Nein, diesmal wird es kein Reisebericht über eine aufregende Segeltour. Diesmal ist Arbeiten angesagt. Ob es darüber berichtenswertes und obendrein auch noch lesenswertes gibt, liegt in der Entscheidung des Betrachters.

Schon weit vor der Abreise checke ich täglich die Wetterberichte. Sie verheißen nichts Gutes. Ich war vor Jahren schon mal an einem Januar in der Türkei. Sogar viel weiter nördlich. Damals konnte man tagsüber mit T-Shirt und kurzer Hose rumlaufen. Jetzt erwarten mich laut Wettervorhersage Höchsttemperaturen um die acht Grad mit viel Regen. Entsprechend demotiviert trudle ich am Donnerstagvormittag am Flughafen Nürnberg ein. Begleitet von meiner kleinen Familie, bestehen aus Frau und Hund. Die Begleitung ist wichtig für mich. Da mir Abschiede immer schwerer fallen, werde ich von den Beiden doch immer wieder motiviert.

Goya checkt die Abflugzeiten

Der Trip geht, wie so häufig, über einen Zwischenstopp am Drehkreuz Istanbul. Kurz vorm Abflug spreche ich mich telefonisch noch mit Serkan ab. Wir kommen zu dem Schluss, dass beim morgen zu erwartenden Dauerregen so gut wie keine Wartungsarbeiten möglich sind und verabreden uns deshalb erst für Samstag.

Weil wir schon gerade über Serkan reden. Er ist seit dem Frühjahr mein Schiffs-Partner geworden. Er kennt MERLIN noch aus der Zeit, als sie als Charteryacht ihr Geld verdienen musste. Kennt die Yacht besser als ich und mittlerweile wahrscheinlich sogar besser als die Herstellerfirma. Und er ist genauso verknallt in das Schiff, wie ich selbst. Serkan hat sich vor einigen Jahren selbstständig gemacht und in der Türkei eine Firma für Yachttechnik gegründet. Er kann sich durch seinen Fleiß und Sachverstand derzeit vor Aufträgen nicht retten. Und ich könnte mir menschlich und aufgrund seines Erfahrungsschatzes keinen besseren Partner wünschen. In absehbarer Zeit wird er MERLIN komplett übernehmen.

Aber jetzt zurück zum eigentlichen Vorhaben.

Freitag, der 08. Dezember 2023

Bei der Landung in Istanbul liegen die Wolken auf. Die offensichtlich vom Autopiloten durchgeführte Landung fällt entsprechend hart aus. Ich kenne das Verfahren. Bei diesen Bedingungen, Starkregen, Wolken bis zum Boden und der extrem nassen Landebahn, ein übliches Verfahren um den Flieger schnell am Boden und möglichst nicht zum schlingern zu bringen. Das gleiche Spiel dann in Dalaman. Allerdings ist es da auch noch stockdunkel geworden. Mein Fahrer, den ich spontan in Nürnberg geordert habe, steht schon bereit. Im nagelneuen 9sitzer-Bus geht es Richtung Kas. Wie ein VIP komme ich mir als einziger Passagier in den riesen Gefährt vor. VIP auch deshalb, weil draußen ständig Blitzlicht die Szene erhellt. Oder sind´s Gewitter? Kurz nach Mitternacht erreiche ich mein Ziel. Zum Glück hat es aufgehört zu regnen und ich komme einigermaßen trocken zum Boot. Die Passarella auslegen, Landstrom anschließen, Koje für die Nacht vorbereiten. So aufgewühlt brauch ich aber dann doch erstmal ein Bierchen. Zu essen gibt es leider nur noch ein paar Press-Chips aus der Dose. Gegen 2 Uhr falle ich  endlich in die Koje.

