir beim eigentlichen Thema sind. Dem Segeltörn im Herbst 2025.
Ich reise wie immer, zwei Tage vor der Crew an. Aber ständig durchströmt mich ein Wechselbad der Gefühle. Natürlich wird es höchste Zeit, mal wieder einen Segeltörn zu unternehmen. Zumal sich bei den letzten Besuchen bei MERLIN immer Alles um Wartungsaufgaben gedreht hat. Andererseits bedürfte Ingrid grade jetzt meine volle Aufmerksamkeit. Sie muss baldmöglichst am Knie operiert werden. Läuft nur noch mit Krücken und kann nächtelang vor Schmerzen nicht schlafen. Sie in dieser Lage für längere Zeit allein zu lassen, ist eigentlich ein Unding. Zumal unser Hund mit seinen sieben Jahren wohl nie aus dem Flegelalter kommt. Was die Situation nicht gerade vereinfacht.
So habe ich schon ernsthaft mit dem Gedanken gespielt, den Törn abzusagen. Das kommt überhaupt nicht in Frage, meinte sie. Du fährst! Ich komm schon klar, war ihre Antwort. Außerdem haben wir gute Freunde, die mir helfen werden.
Und so mache ich mich am Dienstagmittag entsprechend unmotiviert auf den Weg. Die Flugzeit nach Antalya beträgt etwas über drei Stunden. Wobei die letzten 15 Flugminuten über das eigentliche Ziel hinausführen. Was mir anschließend immer eine zweieinhalbstündige Autofahrt zurück nach Kaş beschert. Es ist längst dunkel, als ich MERLIN erreiche. An Bord balancieren, Sicherungen und Lichtschalter suchen. Das Nötigste auspacken. Essen. Trinken. Schlafen!
Mittwoch, der 15. Oktober 2025.



Schlafen war einfacher gesagt als getan. Todmüde und doch aufgewühlt und hellwach endete der Abend erst gegen 01:30 Uhr. Eine Hundegang treibt noch die restliche Nacht laufstark ihr Unwesen, bis kurz nach sechs Uhr morgens der Muezzin das Wort ergreift.

