Es war eine absolut ruhige Nacht. Mit wenig „Männleinlaufen“ zur Toilette. Nachdem ich die letzten Töns immer im Salon, quasi auf dem Sofa geschlafen habe, bekomme ich zwangsläufig jede nächtliche Bewegung mit. Aber diese Nacht ging´s eigentlich. Wahrscheinlich weil die Anreise doch relativ beschwerlich und zeitraubend war. Und somit die Müdigkeit überwiegte.
Das Frühstück nehmen wir entspannt im Marina-Restaurant ein. Wir haben keine Eile, haben den ganzen Tag Zeit für Vorbereitungsarbeiten, Dokumentenkram und Einkäufe. Die Stegnachbarn Jürgen und Burkhard kommen unter Tags zu einem kleinen Plausch vorbei und wir verabreden uns für abends ins Sempati https://www.facebook.com/SempatiTurkishCuisine/, eines meiner Lieblingslokale in Kaş. Doch zuvor gibt es noch eine Sicherheitsunterweisung an Bord. Da wir mit Udo einen Segelneuling an Bord haben, fällt die Unterweisung mal wieder sehr ausführlich aus. Bis hin zum Batteriewechsel an den Blitzleuchten der lange nicht mehr getragenen, Schwimmwesten. Udo ist in letzter Minute für Franz eingesprungen, der aus gesundheitlichen Gründen nicht mitfahren konnte. Er ist aber per WhatsApp-Törn-Gruppe quasi Live zugeschaltet
Ich falle aus allen Wolken, als Jürgen beim Abendessen erzählt, dass er erst am Montag auslaufen und das Schlechtwettergebiet am Wochenende abwarten will. Habe ich doch die letzten Tage intensive Wetterstudien betrieben und für die ganze Woche hervorragendes Segel- und Badewetter prognostiziert. Aber ein Blick in den Windfinder bestätigt Jürgens Aussage. Ab Freitagnachmittag wird´s heftig.
Beim Absacker an Bord diskutieren wir noch lange übers Wetter und die damit verbundenen möglichen Planänderungen. Eigentlich wollten wir mal wieder Richtung Fethiye und Göcek hoch um uns die Woche da oben rumzutreiben. Ursprünglich sogar bis Ekincik zu segeln. Aber daraus wird wohl nichts werden. Jedenfalls nicht die ganze Woche lang. Außerdem begrenzt die Tageslänge im Oktober schon merklich den Aktionsradius. Zumindest, wenn man Nachtfahrten vermeiden will.
Die Diskussionen dauern noch lange an. Und nebenbei wird mir klar, wir haben das falsche Bier zu Wein Verhältnis eingekauft.
Mittwoch, der 12. Oktober 2022, 07:00 Uhr
Sonne und hohe Cirrusbewölkung, Luftdruck 1003hPa, 24 Grad
Log 23.290 NM; Motor 2.158,2 Std.
„Guten Morgen Sonnenschein“ Der Song von Nana Mouskouri reißt uns aus dem Schlaf. Das recht nervige Lied hat uns schon häufig als Weckruf an Bord begleitet. Lars hat es wohl nicht vergessen und auf seinem Handy eingeschmuggelt.
Wir verzichten auf ein opulentes Frühstück und legen bereits um 08:00 Uhr ab. Der erste Ableger funktioniert tadellos. Alle scheinen aufgepasst zu haben. Wir nehmen Kurs 270 Grad auf. Richtung Karakaören. Im Tagesverlauf nehmen Wind und Welle zu. Leider genau gegenan. Aufkreuzen können wir uns leider nicht erlauben, da es bereits um 18:30 Uhr dunkel wird. Wir stampfen ziemlich in die Wellen ein und werden immer langsamer. Um 11:30 Uhr querab Yilan Adasi kommen die ersten Zweifel auf, ob wir das Ziel rechtzeitig erreichen, oder doch lieber umkehren sollen. Wir entscheiden weiter zu fahren. Um 17:30 Uhr erreichen wir die navigatorisch anspruchsvolle Einfahrt. Es stehen schon etliche Yachten im Bojenfeld. Der sonst so aufmerksame Tavernen-Besitzer ist leicht überfordert und merkt gar nicht, dass wir uns an den anderen Yachten vorbei gemogelt haben. Erst als wir festgemacht und ihm gerufen haben, bemerkt er uns. Er teilt uns mit, dass eigentlich alles reserviert ist, da eine Regatta sich für den Abend angemeldet hat. Aber, nachdem wir nun mal da sind, dürfen wir bleiben und bekommen sogar ein Abendessen.
Gegen 19:30 Uhr, nachdem alles zugeparkt ist und die russischen Regattateilnehmer so langsam in Partystimmung kommen, gehen wir zurück an Bord. Dort ist der Lärm etwas erträglicher. Wir sind ziemlich erschöpft und nach dem allabendlichen Absacker begleitet von Tinder-Tittengewackel fallen wir rechtschaffend müde um 23:00 Uhr in die Kojen. Schwell schaukelt uns in den Schlaf.