Die Nacht war kühl und durchwachsen, von hell aufleuchtenden Blitzen und Regengeprassel durchzogen. Sinnlos bei dem Sauwetter früh aufzustehen. Ich bleibe erstmal bis Mittag liegen. Dann quält mich der Hunger und ich wate, nach einer Katzenwäsche, in die Stadt. Die Preise fürs Essen haben sich fast verdreifacht. Sind aber für deutsche Verhältnisse und wohl auch durch die hohe Inflation für uns durchaus noch günstig. Nachmittag blickt dann doch die Sonne mal raus. Und man kann seinen Cappuccino im Freien genießen. Wenn auch mit Pulli.

Am Abend bin ich bei Burkhard und Monika zum Essen eingeladen. Es gibt Krautwickel mit Kartoffelbrei. Ich fühle mich, in mehrfacher Hinsicht, fast wie daheim. Nach dem Essen kommt ein regelrechter Sturm auf. Der Wind schiebt die massiven Gartenmöbel auf der Terrasse durch die Gegend. Gefolgt von Blitzen und wolkenbruchartigen Regenfällen. Ich will schnellstmöglich zurück an Bord. Wie ein begossener Pudel sitze ich unter Deck und wechsle erstmal sämtliche Kleidung. Zum Glück liegen von früheren Törns noch T-Shirts und eine Jogginghose rum. Man kann sich gar nicht vorstellen, dass laut Wetterbericht morgen die Sonne scheinen soll.

Samstag, der 09. Dezember 2023

Die Sonne scheint. Und sofort bessert sich meine Stimmung. Kurz nach 10:00 Uhr kommt Serkan und hat, neben Werkzeug und Ersatzteilen, zwei seiner Mitarbeiter dabei. Es geht sofort zur Sache. Segel waschen, trocknen und unter Deck stauen. Bimini und Sprayhood abbauen. Alle Edelstahlteile an Deck polieren. Sowie das gesamte GfK-Deck. Außenbordmotor und Ankerwinsch für Wartungsarbeiten demontieren. Toilettenspülung reparieren. Geschwindigkeitssensor (von mir fälschlicher Weise Speed Log genannt) demontieren und säubern. Sicherungsleinen ausbringen usw. usw.

Die Arbeiten dauern den ganzen Tag an. Die Jungs werkeln wie die Verrückten. Ich versuche so gut wie möglich mit anzupacken, aber es fehlt mir leider an der nötigen Professionalität. Als Ausgleich kümmere ich mich um die Getränkeversorgung.

Am Abend sitze ich ziemlich geschafft unter Deck. Genieße die letzten Stunden an Bord. Zum Glück sind beim letzten Törn noch einige Dosen Bier übrig geblieben. Ein Prost auf die Herbst-Crew! Morgen um 6:00 Uhr ist wecken. Warm duschen, das Boot winterfest machen, dann geht es wieder zurück. Auf der Fahrt nach Antalya genieße ich jeden Sonnenstrahl und die ganz passablen 16 Grad Temperatur. Ade MERLIN, hoffentlich bis bald.   

Kein Triebwerksbrannt.
Da geht gerade die Sonne zwischen zwei unterschiedlich hohen Wolkenschichten unter.

       

Eine Zeitreise in die Vergangenheit

Vielleicht sollte ich doch meinen Rauschebart wieder abrasieren. Beim Zoll am Flughafen Nürnberg fragte mich die Dame, ob ich denn deutsch spreche, bevor sie mein Handgepäck durchwühlte. Mein als Taschenlampe getarntes Laserschwert entpuppte sich allerdings dann doch nur als schwach leuchtende Funzel. Aber nicht genug. Das iPad auf dem ich hier gerade „rumtippe“ wurde auf Sprengstoff und Drogen untersucht. Erst dann durfte ich zum Gate 121 weiter. 

Keine Angst, etwas weiter unten geht´s dann mit dem Törn-Bericht schon los. Aber irgendwie muss ich diesmal vorab ein paar Gedanken loswerden, die mich seit geraumer Zeit beschäftigen. Gedanken aus der Gegenwart, aber auch aus der Vergangenheit.

