Sundowner an Bord

Vielleicht hätte ich nicht „Weicheitörn“ schreiben dürfen, als ich die Einladung für einen Segeltörn im Frühjahr 2022 an meine Mitseglergemeinde verschickt habe. Denn es hat sich trotz mehrerer Anläufe Niemand gemeldet. Selbst der Versuch, meine ehemaligen Klassenkameraden per WhatsApp-Gruppe zu animieren, ist komplett fehlgeschlagen. Nicht mal Einer meiner 392 Facebook-Freunde wollte mitsegeln. Eine bebilderte Einladung in der Facebook-Community der Stadt Lauf mit rund 5.800 Followern brachte zwar etliche Likes, aber keinen Mitsegler. Gut, ein Brillenklempner aus Eckental hat sich gemeldet, konnte aber seine ehemaligen Segelfreunde nicht dazu bewegen mitzusegeln. Ähnlich ging es einer ehemaligen Lauferin, die jetzt in Alanya lebt und deren Tochter in Deutschland genau zu dem Zeitpunkt Nachwuchs erwartete. Ich war also alleine, allein auf weiter Flur!

Ziemlich gefrustet gab ich meine Segelpläne fürs Frühjahr 2022 auf. Nach ein paar abendlichen Bierchen (zu viel) und im Bauch eine Mischung aus Frust, Enttäuschung und Trotzigkeit, entschied ich, mir trotzdem ein Ticket zu besorgen und alleine in die Türkei zu reisen um MERLIN ein paar Tage wenigstens als schwimmendes Feriendomizil zu nutzen. In Kas lag die Inzidenz nicht vierstellig wie bei uns, sondern längst unter 30. Alle Reisebeschränkungen waren aufgehoben, Corona kein Tagesthema mehr.

Es gibt zwar deutlich günstigere Nachtflüge von Nürnberg nach Antalya, aber mit zunehmendem Alter reise ich lieber tagsüber und mit Türkish Airline für ein paar Euro mehr. Der bereits in Deutschland bestellte Transfer klappte hervorragend und zum Abendessen saß ich bereits in einem der Restaurants in der Marina. Natürlich mit Blick auf die Yachten im Schein der untergehenden Sonne. Sundowner! Langsam beginnt mal wieder die Tiefenentspannung.

Mittwoch, der 4. Mai

Normalerweise schlafe ich auswärts eher schlecht und unruhig. Aber in der Bugkabine der MERLIN fühle ich mich offensichtlich schon wie zuhause. Oder vielleicht doch wegen der langen  Anreise gestern. Die neuen mitgebrachten Kopfkissen können auch eine Rolle gespielt haben. Jedenfalls habe ich nicht einmal den Muezzin gehört, als er die Gläubigen zum Frühgebet rief.

Ümit, der Marina-Chef hat mir eine Woche vor meiner Ankunft angeboten, mein Schiff an einen anderen, besseren Platz zu verholen. Sicher nicht ganz uneigennützig. Am neuen, bisher unbesetzten Platz passt gerade mal noch eine kleine Yacht wie MERLIN hin. Und damit wird in der proppenvollen Marina mein alter Platz frei. Der mir angebotene Platz hat viele Vorteile. Die Einfahrt ist breiter, der Platz ist geräumiger. Liegt in unmittelbarer Ufernähe, was bei Stürmen sehr beruhigend ist. Lediglich die nahegelegene Bar, die häufig Livemusik bietet, gibt mir zu denken. Ob das abends an Bord nicht zu laut ist? Aber wahrscheinlich sitze ich da sowieso mit am Dresen und lausche den Klängen. Ümit, dem ich meine Bedenken äußere, antwortet mit einem türkischen Sprichwort: Es gibt keine Rosen ohne Dornen. Hm, ich brauche trotzdem noch Bedenkzeit.

Bei meinem ersten Stadtbummel am Werftgelände vorbei, entdecke ich Jürgen. Er bastelt im Trockendock mit vollem Körpereinsatz an seiner Dina rum. Um das Kopfkino zu entschärfen, DINA ist seine Segelyacht. Jürgen ist schon ein paar Wochen am arbeiten und froh darüber abends mal wieder mit jemanden quatschen zu können.

Wir essen im Sempati in Kas. Vorspeisen, anschließend ein Rindersteak mit würziger Pfeffersauce und, für unsere Geschmäcker ungewöhnlich, als Beilage eine Art Kartoffelbrei. Alles, wie gewohnt, recht hochwertig und dank der hohen Inflationsrate, recht günstig. Zuhause hätte das Geld gerade mal für einen Teller Suppe gereicht.

Donnerstag, der 5. Mai

Ich habe mir den neuen Liegeplatz noch mal angesehen. Einige Leute im Umfeld befragt. Die Vor- und Nachteile abgewogen. Ein weiteres Gespräch mit Ümit bringt die Lösung. Zieh um, schau Dir das ein paar Tage an und wenn´s dir nicht gefällt kannst Du wieder zum alten Platz zurückkehren. Genau, so machen wir das. Morgen um 9:00 Uhr ist Umzug.

