Von Lefkas nach Achilleion (350,0 NM)
Eine Mitseglerin hat einmal gesagt „ich möchte so gerne wieder nach Hause, nach Lefkas“. Damals hab ich ihr zugestimmt. Heute muss ich sagen „Zuhause ist da wo die MERLIN ist“.
Samstag 6. Oktober 2012
Die Stunde Sicherheit die wir eingerechnet haben können wir gut gebrauchen. Auf der A9 folgt eine Baustelle der Anderen und die entsprechenden Staus lassen nicht lange auf sich warten. Wir suchen uns eine Abkürzung, Querfeldein zum Münchner Flughafen. So kommt Mathias mal wieder an Orte seiner Bundeswehrzeit vorbei. Trotz planmäßiger Abflugzeit reicht´s noch für ein Oktoberfestbier bei dem Wolfram und Mathias sich näher mit Guido, unserem vierten Mitstreiter, bekannt machen. Vom ersten Moment an hab ich den Eindruck, dass es im Team keine JAsager gibt. Alles gefestigte Charaktere die wissen was sie wollen, kritisch beurteilen aber auch andere Meinungen zulassen. Ein interessantes Quartett auf einem interessanten Törn.
Es dämmert schon als wir nach Flug und Taxifahrt in der Marina ankommen. Die MERLIN steht an ihrem Stegplatz bereit. Der vorab bestellte Proviant ist unter Deck. Beim wuchten meines Seesacks ziehe ich mir einen Muskelfaserriss am rechten Knie zu. Dieser wird mich die ganze Fahrt über begleiten. Ich werde ihn trotzdem im Logbuch nicht mehr weiter erwähnen. Nach einem kühlen Begrüßungsschluck geht es ein letztes Mal in unsere Stammtaverne zum Abendessen.
Sonntag 7. Oktober
Mit der geplanten Abfahrt um 6:00 Uhr wird es wohl nichts werden. Die Papiere müssen erst vom Skipper unterschrieben und dann von Hafenamt abgestempelt werden. So wird es 9:30 Uhr bis wir ein letztes Mal vom Steg C ablegen. Mit Wehmut verabschieden wir uns von Barbara, Akys und Olaf. Schließlich hat sich in den letzten vier Jahren so etwas wie eine kleine Freundschaft entwickelt. Danke noch mal für Alles!
Der Himmel ist Wolkenlos, es ist windstill QNH 1036hPa LOG 12278 NM. Wir motoren vorbei an der Bucht von Vlykhon und an der Insel Meganision, wo wir im letzten Jahr in Porto Spilla am Strand noch musiziert haben. In Gedanken erinnere ich mich an meine erste Nacht zusammen mit Ingrid an Bord der MERLIN. Weiter geht es vorbei an Atokos, Ithaka und Zakinthos. Gegen 16:00 Uhr biegen wir in den äußeren Golf von Patras ein. Auch hier kommen viele Erinnerungen hoch, an einsame Ankerbuchten und an Mesolongio die Stadt mit ihren Häusern auf Pfählen. Kurz vor Sonnenuntergang gibt es Abendessen. Greek Salad und Spaghetti mit Öl und Knoblauch. Gegen 19:00 Uhr sehen wir am Horizont erstmals die Brücke von Patras. Sie verschwindet allerdings wieder im Dunkel der Nacht. Achterliche Winde setzen ein und werden immer stärker. Nach dem Passieren der Brücke setzen wir die Fock und bekommen 7 kt Fahrt ins Boot.