Was war ich früher abenteuer- und reiselustig. Das scheint mit zunehmendem Alter drastisch nachzulassen, um sich in andere Eigenschaften zu wandeln. Wie zum Beispiel Häuslichkeit, Einklang und Geborgenheit. Auch wenn man es mir äußerlich mit meiner schrulligen Art nicht anmerkt. Seit meine Ingrid nicht mehr mitsegelt und lieber beim Hündchen daheimbleibt, fallen mir Abschiede noch mal so schwer. Aber trotzdem freue ich mich auf einige entspannte Segeltage mit meinen Freunden Christian, Felix, Kalle und Lars (in alphabetischer Reihenfolge, versteht sich). Sie kommen in zwei Tagen nach, wenn Merlin segelfertig gemacht ist. Ich bin heute schon unterwegs, via Istanbul und Dalaman nach Kaȿ. Die Reise kann beginnen. Mein Laserschwert, den Sprengstoff und die Drogen durfte ich behalten. Selbst meinen Bart.

Apropos Istanbul. Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ich 2018 meinem Nachbarn auf dem Gang-Sitz erklärte, dass wir gerade den neuen Flughafen überfliegen, der just an dem Tag eingeweiht wurde. Er hat einen Satz in Türkisch durch die Kabine geplärrt und die Hälfte der Passagiere haben sich von ihren Plätzen erhoben und zur linken Seite aus den Fenstern geblickt. Der Kapitän war damals sicherlich schwer mit nachtrimmen beschäftigt.

Zurück in die Gegenwart. Beim Weiterflug von Istanbul nach Dalaman ist mir eine Flugbegleiterin aufgefallen. Sie sah genauso aus wie die Moderatorin und Ulknudel Constanze Lindner vom Bayerischen Fernsehen. Nur etwas dunkler gebräunt und mit rotem Dutt. Allerdings mit deutlich mehr Ü im Vokabular. Den Rest der Tour von Dalaman nach Kaş verbringe ich als einziger Passagier im klimatisierten 9sitzer Bus. Der Fahrer hätte durchaus als Kamikaze-Pilot sein Geld verdienen können, was aber die Fahrzeit deutlich verkürzte und auch keine Langeweile aufkommen ließ.  Zwischen Haustüre und Bootssteg sind es immerhin 10 Stunden. Entsprechend gerädert lasse ich mich an Bord, nach einem Beruhigungsschluck aus der Heineken-Brauerei, in meiner Koje darnieder.

Mittwoch, der 9. Oktober.

Zum Glück kugelt noch Schnellkaffee an Bord rum. Von der Sorte der keinerlei Aufwand bedarf. Wo Kaffeepulver, Milch und Zucker bereits vorgemischt sind. Lediglich Gas und Wasser muss aktiviert werden. Als Erstes muss anschließend der Landstromanschluss in Gang gesetzt werden. Das hat gestern Nacht nicht mehr richtig geklappt. Der Marina-Elektriker schafft es auf anhieb. Dann erst mal ne Dusche, bevor es zu längeren Verhandlungen ins Büro geht. Der Jahresvertrag für den Liegeplatz muss neu verhandelt werden. Die immer weiter steil ansteigende Inflationsrate in der Türkei gestaltet die Verhandlungen schwierig. Letztendlich haben Serkan und ich dann doch ein paar Prozente raushandeln können. Nachmittag hat sich Mustafa, unser neuer Agent mit dem schönen Nachnamen Ararat, angekündigt, um das Transitlog auszustellen und mir reichlich Geld dafür abzunehmen. So vergeht der erste Tag an Bord wie im Fluge und mein Geldbeutel ist jetzt schon auf ein Minimum geschrumpft. Aber morgen kommt ja die Bordkasse angeflogen.

Donnerstag, der 10. Oktober. Die Crew kommt.