Donnerstag, der 13. Oktober 2022, 07:30 Uhr
Sonne, Luftdruck 1004hPa; LOG 23340 NM, Motor 2167,8 Std.
Wir wollen uns frühzeitig aus dem Staub machen. Bevor uns der Regatta-Trubel einnimmt. Aber der Motor macht keinen Zucker. Beim dritten Versuch springt er wiederwillig an. Vorsichtig bewegen wir uns durch das Bojenfeld, damit kein Russe erwacht.
Fetiye, Göcek und Ekincik können wir uns abschminken. Wir gehen auf Gegenkurs, zurück Richtung Kas. Ich will bei Durchzug der Front nicht zu weit von der Marina entfernt sein. Ein unangenehmer Schwell, vermutlich die Restwelle des Vortags, macht das Frühstück an Deck spannend. Gegen 11:00 Uhr setzt achterlicher Wind ein und wir kommen unter Segel recht gut voran. Teils Schmetterling, teils Vorwindkurs geht es um 13:30 Uhr bereits dem langen Sandstrand entlang. Nach einer Flaute unter Motorfahrt bekommen wir ab Kalkan wieder gute Segelbedingungen.
Bereits um 17:30 Uhr erreichen wir unseren Ankerplatz in der Bucht Ince Burun. Wir ankern auf meinem Stammplatz mit 50 Meter Kette auf 10,8 Meter Tiefe. Dort findet sich dann auch recht bald Udos Schwimmflosse. Bergeversuche scheitern.
Am Abend gibt es die berühmt berüchtigten Spaghetti mit zweierlei Saucen. Ich überlege, wie lange es diese Tradition wohl schon gibt. Dreißig Jahre werden nicht reichen. In der Verdauungsphase entfachen rege Diskussionen rund um die Fliegerei. Da bleibt kein Auge trocken. Ich liebe diese Abende ohne Fernseher, dafür mit Geschaukel.
Ein letztes Bier an Deck. Die Silhouette der Stadt Kas spiegelt sich im Meer. Das Kreuz des Südens über uns. Oder ist´s der kleine Wagen?
Freitag, der 14. Oktober 2022. 08:00 Uhr
Sonne und leichte Bewölkung, Luftdruck 1000hPa LOG 23394 NM, Motor 2175,6 Std.
Leider ist das WLAN Guthaben aufgebraucht. Wir erhalten deshalb keine neuen Wetterinformationen. Wir verwerfen die Idee nach Kekova runter zu segeln, da nicht sicher ist, ob wir am Samstagmorgen noch vor dem Wetterwechsel zurück sein können.
Somit haben wir Zeit zum Baden und für ein ausgedehntes Nobelfrühstück.
Gegen 10:30 Uhr laufen wir aus der Bucht. Der Motor springt auf Anhieb an. Es herrscht moderates Segelwetter mit wenig Welle. Wir kreuzen und halsen wie die Teufel, aber ohne konkretes Ziel. Jeder der will, darf mal ans Ruder. Immer im Auge, die Wolken der herannahenden Front.
Meist ist die Tankstelle bei der Marina verwaist. Selten, dass sich dort ein Boot länger aufhält. Aber als wir anrücken staut es sich schon im Hafenbecken. Eine Yacht betanken kann sehr zeitraubend sein. Zumal wenn sich Schlauchboot-Heinis vordrängen.
Nach einer Stunde, so gegen 15:00 Uhr ist unser Törn dann vorerst zu ende. Wir sind wieder am Steg C angekommen.
Es gibt vermutlich hundert Kneipen in Kaş. Aber mich zieht es immer wieder in die Selben. Diesmal ins Yesil Restaurant. Ein ganz einfacher Laden, aber mit vielen Eintopfgerichten zur Auswahl zu einem unschlagbaren Preis. Den Absacker nehmen wir in der Barcelona Bar https://www.facebook.com/groups/18138365959/ wo sich immer viele Deutsche Schiffseigner treffen. Den zweiten Absacker gibt´s dann an Deck.
Samstag, der 15. Oktober 2022. 07:00 Uhr
Stark bewölkt, Luftdruck 998hPa LOG 23407 NM, Motor 2177,6 Std.
Serkan hat eine neue Starterbatterie besorgt und will sie heute gleich einbauen. Die Crew unternimmt derweil einen Tagesausflug nach Kastelorizo (GR). Das ist eine vorgelagerte kleine Insel mit einer typisch griechischen Hafenfront, kleinen Lokalen und Läden sowie einer historischen Kirche. Im Laufe der Jahrhunderte wechselte die Insel mehrmals den Besitzer. Zunächst zum Reich Alexander des Großen gehörig, wurde sie Römisch, dann Byzantinisch. Sogar Kreuzritter aus Rhodos belagerten sie. Anschließend wechselte sie mehrmals vom osmanischen Reich nach Griechenland und zurück. Wodurch sie von den Türken immer noch Meis genannt wird. Ohne die Tagestouristen wäre sie heute fast eine Geisterstadt.