Meine Aufgaben für heute sind längst vorgeplant. Verhandlungen in der Marina zur Verlängerung unseres Jahresvertrags. Mittlerweile kostet der Mooring-Platz knapp 8.000, – €. Da tröstet es auch nicht, dass sich die Preise zum Vorjahr nur unwesentlich erhöht haben. Anschließend folgt ein Treffen mit Mustafa, unserem Schiffsagenten. Er hat unser jährliches Transitlog fertig gestellt und behördlich genehmigen lassen und will natürlich auch seinen Obolus sehen. Nachmittag besucht mich Burkhardt auf einen Plausch und abends seine Monika mit zwei netten Damen. Sie teilen sich einen Fingerhut voll Bier und einen von meinen mitgebrachten Lebkuchen. Die Mädels sind bei Monika zu Besuch und unternehmen Tagesausflüge zu den Sehenswürdigkeiten der Umgebung. Im laufe des Nachmittags treffen viele Charter-Yachten mit russischen Crews ein. Sie tragen T-Shirts mit der Aufschrift „Music-Turn 25“ und entsprechend laut wird dann der Abend bzw. die Nacht. Mit der halben Welt sind die Russen zerstritten, aber die englischen Songs scheinen ihnen trotzdem deutlich besser zu gefallen als die Eigenen. So macht zuhören dann auch mir Spaß. Um 23:00 Uhr wird es etwas ruhiger.
Donnerstag, der 16. Oktober 2025. Die Crew ist im Anmarsch
Langeweile kann man den Zustand nicht nennen. Es ist eher so ein entspanntes dahindösen. Rumbasteln. Kleinigkeiten zurecht richten. Naschen. Roman von Tommie Goerz lesen. Dazwischen ein Nickerchen an Deck in der Sonne halten. Und dann komme ich glatt noch in Stress. Ich muss endlich, nach zwei Tagen, meinen Seesack auspacken und die Wäsche verstauen. Die Kabinen vorbereiten. Bettwäsche verteilen. Außerdem wollte ich doch noch Bier für die Jungs besorgen und kaltstellen.
Apropos Jungs. Diesmal ist es eine bunt gemischte Crew, die noch nie bei mir an Bord waren. Auch kennen wir uns eher flüchtig. Das scheint interessant und aufregend zu werden.
Da ist zunächst Stefan. Ich kenne ihn von den Flugtagen her. Als Veranstaltungsleiter habe ich ihn vor vielen Jahren dazu eingeladen. Die Ultraleicht-Fliegerei steckte damals noch in den Kinderschuhen. Es handelte sich mehr um motorisierte Drachen als um Flugzeuge. Und Stefan war der Erste, der diese Gattung bei uns am Lillinghof zur Luftfahrtveranstaltung vorgeführt hat. Er ist schon sehr früh zum UL-Fluglehrer aufgestiegen. Und ich darf heute noch ab und zu einem seiner Schüler die praktische Prüfung abnehmen. Beruflich hat er bis zur Rente für Recht und Ordnung im Landkreis gesorgt.
Robert ist der Zweite im Bunde. Sein Vater war schon viele Male mit mir auf Segeltörn. In Griechenland wie auch in der Türkei. Sogar seine Hochzeitsreise, zusammen mit seiner Waldtraud fand bei mir an Bord statt. Robert habe ich auf einer Familienfeier in Thüringen näher kennen gelernt. Damals hat er sein Interesse an einem gemeinsamen Törn bekundet. Einige Anläufe scheiterten aus Termingründen. Jetzt hat es geklappt. Er betreibt in Thüringen eine traditionsreiche, historische Mühle die lange Zeit noch mit Wasserkraft betrieben wurde. Er ist leidenschaftlicher und engagierter Jäger. Und war wohl bei Chartertörns in Griechenland schon dabei gewesen. Wie auch bei Stefan, sind mir seine „nautischen Fähigkeiten“ völlig unbekannt.
Der dritte Mitsegler ist Thomas. Er ist Anwalt, wohnt in Rudolstadt und mit Robert befreundet. Wir haben uns erst ein einziges Mal getroffen. Das war bei der knapp zweistündigen Vorbesprechung. Er will sich um die Bordküche kümmern, meinte er. Recht viel mehr weiß ich eigentlich nicht von ihm.
Nach meiner Rechnung sollten sie gegen 18:00 Uhr in der Marina sein. Aber ich habe mich gründlich verrechnet. Es ist längst dunkel, als sie eintreffen. Eine erste Begutachtung der Merlin, gefolgt vom obligatorischen Begrüßungsschluck in Form einer kleinen Bierprobe. EFES blau, EFES gelb und Tuborg Gold. Dann geht´s ins Passarella zum Nachtmahl. Den Absacker nehmen wir an Deck ein. Willkommen auf der MERLIN!

Bemerkungen:
Passarella nennt sich eines der in der Marina ansässigen Restaurants. Eine Passarella wird auch das Brett genannt, mit dem man vom Steg an Bord schreiten kann, ohne ins Wasser zu fallen.
Freitag, der 17. Oktober 2025. 08:15 Uhr 1019 hPa; 18 Grad Sonnenschein. LOG 20494NM

Das von mir angepriesene türkische Frühstück nehmen wir wieder im Passarella ein. Die Speisenvielfalt ist einmalig und bekommt entsprechend Lob. Die Einkaufsliste ist schnell besprochen, da von Thomas bereits minutiös vorbereitet. Lediglich bei den Getränken muss noch eine Feinabstimmung vorgenommen werden. Es folgt der übliche Großeinkauf im Marina-Supermarkt. Zum Geldwechsel machen wir uns auf nach Kaş. Es ist um die Mittagszeit schon wieder verdammt heiß. Für Thomas ist die Strecke bei den Temperaturen bereits grenzwertig, da er, wie ich erfahren habe, erst kürzlich eine schwere Operation hinter sich bringen musste. Wir legen in einem Caffe am Stadthafen eine Verschnaufpause ein, bevor wir noch Obst und Gemüse am Wochenmarkt besorgen.

Als alles verstaut ist, wird das Dinghi noch seetüchtig gemacht, 210 Liter Wasser gebunkert, der Diesel warmlaufen lassen und der Landstrom gekappt. Um 15:00 Uhr legen wir vom Steg C Platz Nr. 1 ab. Beim Ausfahren aus der Bucht Bucak Deniz folgt eine recht ausführliche Sicherheitsbelehrung. Persönliche Rettungsausrüstung, Feuerlöscher, Maßnahmen bei Mann über Bord usw. Zum Teil unterstützt mich Robert, was bei mir den Eindruck erweckt, dass er doch ziemlich Erfahrung mitbringt. Bei schwachen Winden können wir alle Segel und alle Segelstellungen durchprobieren und wenden uns halsen üben. Ideale Bedingungen für den ersten Tag.