Ingrid hat gestern schon eine Rose auf Vaters Grab gelegt. Heute ist sein Geburtstag. Obwohl für ihn nur die Fliegerei zählte, ist er doch einige Male mitgesegelt und war begeistert. Beim Schnellkaffee wandern meine Gedanken weit zurück. Ich kann sie ruhig schweifen lassen. Die Crew wird erst um 11:30 Uhr eintreffen und an Bord ist bereits alles soweit gerichtet. Die Katze vom Nachbarboot stattet mir einen Besuch ab.

Nachdem sämtliche Reisetaschen und Rucksäcke unter Deck verstaut sind, nehmen wir im Marina-Restaurant Passarella ein verspätetes Frühstück ein. Wie immer nutzen wir die Zeit, eine Einkaufsliste zu erstellen. Und wie immer entsteht die gleiche Diskussion, dass es viel zu viel Trinkwasser wäre, wo hingegen die Biermenge unmöglich reichen wird. Der Nachmittag gestaltet sich mit Einkaufen, Boot einräumen, Klamotten verstauen, Orientieren und ein wenig relaxen. Schließlich war es ein Nachtflug und außer Christian konnte keiner wirklich die Flugzeit zum Schlafen nutzen. Den Sonnenuntergang genießen wir am Amphitheater. Diesmal sind wir sogar pünktlich und können die letzten Sonnenstrahlen genießen.

Zum Abendessen ging es ins Yeşil Restaurant. Ein sehr einfaches Lokal, aber mit ausgezeichnetem und günstigem Essen. Übrigens das erste Lokal, dass ich damals im März 2015 in Kaş betreten habe. Mittlerweile werde ich dort per Handschlag begrüßt. Anschließend geht es in eine Bar oberhalb des Hafens. Ein zugiges Plätzchen mit wackeligen Barhockern und lauter Musik.

Nicht mein Geschmack, aber man scheint das jetzt so zu mögen. Den Absacker nehmen wir traditionell an Bord ein. Es scheint, die Crew ist mental angekommen und entspannt, oder aber auch nur recht müde. Jedenfalls ist um 22:30 Uhr Zapfenstreich.

Freitag, der 11. Oktober. Der erste Tag auf See (07:30Uhr, 1011hPa, sonnig, 25 Grad, kein Wind)

Wie bei der Vorbesprechung bereits durchgesickert, gibt es zwei Frühaufsteher im Team. Das kann unangenehm sein, zumindest, wenn man seine Koje Mitschiffs hat. Es hat aber auch Vorteile. Da die Jungs sofort los sind und den restlichen Proviant in Form von Obst, Gemüse und Brot vom Markt geholt haben. Und wenn einer der Frühaufstehen auch noch Kaffee kochen kann, ist das ebenfalls von Vorteil. Die Zeit des Pulver-Schnellkaffees scheint vorüber zu sein.

Unseren Plan, um 09:30 Uhr abzulegen, haben wir überpünktlich eingehalten. Der Windfinder, unser Wetterprogramm hat tatsächlich mal recht. Selbst draußen, nach dem Kap Ada Burun kommt kein brauchbarer Segelwind auf. Und so soll es die ganze Woche weitergehen. Trotzdem wollen wir, quasi zum üben, die Segel schon mal auspacken. Da reißt doch glatt die Leine des Großreffs. Ausgerechnet die einzige Endlosleine an Bord die zur richtigen Funktion gespleißt werden muss. Wir wechseln die Großschot um und machen mit dem Boot derweil ein paar undefinierte Kreise. Das rückt die Küstenwache auf den Plan. Sie kommen näher und letztendlich längsseits. Als wir symbolisch die gerissenen Strickenden in die Höhe halten, dampfen sie wieder ab.