Jürgen, dessen Boot ja an Land steht, vermisst das Schaukeln. So macht er den Vorschlag, dass wir den heutigen Abend an Deck der MERLIN verbringen. Kurz darauf steht er mit einem Sixpack EFES an der Pasarella. Passarella ist übrigens ein Brett mit dem man ältere Yachten betritt und dabei möglichst nicht ins Wasser fällt.  Es wird wieder ein netter Abend.

Freitag, der 6. Mai

Für heute ist das Verholen der Yacht geplant. Ich bin zeitig auf den Beinen und bereite schon mal alles vor. Jürgen hilft beim Ab- und Anlegen.

Wenn der Marinero nicht so eine Schlafmütze gewesen wäre, dann wäre es ein perfekter erster Anleger geworden. Wir stehen bereits am neuen Platz, aber die Mooringleine die den Bug halten und stabilisieren soll, ist noch nicht bereitgelegt. Wir driften ab und machen unfreiwillig enge Bekanntschaft mit unserem neuen Nachbarboot und deren Besitzerin. Sie heißt Elaine, wie sich herausstellt, kommt ursprünglich aus England und spricht deutlich schneller als ich geistig ins deutsche übersetzen kann. Aber sie ist gut drauf und hilft mit, die Situation gekonnt zu entschärfen. Irgendwann kommt auch der unerfahrene junge Marinero mit der Mooringleine in die Gänge und wir trennen uns wieder von Elaines Spicy Lady und sind am neuen Platz angekommen. Das war mein kürzester Törn in meiner Segellaufbahn.

Bis auch die letzte Festmacherleine zu meiner Zufriedenheit positioniert ist, dauert es noch ein paar Stunden und viele Schweißtropfen. Aber dann bin ich ganz froh hier zu sein und gönne mir erst mal eine ausgiebige Dusche und ein frisches T-Shirt. Nachmittags geht es auf große Rollertour.

Abends bleibe ich an Bord, lese ein Buch und lausche der Livemusik, die recht nett und gar nicht so laut ist wie befürchtet.

Samstag, der 7. Mai

Ich muss schon wieder bald aufstehen. Hab mir gestern noch ein Ticket für die Fähre zur Insel Kastellorizon gebucht. Meis nennen die Türken das Eiland das mal griechisch mal türkisch war. In aller Welt wird auf den Fahrkarten die Abfahrtszeit abgedruckt. Nur hier wurde die Ankunftszeit auf der Insel angegeben, so hätte ich um ein Haar die Fähre verpasst. Da es sich, trotz Kurzausflug, um grenzüberschreitenden Verkehr aus bzw nach Europa handelt, sind die Passkontrollen entsprechend umfangreich und langwierig. Und in brütender Hitze auch ziemlich zermürbend. Die Insel besteht eigentlich nur aus dem Hafen mit seinen umliegenden Häusern, einer Kirche, einem Museum und dem Kastell Rosso von dem Kastellorizon letztendlich seinen Namen hat. Ganz Verwegene können noch den Berg hochsteigen bis zur Wetterstation. Zuhause in Deutschland hat mir unser griechischer Freund und Wirt erzählt, dass die Regierung viel Geld gezahlt hat, damit sich Einwohner hier ansiedeln. So entlegen ist die Insel und so dicht an der Türkei.

Nach anderthalb Stunden habe ich die Burg besichtigt, drei Hafenrunden gedreht und war in der Kirche. Das Museum habe ich beim besten Willen nicht gefunden. Eigentlich könnte ich jetzt wieder zurück, aber die Fähre geht erst in drei Stunden. Selbst wenn man die griechische Lebensart befolgt, sind drei Stunden Mittagessen zu lange. Ich mache in einer Art Park auf einer schattigen Bank ein Schläfchen, bevor es zurück nach Kas geht.

Heute ist mein letzter Abend. Wir verabreden uns zum Sundowner in der Oxygen-Bar. Neben Jürgen stoßen noch Joanna und Marcel hinzu. Ein Pärchen das zusammen mit Hund Nico die Welt besegelt hat und seit Corona in der Türkei hängen geblieben sind. Ihre Yacht hat Motorschaden und sie haben dadurch ziemlich viel Ärger am Hals. Wir kennen uns jetzt schon etwas länger und die Gespräche sind immer recht interessant. So wechseln wir zum Absacker noch ins Winehouse und fühlen uns auch dort recht gut aufgehoben.

Joanna, Marcel und Nico

Sonntag, der 8. Mai

Mein Transfer geht erst um die Mittagszeit. So kann ich MERLIN in aller Ruhe noch „einmotten“. Auch das ist ein positiver Aspekt der Reiseplanung. Elaine verspricht mir, gut auf mein Boot aufzupassen. Wenngleich sie nicht versteht, warum ich schon wieder Heim muss. Ehrlich gesagt, für einen Moment verstehe ich es auch nicht.  

Der Skipper beim schreiben des Logbuchs

Ein Kommentar

  1. Ich schwöre Dir wenn ich fliegen dürfte ..wärst Du nicht allein gewesen.. aber ob das gutgehen würde .. zumindest beim Absacker .. ich sitz nämlich wenn ich sitz 🙂

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