Gegen 17:00 Uhr kommen die Jungs mit Ouzo und Havannas zurück.
Das Wetter wird immer heftiger. Der starke Regen zwingt uns am Abend in der Marina zu bleiben. In der Oxygen-Bar wurden durchsichtige Folienvorhänge angebracht, die verhindern, dass die Spezial-Burger nass werden und das Bier nicht immer dünnflüssiger wird. Draußen blitzt und donnert es ohne Unterbrechung.
In der Nacht nimmt der Wind noch weiter zu, so dass MERLIN mittlerweile fast mit dem Heck an den Steg gedrückt wird. Außer beobachten lässt sich an dem Zustand derzeit aber nichts ändern. Gegenüber von uns steht ein großer Catamaran dessen linker Rumpf bei dem Wellengang versucht die Stromsäule umzuknicken. Es ist niemand an Bord und wir hoffen, dass das Schiff nicht leck schlägt.
Erst weit nach Mitternacht beruhigt sich das Wetter etwas.
Sonntag, der 16. Oktober 2022. 08:30 Uhr
Dunkle Wolken, kein Regen, Luftdruck 998hPa Log 23.429 NM Mot. 2180,0 zum Törnende.
Vorm Waschraum hat es einen Baum umgelegt. Alles liegt voll Blüten, beinahe wie bei einer Hochzeit. Am Wellenbrecher liegt ein halb versunkenes Boot quer im Wasser. Wir sind uns aber nicht ganz sicher, ob es nicht schon vor dem Sturm dort lag.
An segeln ist heute nicht zu denken. Die Crew macht einen Landausflug und besichtigt u.a. das Amphitheater.
Gegen 17:00 Uhr beginnt es erneut zu regnen. Das ist aber nicht der Grund weshalb wir an Bord zu Abend essen. Vielmehr ist Ebbe in der Bordkasse. Und obendrein ist noch sehr viel Proviant übrig. Mit den mitgebrachten Würsten können wir glatt einen fränkischen Abend gestalten.
Anschließen wird Willi krank und kann nur mit einer Weinkorkentherapie geheilt werden. Es besucht uns Bembers mit seinen Schafen und noch so einige Gestalten. So wird es auch diesmal wieder 23:30 Uhr.
Montag, der 17. Oktober 2022. 08:00 Uhr
Sonne, von Osten hohe Schichtbewölkung, Luftdruck 1000hPa
Das Barometer klettert langsam wieder. Wir beschließen noch mal raus zu fahren. Zum Frühstück lassen wir uns ein Stück treiben, genießen die Tasse Kaffe und die Landschaft ringsum. Um 10:00 Uhr geht’s weiter Richtung Kalkan, der hohen Bewölkung ausweichend. Udo ist am Ruder und testet seine Fähigkeiten. In Fliegerkreisen würde man von Rollübungen sprechen. Um 11:30 Uhr erreichen wir Saribelen Adasi. Die kleine unbewohnte Insel soll uns für einen ausgiebigen letzten Badestopp dienen. Alte Erinnerungen werden wach. Hier ankerte ich vor 5 Jahren mit Ingrid. Zur Erholung nach einer stürmischen und schlaflosen Nacht.
Am Rückweg gab es nochmal recht brauchbare achterliche Winde. Auch wenn andere noch mal ans Steuer wollten, ließ ich es mir nicht nehmen, selbst bis Kas zurück zu segeln. Vielleicht ist es ja das allerletzte Mal.
Gegen 16:00 Uhr endet der Törn mit einem Manöverschluck und einem perfekten Anleger am Steg C Platz Nummer 1. Nach 139 NM mit 21,8 Stunden Motorlaufzeit.
Bis zu meiner Haustüre durfte ich bei einem Mitsegler mitfahren, dessen Frau uns am Flughafen Nürnberg abgeholt hatte. Auf ihre Frage, wie´s denn war, kam die Antwort, dass es in Kaş sehr viele gutaussehende Russinnen mit aufgespritzten Lippen gab. Und dass am Fernseher in einer Bar eine geile Hochleistungs-Segelregatta zu sehen war.
Da frage ich mich doch, wie unterschiedlich die Eindrücke einer Reise sein können.
Danke an Lars und Horst für die schönen Bilder.
Kaum erschienen, schon gelesen, fast aufgesogen den Inhalt, die plastischen Beschreibungen der schönen Momente und der Mitsegler sowie der Umwelt. Kompliment für diese Genialität.
T1, gerne wieder
HZ
War wieder ein wunderbarer Törn. Liegt vermutlich an dem first class Skipper und der tollen Crew.
Wie immer als wäre ich dabei gewesen