Wir beschließen umzukehren und in der Marina eine neue Leine zu kaufen. Ansonsten könnten wir, den ganzen Törn, mit dem Großsegel nur noch am Wind-Kurse fahren. Um 13:00 Uhr legen wir längsseits neben der Tankstelle an und kaufen für 1.700 TL knapp 23 Meter Tauwerk. Eine halbe Stunde später sind wir schon wieder unterwegs. Felix steuert uns in die Bucht Bayindir Limani, direkt gegenüber Kaş. An altbekannter Ankerstelle auf 8 Meter Wassertiefe 40 Meter Kette gesteckt. Mit einem gut spürbaren Ruck beim Ankersetzten ist der erste Segel-Tag beendet und das Ankerbier zischt ins Glas. Schwimmen und tauchen ist angesagt. Selbstgebackene Pizza mit Salat und Rotwein führen in einen harmonischen Abend über. Gute und interessante Gespräche an Deck, bei sternklarer Nacht mit vielen Bierchen und dem einen oder anderen Raki. Um 23:00 Uhr kehrt Ruhe ein.

Bemerkungen: 10NM; Abgezirkelt, da Speed-Log nicht geht; Mann über Bord Manöver klappt vorzüglich; Unserem Udo von der Crew per WhatsApp zum Geburtstag gratuliert.   

Samstag, der 12. Oktober. Ein langer Schlag.  (05:45Uhr, 1011hPa, sonnig, 26 Grad, kein Wind)

Um 05:45 Uhr ist wecken. Um 06:00 Uhr Anker auf. Bei Mondschein verlassen wir die Bucht. Nachtfahrt. Hinter den Hügeln wird es aber schon langsam hell.

Kurs Karacaören. Um 09:00 Uhr befinden wir uns querab Kalkan. Kurze Zeit später kommt es zu einer recht außergewöhnlichen Begegnung. Ein Pulk Extremschwimmer quert unseren Kurs. Wir weichen dem Feld nach rechts aus. Es geht weiter auf allzu bekannter Strecke. Zunächst kommt der endlose Sandstrand, anschließend die sieben Kaps, bei deren Anzahl ich immer ins Zweifeln komme. Die See ist glatt. Ich muss dabei immer an die Folienattrappe in der Augsburger Puppenkiste denken. Die Älteren unter uns werden Jim Knopf noch kennen. Um 13:00 Uhr sind wir querab der Schmetterlingsbucht, die wir aber erst am Rückweg besuchen werden. Es gibt Mittagessen. Gemischter Salat, getoastetes Weißbrot und diverse fränkische Wurst- und türkische Käsespezialitäten. Um 14:45 Uhr treffen wir in Karacaören ein. Erstaunlicherweise liegt nur eine einzige Yacht hier. Aber die Touri-Dampfer umschwärmen uns pausenlos mit ihrer aufdringlichen lauten Musik.

Weitere Yachten kommen hinzu. Von einer werde ich mit „hallo Thomas“ begrüßet. Es ist ein früherer Charterkunde der Merlin und kommt aus Erlangen. Nach einem kräftigen Stoß ins Nebelhorn werden wir zum Abendessen mit dem Motorboot abgeholt.

Die urige Atmosphäre auf der Terrasse begeistert mich immer wieder. Allerdings sind die Preise mittlerweile derart unverschämt geworden. Schade eigentlich. Der Absacker findet wie üblich an Deck statt. Diesmal mit Bordell-Beleuchtung ganz in Rot. Gegen 22:00 Uhr geht’s in die Kojen.

Bemerkungen: 43NM; Krümmer im Zulauf der Toilette undicht. Gott sei Dank nicht im Ablauf.

Sonntag, der 13. Oktober.  (07:00Uhr, 1013hPa, sonnig, 28 Grad, wieder kein Wind)

Wir wollen zeitig los nach Ekincik bzw. in die My Marina. Die soll allerdings, laut dem Erlanger Segler, geschlossen sein. Um 08:00 Uhr legen wir von der Boje ab und verlassen die Bucht über die Untiefe der Gemiler Rede. Kurs 280 Grad.