Gegen 17:00 Uhr steuern wir die Bucht Bayindir Limani an. Es folg nochmal eine intensive Einweisung in das Ankermanöver. Jeder Skipper hat da so seine eigenen Theorien. Auf 10 Meter Tiefe ankern wir mit 50 Meter Kette am angestammten Platz. Die Jungs gehen schwimmen, während ich diese Zeilen schreibe und Karte und Wetterberichte studiere. Thomas hat die Pantry voll im Griff. Es gibt gemischten Salat mit Käse als Vorspeise. Anschließend „flache“ Spaghetti Aglio Olio in einer etwas abgewandelten, sagen wir in einer optimierten Variante. Meine Kapern kann ich dann wohl wieder mit nachhause nehmen.

Anschließend werden Witze gerissen, bis das Niveaus am Grund angekommen ist. Zur Feier des Tages wird noch die viel zu kleine Flasche Raki geköpft. Und im Gespräch erfahren wir viel von Stefans beruflichen Tätigkeiten.
Motor 23745 Std. LOG 20502NM
Bemerkungen:
Pantry kommt aus dem Englischen. So wird auf Schiffen der Küchenbereich bezeichnet. Groteskerweise bezeichnen die die Engländer die Bordküche als Galley.

Samstag, der 18.Oktober 2025. 1020 hPa Sonnenschein. Morgens schon gefühlte 22 Grad.
Um 08:00 Uhr kommt Leben ins Boot. Zunächst ein erfrischendes Bad im Meer. Dann ein ausgiebiges Frühstück an Deck. Unsere Tagesetappen sind so gelegt, dass wir morgens keine Eile haben müssen. Wir haben uns kurz vor Antritt der Reise geeinigt, dass wir auf große Schläge verzichten und die Woche im Gebiet Kekova Körfezi zubringen werden. Es soll ab Mittag gute Segelwinde geben. Um 10:30 Uhr Anker auf mit Kurs zur Durchfahrt zwischen den Inseln Akar und Icada. Robert ist heute am Ruder. Um 13:30 Uhr erreichen wir die Durchfahrt. Anschließend geht es unter Fock mit achterlichem Wind weiter bis zur Einfahrt in den Kekova Körfezi. Der Düseneffekt macht sich deutlich bemerkbar. Bei der Ansteuerung von Polemos Bükü bläst es mit bis zu 24kt. Das scheint eine lustige Nacht zu werden. Wir ankern auf 8 Meter Tiefe daher aber mit 60 Meter Kette. Die elektronische Ankerwache am iPad zeigt, dass Merlin zwar wie gewohnt tänzelt, wir uns aber keinen Meter versetzen. Der Anker hält!

Ich bin beruhigt und gönne mir ein kühles Ankerbier. Robert hat wahnsinnige Schmerzen in der Schulter, stand aber trotzdem den ganzen Tag am Ruder. Auch er hat sich das Ankerbier redlich verdient. Kaum steht das Boot, macht sich Thomas wieder ans Werk. Als Vorspeise gibt es Guacamole, eine Avocado-Creme mit Weißbrot und Weißwein. Abends dann eine Hähnchenpfanne mit Reis. Um 21:00 Uhr schläft schlagartig der Wind ein. Man kann den restlichen Abend sogar im T-Shirt an Deck verbringen. Bei Songs vom fränkischen Liederbarden Wolfgang Buck und unter einem Traumhaften Sternenhimmel. Ich glaube in Deutschland kann man so etwas in dieser Klarheit und Intensität gar nicht mehr sehen. Trotzdem sind alle müde und so ist gegen 23:00 Uhr Nachtruhe.
Motor 23760 Std. LOG 20516NM
Bemerkungen:
Ein Schlag ist die Strecke zwischen zwei Wenden. Das heißt, wenig Schläge – kurze Strecken. Eine in 24 Stunden zurückgelegte Strecke nennt man übrigens Etmal.
Sonntag, der 19. Oktober 2025. –Tal der Ahnungslosen- 1018 hPa Sonnig warm
Acht Uhr scheint so unsere Aufstehzeit zu sein. Ein paar Runden ums Boot. Bisschen Körperpflege. Wir haben keinen WLAN-Empfang mehr. Sind wir nun doch in einem unterentwickelten Land? In einer entlegenen Bucht, ohne Empfang? Oder wie die Thüringer sagen würden: im Tal der Ahnungslosen. Nein, weit gefehlt! Der Wust an Bildern und Videos die wir ständig in alle Welt geschickt haben, hat unser 10 GB Guthaben aufgefressen. Serkan, mein Bootspartner, lädt schnell 25 GB nach. Das sollte den Rest des Törns ausreichen.






