Das Boot ist fertig und wurde vom Marina-Personal wieder zu Wasser gelassen und an seinen angestammten Platz am Steg B gebracht. Aber irgendwie überkommt mich so ein mulmiges Gefühl. Ob wirklich alles in Ordnung gegangen ist?  Hals über Kopf ordere ich ein, wenn auch nicht besonders günstiges, Flugticket und düse los.

Die Anreise war diesmal eine mittelprächtige Katastrophe. Zum einen sind die Inzidenzen in Deutschland einstellig geworden und beinahe jeder will sein Urlaubsdefizit aufholen. Zum anderen begann in der Türkei Bayram, das höchste islamische Fest. So war der Flieger, der mit einer Stunde Verspätung erst in Nürnberg ankam, dann bis auf den letzten Sitzplatz vollgepfropft. Zeitgleich wurde sogar ein zweiter Flieger, mit gleichem Ziel, beladen. Was dann letztendlich zum nächsten Problem führte. Wir saßen im Flieger, aber aus Gründen, die uns nicht genannt wurden, verzögerte sich der Start um eine weitere Stunde. Auch der Landeanflug in Antalya war recht abenteuerlich. Mich als Freizeitpilot stört es ja eher weniger, wenn jemand in meiner direkten Umgebung zur Übel-Tüte greift. Aber dass dann anschließend zwei weitere Gäste auch noch reihern, das war schon nicht so prikelnd. An der Gepäckausgabe war die Startverzögerung dann klar. Circa 60 Passagiere erhielten statt ihrer Koffer einen Zettel zum Ausfüllen. Ich natürlich auch. Das ist doppelt dämlich, da ich eigentlich vorhatte, nur mit Handgepäck zu reisen. Aber der Zoll in Nürnberg meinte, dass meine Boots-Ersatzteile durchaus als gefährliche Ware anzusehen sind. So musste mein Täschchen in den Flugzeugrumpf. Gegen Aufpreis, versteht sich. Wenn alles gut gehe, sagten sie mir, wird das Gepäck in den nächsten zwei Tagen in der Marina eintreffen. Die dazugehörigen Formalitäten hatten natürlich wieder eine Stunde in Anspruch genommen. So ist es nicht verwunderlich, dass der Fahrer, der mich abholen sollte, bereits wieder auf dem Heimweg war.

Wo ist mein Fahrer?

Donnerstag, der 15. Juli  – Richtig angekommen  –

Anstatt gegen 9:00 Uhr war ich dann kurz vor 14:00 Uhr am Steg B in Kas. Noch nicht ganz bei Merlin angekommen, traf ich auf Jim, einen Stegnachbarn.  Er kommt aus Weymouth, England. Sein letzter Facebook-Eintrag zeigte ihn im Tandemgleitschirm über Ölüdeniz. Ich hätte nicht fragen sollen, wie sein Gleitschirmflug war, denn er hörte nicht mehr auf, begeistert darüber zu berichten. Und das bei 37 Grad, ohne einen Flecken Schatten und ohne ein einziges Lüftchen. Als er mich auch noch zum Drink einlud, musste ich dankend ablehnen.  Sorry Jim, aber ich muss jetzt erst mal richtig ankommen. Es war, glaube ich, mein erstes Bier das ich im Leben abgelehnt habe. Aber das Wasser lief mir bereits aus allen Poren.

MERLIN war weitestgehend in dem Zustand, wie ich es mir gewünscht habe. Aber jetzt nichts wie die verschwitzten Klamotten runter und duschen. Doch selbst der Weg zur Dusche war eine Art Hürdenlauf. Denn da hab ich Jens getroffen. Er ist gerade von einem sechswöchigen Überführungstörn  zurück. 3000 Seemeilen durch sieben Länder. Auch hier gibt es also viel zu erzählen. Was wir dann aber auf die Abendstunden in der Oxygen-Bar vertagt haben.

Nachts baue ich noch den Heizlüfter zum Ventilator um. Denn selbst nach Mitternacht hat es noch 30 Grad unter Deck. Funktionierte gut, aber laut. Irgendwann schlafe ich dann doch ziemlich übermüdet ein.

Freitag, der 16. Juli

Heutzutage ist es ja wichtig, immer und überall mit der ganzen Welt in Kontakt zu sein. Deshalb laufe ich zuerst in die Stadt um meinen WLAN-Router aufladen zu lassen. Um bei der Affenhitze nicht alles zu Fuß erledigen zu müssen, wird kurzerhand ein Roller für die kommenden Tage gebucht. Man kennt mich bereits und so sind die Formalitäten schnell erledigt. Allerdings haben sich, Dank Hauptsaison, die Preise glatt verdoppelt und der Hubraum halbiert. Aber das Schnauferl bringt mich trotzdem locker über die Hügel. Jetzt noch ein paar Ersatzteile und Werkzeuge einkaufen. Der zehner Gabelschlüssel war an Bord unauffindbar. Ist wohl irgendwann von Bord gegangen.