Groß und Fock helfen bei der Motorfahrt etwas mit. Mittag gibt es Salat und türkische Wurst in der Pfanne gebraten. Die Geschmäcker könnten nicht unterschiedlicher sein. Um 13:30 Uhr querab Kap Dişibilmez können wir erstmals motorlos segeln. Mit drei Knoten rauschen wir dahin. Doch die Freude währt nicht lange. Bald gesellt sich der Dieselmotor wieder dazu. Um 16:00 Uhr legen wir überaus vorbildlich mit Mooring und Achterleine am Steg der My Marina an.

Es gibt Wasser und Strom sowie einen kleinen Laden, dem wir einen Großteil seiner Bierbestände plündern. Der Vorschlag auch einen Liter H-Milch nachzukaufen, wird letztlich abgelehnt. Wir sind von Russen umgeben. Entsprechen hoch ist die Lautstärke. Doch es gibt auch ruhige und freundliche Exemplare. Zum Beispiel die Familie am Nachbarschiff. Für 19:00 Uhr haben wir im Nobel-Restaurant einen Platz reserviert. Allerdings ist aus MERLIN dort wohl BERLIN geworden, was für einige Verwirrung sorgt.

Dank disziplinierter Rückhaltung bei Vor- und Nachspeisen kommen wir mit 250 Euro aus. Im Leistungsvergleich zu Karacaören fast ein Schnäppchen. Den Absacker gibt es dann wieder an Bord. Um 22:00 Uhr ist Nachtruhe angesagt. Nacht ja, Ruhe nein. Zwei stundenlang hysterisch kreischende Russenweiber duellieren sich mit unseren quietschenden Fendern.

Bemerkungen: 35NM; tolle sanitäre Anlagen in der MyMarina, nur an die Klowürfel in den Waschbecken muss ich mich noch gewöhnen.

Montag, der 14. Oktober. Landgang. (07:30Uhr, 1012hPa, sonnig, 28 Grad, Windstill)

Um 08:30 Uhr werden wir zum (halb)Tagesausflug nach Dalyan zu den Felsengräbern und der antiken Stadt Kaunos abgeholt. Die Tour habe ich mittlerweile schon viermal mitgemacht. Das erste Mal am 19. September 1994. Also vor über 30 Jahren bei meinem ersten Törn als Skipper.

Der Guide hat sich damals in Dalyan so volllaufen lassen, dass sein kleiner Sohn uns heimfahren hat müssen. Unser Führer hingegen ist stock nüchtern. Er schippert uns durchs Schilf-Labyrinth bis zur antiken Stadt Kaunos und weiter zu den Felsengräbern.

Gegen Mittag kehren wir mit vielen Eindrücken und um 150 Euro erleichtert zurück.  Wir müssen Merlin versetzen, da sich für Nachmittag eine Regatta in der My Marina angekündigt hat. So fahren wir das kurze Stück bis in die Bucht von Ekincik und ankern auf 6 Meter Tiefe mit 40 Meter Kette. Der Ausflug muss sehr anstrengend gewesen sein, da die komplette Crew in eine Art Tiefschlaf verfällt und erst gegen 16:00 Uhr wieder Bewegung ins Boot kommt. Landausflüge schwimmenderweise stehen an. Anschließend zur Kräftigung ein Kapitäns-Dinner. Spaghetti mit zweierlei Sauce, Salat und Rotwein. Danach wird an Deck ein kompletter Kernspin-Tomograph bildlich in seine Einzelteile zerlegt und wieder zusammengesetzt.  Aus Richtung MyMarina schallt es indes herüber. Diesmal haben wir allerdings mit Wolfgang Ambros Watzmann eine ebenbürtige Gegenwaffe. Es wird spät. Abgesehen der üblichen Schnarch Geräusche ist die Nacht ruhig.

Bemerkungen: 3NM; Wasser gebunkert. Auch etwas Trinkwasser nachgekauft.