Um 10:15 Uhr ist Landgang angesagt. Eine Wanderung zur verlassenen Lykischen Stadt Kale. Ich war schon zigmal dort und bleibe deshalb an Bord zurück. Um 12:00 Uhr kommt ein Anruf. Der Außenborder funktioniert nicht mehr richtig. Macht laute Geräusche. Die Jungs lassen sich zurück an Bord schleppen. Duplizität der Ereignisse. Genau an dieser Stelle ist uns das schon einmal passiert. Ich an Bord und die Crew lässt sich zurückschleppen. Im Dinghi unter Anderem Manfred, Roberts Vater. Zufall? Fügung? Schicksal? Man weiß es nicht!


Wind kommt auf. Wir machen uns segelfertig. Um 13:30 Anker auf und mit der Fock der Bucht entlang, bis zur Ausfahrt. Draußen erwartet uns recht brauchbarer Segelwind, der bis zum Nachmittag stetig zunimmt. Wir kreuzen und halsen bis zur Piratenbucht. Einem versteckten Einschnitt in die Insel, der Piraten als Stützpunkt diente. Um Handelsschiffen aufzulauern. Ob das stimmt, kann man nicht mit Gewissheit sagen. Geeignet wäre diese sehenswerte Bucht allemal dafür. Offiziell heißt der Einschnitt Karaloz Koyu und ist von See her kaum zu erkennen.



Als wir wieder auf offene See kommen, beginnt das Geschaukel von neuem. Aber keiner hat mehr große Lust auf Kampfsport mit Wind und Welle. So runden wir unter Motor Kekova Adasi und machen uns auf den Weg nach Uçagiz zu meinem Freund Hassan. Wir erreichen das Ankerfeld westlich des Gemeindestegs um 17:00 Uhr. Mit 60 Meter Kette ankern wir auf 5,7 Meter Tiefe zwischen zwei Gulet. Selbst in der allseits geschützten Bucht bläßt es immer noch mit 17 kt. Aber der Anker hält. Um 18:30 Uhr werden wir von Hassans Tochter zum Abendessen abgeholt. Es ist wie immer ein netter und feuchtfröhlicher Abend.
LOG 20527NM; Motor 21183 Std.
Bemerkungen:
- Ein Sitzkissen ist über Nacht von Bord gegangen.
- Durch starke Kränkung sind, trotz ordnungsgemäßer Lagerung zwei Gläser zerschellt.
- Außenborder hat den Geist aufgegeben
- Proviant nachgebunkert
Übrigens, Gulet bezeichnet man diese typischen großen türkischen Holzschiffe, mit denen Touristen Tagestouren angeboten werden.