Montag 8. Oktober 01:00 Uhr
Wir fahren vorbei an Trizonia und Galxedi und meine Gedanken streifen wieder tief in der Vergangenheit. Es ist wie eine Zeitreise. Die Wellen bauen sich mittlerweile auf stattliche 2 Meter auf, heben das Heck und rauschen in stockfinsterer Nacht unter uns durch. In der Dunkelheit sieht sowas noch viel beunruhigender aus. Wir beschließen zuhause an diversen Stammtischen von mindestens 4 Meter Wellenhöhe zu berichten. Als Mathias um 1:30 Uhr das Kommando übernimmt herrschen bis zu 30 kt Wind. Um 7:00 Uhr erreichen wir das andere Ufer der Nacht und nehmen, nach einem atemberaubenden Sonnenaufgang, erstmals Kontakt mit Chanel Control auf Kanal 11 auf. Wir erreichen den Kanal von Korinth gegen 8:00 Uhr. Durch den nächtlichen Wind konnten wir die Verspätung bei der Abfahrt komplett wieder aufholen. Um 9:00 Uhr haben wir den Kanal durchfahren und legen längsseits vor dem Tower in Isthmia an. Um 109,- Euro erleichtert geht es weiter mit NO-Kurs Richtung Bucht von Anavissos. Ab der Insel Ägina kommt wieder Wind auf und Guido macht seine ersten Segelerfahrungen. Um 15:30 Uhr schläft der Wind wieder ein und wir kreuzen das Verkehrstrennungsgebiet vorschriftsmäßig im 90 Grad Winkel. Um 17:30 Uhr ankern wir frei schwojend in der Bucht von Anavyssos auf 7,1 Meter Wassertiefe. Nach selbstgebackener Pizza und Salat folgt eine lange Planungsphase wie´s denn weiter geht. Dann ist´s erstmals richtig ruhig an Bord und wir schlafen ohne Motorgeräusch wie die Murmeltiere.
Dienstag 9. Oktober
Es ist 7:45 Uhr circa 2 Achtel Quellwolken stehen am Stahlblauen Himmel. Es ist windig und der Luftdruck ist auf 1031 hPa gesunken. Zur Müllentsorgung und um Proviant nach zu bunkern gehen Mathias und Guido mit dem Dinghi an Land. Um 10:15 Uhr gehen wir Anker auf. Mit Unterstützung der Fock geht’s flott voran. Zum Frühstück hat Guido Fruchtsalat mit Ziegenjoghurt vorbereitet. Schlemmender weise schippern wir bei Kap Sunion am Poseidontempel vorbei. Ab der Insel Makronisi wird die Strecke erstmals auch für mich Neuland. Die neuen Karten kommen auf den Tisch. Richtung Euböa kommen Wind und Wellen genau von vorne. Aus dem geplanten Erholungstag wird in kürzester Zeit ein ruppiges Gestampfe gegenan. Die MERLIN bewegt sich noch gerade mal mit 3 Knoten auf unser Tagesziel zu. Wir schaffen es gerade noch beim letzten Büchsenlicht in der Bucht Karistos auf Euböa anzukommen. Das zweite Ankermanöver auf 7 Meter klappt dann auch. Mathias lotet die gesamte Kettenlänge aus. Sogar den dünnen Strick am Ende der Kette 😉 Nach Eier mit Speck geht´s bald in´s Bettchen. Es wird eine kurze Nacht.
Handschr. Bemerkungen: Waltraud, schon häufig mitgesegelt, hat heute Geburtstag.
Ich glaube Guido wird mal ein richtiger Segler.