Dienstag, der 15. Oktober (07:30Uhr, 1012hPa, sonnig mit Schleierwolken, 28 Grad, zeitweise Wind)

Wir haben den westlichsten Punkt unserer Reise erreicht. Heute geht es ein gutes Stück zurück. Geplantes Ziel war die Sarsala-Bucht im Göҁek-Golf. Aber ich möchte eigentlich noch weiterkommen. Das ermöglicht uns vielleicht doch noch einen Besuch bei meinem alten Freund Hassan einzuplanen. Die Crew stimmt, mehr oder weniger freiwillig zu. So soll das heutige Ziel die erst für morgen geplante Schmetterlingsbucht sein. Aber vorher noch ein kurzer „Schwumm“ ums Boot. Nicht zum Vergnügen, sondern eher zu reinigungszwecken. Um 08:30 Uhr schippert uns Felix aus der Bucht. Der Wind frischt auf und wir können segeln.  Selbst die Richtung passt einigermaßen, so dass wir mit 5 Knoten Fahrt unserem Ziel entgegensteuern. Leider hat der Spaß gegen 10:00 Uhr wieder ein Ende und der Motor kommt zum Einsatz. Da ich zwar schon mal in der Schmetterlingsbucht war, aber noch nie über Nacht dort geankert habe, folgen mehrere Mails und ein Telefonat mit Bernhard aus München, der uns den optimalen Ankerplatz verrät. Gegen 17:45 Uhr kommen wir in der Bucht an.

Wir ankern auf 19 Meter Tiefe mit 50 Meter Kette und werden dabei lautstark von Reggae Music unterstützt. Abends, als die Tagesgäste in ihre Hotels abtransportiert werden, wird es merklich ruhiger. Wie gesagt, ich war hier schon einmal. Es muss 1988 gewesen sein. Zu einem Badestopp. Damals war ich noch ein einfaches Crewmitglied auf einer Charteryacht aus Marmaris. Wir waren ziemlich durchgeknallt und hatten ne Menge Spaß. Einige hatten ihre Gleitschirme dabei und sind vom Babadag, dem höchsten Berg in der Umgebung, gesegelt. Geil!

Heute, über 35 Jahre später geht es deutlich gesitteter zu. Zur Abwechslung gibt es abends mal kalte Platte. Den Absacker wie immer an Deck, bei atemberaubendem Vollmondaufgang.

Damals war unser Schlachtlied „Mare Mare“ von Luca Carboni. Die heutigen musikalischen Vorlieben der Crew schwanken im abendlichen Wunschkonzert von Deep Purple bis Helene Fischer. An dieser Stelle möchte ich keinen Kommentar abgeben.

Bemerkungen: 38NM.

Mittwoch, der 16. Oktober (06:45Uhr, 1014hPa, sonnig, 26 Grad)

Wir müssen zeitig los, um die Tagesaufgabe vor Sonnenuntergang zu bewältigen. Um 06:00 Uhr Anker auf. Kurs Richtung Kekova. Es liegen 10 ½ Stunden Fahrt vor uns. Der schwache Wind hilft etwas mit und bläht die Segel auf. Um 13:00 Uhr querab Heybeli Adasi kurz noch mal nachgerechnet. Es könnte eine knappe Sache werden. Aber ich kenne die Ankerbucht. Es sollte daher auch kein Problem sein, bei Dunkelheit den Anker zu werfen.  Um 14:30 Uhr sind wir querab Kastellorizon, oder besser gesagt Meis, wie die Türken die Insel nennen. Um 16:00 Uhr sind wir bei der Durchfahrt zur Insel Içada angekommen. Bei Tageslicht anzukommen, wird immer wahrscheinlicher. Zumal nach der Durchfahrt Wind aufkommt. Wir kreuzen und halsen bis zur Einfahrt in den Kekova-Golf und sind sogar deutlich schneller als unter Motor.

Beim dritten Versuch hält er Anker auf 3.8 Meter Tiefe mit 45 Meter Kette. Und das noch bei Tageslicht. Hassans Tochter holt uns ab. Es wird ein schöner Abend mit vielen Vorspeisen, Fisch und Meeresgetier als Hauptgang sowie Salat, Chips und einige Bierchen.