Montag, der 20. Oktober 2025. Sonnig, mit ca. 5/8 Bewölkung.
Nachts gegen 03:00 Uhr kam starker Wind auf. Etwas beunruhigend, aber der Anker hat bombenfest gehalten.
Hinter den Hügeln tauchen am Morgen dicke Wolken auf. Darüber die schon gestern bewunderten Lentis. Der Wetterbericht kündigt Starkwind an. Aber zunächst gibt es erst mal wieder Frühstück an Deck. Da ist es heute ganz angenehm, dass die Sonne nicht wieder so runter brennt. Selbst das Frühstück hat bei unserem Smutje Sterne-Niveau. Wir genießen ausgiebig. Besonders Stefan, unser Langzeitfrühstücker. Leider bin ich selbst kein großer Frühstücksfan, genieße meine Tasse Kaffee und erfreue mich an dem Anblick des reichlich gedeckten Tisches. Und so kommen wir heute erst gegen 12:00 Uhr los. Aber wir haben ja keine Eile. Stefan steuert uns aus der Bucht Richtung Osten. Unter Fock geht es weiter zum östlichen Ausgang der Kekova Bucht Richtung Demre. Wir wollen dort die neue, im Bau befindliche Marina erkunden. Es wird mit 25 bis 30kt. ziemlich windig. Wir segeln mit gerefftem Tuch. Die eineinhalb Meter Welle tun ihr Übriges. Gegen 14:30 Uhr laufen wir in die Demre-Marina ein. Das Schild besagt, dass sie zur Setur-Gruppe gehört. Es ist wie in einer Geisterstadt. Zwar sind ca. 30% der Plätze bereits belegt, aber kein Mensch zu sehen. Wahrscheinlich dient die Marina derzeit nur als Winterlager. Von Läden, Supermarkt, Gastronomie keine Spur. Ein junger Marinero nähert sich mit dem Schlauchboot. Er merkt schnell, dass wir hier nichts wollen. Lässt uns aber bis zur Ausfahrt nicht aus den Augen. Einer aus der Crew meint „hier sieht es aus, wie im Gefängnis“. Ich kann dem nicht widersprechen. Wir fahren zurück Richtung Kekova und erreichen die Karibikbucht gegen 16:00 Uhr. Ingrid taufte sie 2018 Karibikbucht, wegen des blauen Wassers. Offiziell heißt sie Gökkaya Limani. In der Hoffnung, dass die vielen Gullets abends heimfahren, ankern wir auf 3 Meter Tiefe mit nur 30 Meter Kette im nordwestlichen Teil der Bucht. Als Starter gibt es hausgemachtes Früchtejoghurt. Wenn die Touristenboote weg sind, werden wir noch 20 Meter Kette stecken. Zehn Meter mehr reichen dann doch aus, da Stefan getaucht ist und der Anker sich komplett eingegraben hat. Da sollte nachts nichts passieren. Außerdem läuft wieder das iPad mit und würde rechtzeitig Alarm geben.
Zum Abendessen gibt es im Backofen geschmorte Hähnchenschenkel an Zitronensauce mit Röstkartoffel. Köstlich! Anschließend kommt eine politische Diskussion in Gang. Wir liegen innenpolitisch meilenweit auseinander. Wir leben in einer Demokratie und ich hoffe, dass dies noch länger so bleibt. Da sollte zwar Jeder seine Meinung sagen dürfen. Aber es ist einfach nicht gut, wenn man dies auf einem so engen Raum, wie einem Boot, auskosten will. Deshalb genieße ich lieber die Stille an Deck. Um 23:00 Uhr ist Nachtruhe angesagt. Die Strapazen des Tages gehen nicht spurlos an uns vorbei. Der Wind schickt ab und zu Fallböen zu uns herunter. Aber im Großen und Ganzen bleibt die Nacht ruhig.
LOG 20558NM; Motor 23850 Std.
Bemerkungen:
Lentis bzw. Lenticularis sind sogenannte Linsenwolken.
Dienstag, der 21. Oktober 2025. 1015hPa unverändert. Sonnig mit Wolken.
In der Karibik Bucht lässt sich ausgezeichnet baden und Schnorcheln. Interessant sind die kalten Stellen im Wasser. Vermutlich führen sie von unterirdischen Quellen her. Wir haben, wie immer, viel Zeit für ein ausgiebiges Frühstück. Und auch ich werde dabei immer aktiver. Dann gegen 10:45 Uhr geht es ein großes Stück zurück bis in die Bucht vor Kaş, wo wir unsere erste Nacht zugebracht haben. Die Servicebatterie blinkt rot und zeigt 11,8 Volt an. Wir reinigen die verstaubte Oberfläche der Solarzellen. Vielleicht bringt es was. Kurz nach der Abfahrt besichtigen wir noch kurz eine Höhle, die nur vom Wasser her erreichbar ist. Die erste Strecke steuert Thomas und macht das ganz gut. Den Rest der Strecke wechselt Robert sich mit mir ab. Wieder sind es bis zu 30kt. Wind die uns auf offener See erwarten. Mit Wellen bis 2 Meter reiten wir dahin. Müssen gegenan kreuzen und kommen nur mühselig voran. Ab der Durchfahrt nehmen wir den Diesel zu Hilfe, um schneller voranzukommen und den Kurs besser halten zu können. Wir werden ziemlich nass bei dem Ritt. Der Wind trocknet zwar Haut und Kleidung schnell wieder ab, kühlt aber auch unangenehm. So sind wir froh, um 16:30 Uhr endlich die Bucht zu erreichen.