Mittwoch 10. Oktober
Um 2:00 Uhr läuten sämtliche Handys. Die Nacht war wirklich kurz. Maximal drei Stunden Schlaf. Wenige Minuten nach 2:00 Uhr gehen wir Anker auf und verlassen die Bucht. Der bedeckte Himmel lässt das Mondlicht nur erahnen. Es ist weitaus dunkler als die Nächte zuvor. So rücken wir unbewusst einem Fischkutter ziemlich auf die Pelle. Wir dampfen dicht an der Insel Mandilou vorbei. Der Wind steht natürlich wieder gegenan. Auch die gefürchtete Strömung zwischen Euböa und Andros ist gegen uns gerichtet. Allerdings bei weitem nicht so stark wie in den Handbüchern beschrieben. Nach drei Stunden Fahrt übernimmt Wolfram das Ruder, Mathias bleibt weiterhin am Radar. Um 8:00 Uhr, als es hell wird, übernimmt Guido. Wir dösen mehr oder weniger vor uns hin. Die Wassertiefen liegen hier in Ufernähe bereits über 500 Meter. Heute wäre Vater´s Geburtstag. Den haben wir schon mehrmals an Bord einer Charteryacht gefeiert. Die MERLIN hat er nie gesehen. Schade. Aber er hat von meinen Kaufabsichten gewusst und dazu genickt. Auch finanziell. Um 8:30 Uhr werde ich aus meinen Gedanken gerissen. Ein Rudel Delfine kreuzen unseren Weg. Sie tauchen mehrmals dicht unter dem Boot durch und beäugen uns. Um 10:30 Uhr steht auf einen Schlag der Motor still. Da die Tankanzeigen sehr ungenau gehen, füllen wir erst mal unsere 40 Liter Reservediesel in den Tank um. Als der Motor immer noch nicht anspringt ahne ich es schon. Dieselalgen. Das Thema kennen wir schon vom letzten Jahr. Nacheinander werden Dieselfilter, Leitungssystem, Haupthahn und Tanksteigrohr ausgebaut und untersucht. Trotzdem bewegen wir uns unter Vollzeug langsam weiter, Richtung Etappenziel. Nach zwei Stunden und einer beseitigten Verstopfung im Steigrohr läuft der Motor wieder. Um nicht in die Nacht zu kommen müssen wir unser Tagesziel vorverlegen. Neues Ziel im Ormos Philion ist die Bucht Vlakhia die wir wieder mal beim letzten Büchsenlicht erst erreichen. Bei der Ansteuerung schwankte die Motordrehzahl noch mehrmala um einige 100 Umdrehungen was mich veranlasst, vorsorglich Kontakt mit dem Stützpunkt Achilleion aufzunehmen. Mit gemischten Gefühlen sitzen wir bei Spaghetti mit Tunfischsauce und Salat unter Deck und malen uns aus, was morgen alles passieren kann. Bei der Diskussion ist Restetrinken angesagt. Erst Bier, dann Rotwein, dann Retsina und zum Schluß Ouzzo.
Donnerstag 11. Oktober
Um 6:10 Uhr ist wecken. Leicht verkatert und immer noch müde laufen wir aus der Bucht aus. Zu allem Überfluss regnet es stark. Anfangs stottert der Motor noch etwas, erholt sich dann aber. Vorsichtshalber gehen wir nicht über 1.800 Umdrehungen. Um 7:00 Uhr, pünktlich zum Sonnenaufgang, gibt es Fruchtsalat und Schnellkaffee. Um 8:30 Uhr, ich will mich gerade hinlegen, stoppt der Motor wieder schlagartig ab. Ich geh an Deck. Alle Köpfe sind schon wieder auf den Dieseltank und dessen Steigleitung gerichtet, als ich bemerke, dass wir ein Fischernetz hinter uns herziehen. Das hat uns gerade noch gefehlt. Teile eines alten Neilon-Netzes haben sich um die Schraube gewickelt. Trotz mehrerer Tauchgänge bekommt Mathias die Schraube nicht frei. Der Kunststoff hat sich quasi schon um die Welle verschmolzen. Als er sich mit den Taucherflossen unter dem Boot in den Netzenden verheddert, brechen wir die Aktion ab. Um 12:00 Uhr kommt Andreas mit zwei Kollegen mit dem Speedboot aus Achilleion um uns abzuschleppen. Während der Schleppaktion, die mehrere Stunden dauert, repariert Andreas schon mal die Spritleitung. Um 16:55 Uhr treffen wir an unserem Ziel ein. Zwar nicht aus eigener Kraft, aber wir sind angekommen und werden herzlich begrüßt. Beim „einparken“ erlebe ich den Begriff „Hafenkino“ mal aus der Schauspielerrolle von der Bühne aus.
Fazit:
Es war ein anstrengender Törn. Mehr Abenteuer kann man in fünf Tagen wohl kaum erleben. Und trotzdem war es eine wundervolle Reise mit den richtigen Freunden zu einem Ziel das sich lohnt und neugierig macht.
LOG 12628 NM Thomas
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