Bei der obligaten Begrüßungsrunde im Marina-Office stand dann auch plötzlich meine verloren gegangene Reisetasche vor mir. Alles wieder gut.

Mein Freund und Stegnachbar Burkhardt, der kurz vorbeikam, schimpfte wie ein Rohrspatz, dass trotz Corona Delta Variante, in Feierlaune keiner mehr so richtig die Regeln einhält. Ich habe daraufhin auf den obligatorischen Wochenmarktbesuch verzichtet.

Die geplanten Restarbeiten an Bord sind bei der Hitze eigentlich nur sehr früh am Morgen, oder spät am Abend zu bewerkstelligen. Dazwischen im Schatten dösen, Buch lesen oder diese Notizen hier schreiben. Alles ist eigentlich recht entspannt.

Samstag, der 17. Juni

Der Muezzin weckt auch am Wochenende sehr eindringlich und gewissenhaft. Nur für meine Begriffe, viel zu früh. Ich muss noch mal nach Kas. Zwei große Schäkel kaufen. Und einen zweiten 10er Gabelschlüssel, zum Kontern. Anschließend gönne ich mir zum Frühstück ein leckeres Omelett und einen Cappuccino dazu.  Danach ist´s zum Arbeiten schon wieder viel zu heiß.

Zugentlastungsfeder. Teufelszeug für den Nürnberger Zoll

Gegen 18:00 Uhr wird es langsam erträglicher und ich mache mich an die Arbeit, die Zugentlastungs-Federn, weswegen mein Handgepäck in den Rumpf musste, zu montieren. Mein direkter Stegnachbar, ein junger, neureicher Türke, springt sofort von seiner neuen Yacht und hilft mir. Er heißt Vilmi, oder so ähnlich. Ist mit seiner jungen Familie an Bord und hat offensichtlich keine Lust bei der Hitze zu segeln. Nach getaner Arbeit gehe ich das zweite Mal heute zum Duschen. Anschließend gönne ich mir im Marina-Restaurant Pasarella für knapp 12,- Euro ein Rinderlendensteak. Das muss jetzt halt sein. Beim Absacker an Bord gibt es Hubert und Staller im Handy-Mäusekino. WLAN sei Dank!

Sonntag, der 18. Juni

Die Arbeiten sind getan. Ich habe quasi die letzten beiden Tage Urlaub. Unternehme eine morgendliche Roller-Tour die Küste entlang und über die Hügel zurück.

Links die Einfahrt zur Kas-Marina. Rechts oben die Griechische Insel Kastelorizon

Mittags im Yesil-Restaurant Hühnereintopf mit Bulgur und Salat und Mineralwasser für 1,90 €. Anschließend an Bord zwei Stunden am Laptop zugebracht. RKI-Einreiseformular und Impfbescheinigung zum Freikauf aus der häuslichen Quarantäne. Abends zum Sundowner auf der Segelyacht Satchmo mit Monika, Burkhardt, Arsum und Jens, den wir kurzerhand in Yusuf umgetauft haben. Wir unterhalten uns prächtig. Reden über Gott und die Welt. Hunde, Katzen, Tierschutz, Geheimtip-Buchten und Alfred Biolek.   

Montag, der 19. Juni

Im Marinabüro liegen meine Ausreise-Drucksachen zur Abholung bereit. Denn einen eigenen Drucker habe ich noch nicht an Bord. Ist auch nicht nötig, bei der Hilfsbereitschaft. An Bord gibt es immer noch Kleinigkeiten zum schrauben. So vergeht der Vormittag recht kurzweilig. Mittag Spaghetti im Pasarella. Anschließend eine größere Rollertour bis Kalkan.

Sundowner an Bord

Den Sundowner genießen wir in gleicher Runde, aber diesmal bei mir an Bord. Als alle gegangen sind und die Sonne orangerot hinter den Hügeln verschwindet, erfahre ich, dass mein Freund Franjo heute gestorben ist. Ich bin froh, jetzt allein an Deck zu sitzen und ein bisschen inne halten zu können. Ein Foto entsteht und geht über Facebook um die Welt.

Prost Franjo, ich trinke auf Dich!

Dienstag, der 20. Juni

Meine letzte Nacht an Bord habe ich erstmals ohne den Einsatz des Ventilators zugebracht. Wahrscheinlich ist es etwas kälter geworden. Oder ich habe mich endlich an die Temperaturen gewöhnt. Nach dem Frühstück räume ich das Boot auf. Mache mir Notizen, was für die kommenden Törns daheim besorgt werden muss. Dann verabschiede ich mich der Reihe nach, von allen mir lieb gewordenen Freunden, ziehe meine lange Hose an, lege mir die Jacke zurecht und trete die Heimreise an.

Bis bald MERLIN

Thomas, der Steg-Kapitän

PS. Alfred Biolek ist einen Tag nach meiner Rückkehr verstorben. Zufall oder Vorsehung?

Ein Kommentar

  1. Interessanter Anfang, sehr sehr trauriges Ende. R.I.P.
    Franjo

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