Da der Wind vermutlich nur gedämpft aber nicht nachlassen wird, entscheiden wir uns an einer der ausgelegten Bojen festzumachen. Eine ist noch frei. Warum sie frei ist merken wir sehr schnell. Sie besitzt keinen Ring mehr. Der Versuch trotzdem daran fest zu machen, scheitert und kostet uns den Bootshaken.
Wir entscheiden uns für das übliche Ankermanöver und sind erfolgreich. 50 Meter auf 12 Meter Tiefe am üblichen Platz. Um uns rum ist heute ziemlich Betrieb. Meist Charteryachten aus Göҁek. Abends gibt es Jägerschnitzel mit Nudeln. In der ehemaligen DDR wurde hierzu kein Schweineschnitzel verwendet, sondern eine in Ei und Semmelbrösel gewendete dicke Scheibe Jagdwurst. Ich esse so etwas zum ersten Mal, bin aber positiv überrascht. Ich lese die letzten Seiten meines Buches. Wir sitzen unter Deck. Zwar hat der Wind deutlich nachgelassen, aber es ist frisch geworden an Deck. Auch hat es ein paarmal leicht genieselt.
Mittwoch, der 22. Oktober 2025. 1016 hPa bewölkt. Ab und zu schaut die Sonne raus.
Um 08:30 Uhr aufstehen, noch eine letzte Runde ums Boot. Frühstücken mit allem, was dazu gehört. Und Alles, was wegmuss. Um 10:30 Uhr sind wir abfahrbereit. Das letzte kleine Stück unserer Reise liegt vor uns. Es ist windstill bei bedecktem Himmel. Im Anflug auf Kaş-Marina bereiten wir das Boot vor. Fender raus und gut positionieren. Festmacherleinen vorbereiten. Handfunkgerät aktivieren. Die letzten beiden Manöver durchsprechen. Posten einteilen. An der Tankstelle bunkern wir 42,33 Liter Diesel nach. Dann geht es zurück zum Steg C Platz Nummer 1. Der Kreis unserer Reise schließt sich um 12:15 Uhr mit einem Manöverbier im T-Shirt bei leichtem Regen. – Unfallfrei –
LOG 20564NM; Motor 23866 Std.
Am Nachmittag begeben wir uns nach Kaş um den Transfer für morgen zu buchen. Anschließend werden in der Altstadt Souvenirs gekauft. Hierbei mussten wir feststellen, dass uns eine nicht unerhebliche Menge Geld fehlt. Vermutlich ischon seit Uçagiz. Das einzige mal, wo wir alle zusammen von Bord waren. Wir bemerkten es erst jetzt, da wir aufgrund der gemeinsamen Bordkasse unsere Geldbörsen meist an Bord gelassen haben. Die Urlaubsstimmung war schlagartig am Boden. Wenngleich wir uns, nach einer gewissen Erholungsphase beschlossen haben, uns den letzten Abend nicht verderben zu lassen. Eine richtig gute Stimmung wollte nicht mehr aufkommen. Auch nicht bei dem ausgezeichneten Essen im Sepathi-Restaurant. Und auch nicht bei der anschließenden Restbiervernichtung an Deck das noch bis Mitternacht dauerte und von alten DDR-Songs eingerahmt wurde.

Donnerstag, der 23. Oktober 2025 -Männleinlaufen- 1017 hPa Sonnenschein mit hohen Schleierwolken.
Die Restbierverwertung verursachte des Nachts ein ziemliches Männleinlaufen. Wobei ich mich hier nicht ausnehmen möchte. Auch die Hundegang war wieder sehr aktiv. Gefolgt vom Muezzin. Von irgendwelchen Schnarchgeräuschen gar nicht erst zu sprechen. Entsprechend gerädert stehe ich auf. Erstmal wieder richtig lange Duschen, ohne wegen des Wasserverbrauchs ein schlechtes Gewissen zu bekommen. Ein Schluck Kaffee an Bord. Klar Schiff machen. Dinghi verstauen. Bettwäsche abgeben. Bootsreinigung organisieren. Ein letztes Mittagessen im Passarella. Dann geht´s im Kleinbus nach Antalya zum Flieger.

Am Flughafen trennten sich unsere Wege. Zwei nach Erfurt, Zwei nach Nürnberg. Machts gut Jungs. Auch wenn´s kein Happy End gab. Mir hat es sehr gut gefallen. Ich denke gerne an Euch und an unser gemeinsames Abenteuer zurück.
Thomas
SY MERLIN
Hallo Thomas,
wunderbar geschrieben.
Immer wieder schön zu lesen die Törn Berichte.
Grüße Christian