Und viel zu viel Raki. Um 22:45 Uhr werden wir zum Boot zurückgebracht. Beim Absacker reichen diesmal keine Lieder aus. Es müssen schon Videos sein. Jürgen von der Lippe mit seiner Korkennummer und natürlich der Bembers der Kain Schwarzer und etliche Schafe trifft.  

Bemerkungen: 55NM.

Donnerstag, der 17. Oktober (08:00Uhr, 1013hPa, sonnig mit Cumulus-Wolken, 24 Grad, WIND!!!)

Die Nacht war kurz. Heute geht es zurück bis zur Bucht vor Kaȿ. Es kommt kein rechter Schwung in die Truppe. Die Nachwirkungen des gestrigen Abends sind deutlich spürbar. Schwimmen oder nicht schwimmen ist die entscheidende Frage. Um 10:00 Uhr gehen wir Anker auf. Nach der Ausfahrt aus Kekova erwartet uns erstmals richtig guter Segelwind. Wir legen uns ins Zeug und kreuzen mit langen Schlägen gen Norden auf.

Zum Ziel hin machen wir eigentlich recht wenig Höhe, aber wir bleiben eisern. Jeder darf mal ran. Der Tag entschädigt für die vielen Flauten, die wir diese Woche erlebt haben. Es würde durchaus so weitergehen, aber wir kämen nicht vor Einbruch der Nacht in die Bucht. So starten wir querab der Insel Ḉoban den Diesel. Das Großsegel will im oberen Bereich nicht in den Mast zurück. Die Jungs lassen nicht locker. Mit viel Ehrgeiz und entsprechender Technik gelingt das Bergen dann doch noch. Lars erhält für hervorragende Leistung am Großsegel einen Orden verliehen.

Gegen 17:15 Uhr biegen wir in die Bucht vor Kaş ein und werfen am schon ausgelatschten Platz den Anker. Wassertiefe 10 Meter bei 50 Meter Kette. Der Wind bläßt selbst in der gut geschützten Bucht am Abend weiter. Es gibt Linguine al Carbonara und natürlich gemischten Salat dazu. Auch Christian bekommt feierlich einen Orden verliehen.  Wegen umsichtiger und professioneller Ankermanöver während der ganzen Woche.

Der Absacker an Deck währet nicht lange. Die Nachwirkungen des gestrigen Abends stecken anscheinend noch immer in den Knochen. Um 22:00 Uhr kehrt Ruhe ein.

Bemerkungen: 18NM; Serkan 35€ für WLAN nachladen in die gemeinsame Schiffskasse. Um 23:10 Uhr löst der Ankeralarm aus. Entwarnung: Der Wind hat um 180 Grad gedreht und die Kette hat sich neu ausgerichtet. Ein Reset, dann blieb die Nacht über ohne Störungen.

Freitag, der 18. Oktober (07:00Uhr, 1014hPa, sonnig mit nächtlicher Restbewölkung, 22 Grad, schwacher Wind)

Ich will wie immer zeitig in der Marina eintreffen. Die Wecker, sprich Handys sind gestellt. Und wie so häufig weckt uns Nana Mouskouri mit ihrem guten Morgen Song. Da bleibt niemand freiwillig liegen. Um 08:40 Uhr Anker auf und ab nach Hause. Etwas über eine Stunde später sind wir daheim.

Die 77 Liter Diesel, die wir nachtanken, sind den vielen Flauten und den langen Tagestouren geschuldet. Aber das war es wohl Wert.  Jetzt werde ich erst einmal eine halbe Stunde dauerduschen. Mit Süßwasser versteht sich. Die „Gämsen“ unter uns zieht es auf die Berge, zu den Höhlen hoch über Kaş.

Der nicht so sportliche Rest der Truppe, zum Cappuccino in die Oxygen-Bar bei 30er Jahre Jazz-Musik. Am Nachmittag geht´s für die Jüngeren und jung gebliebenen ins Hamam. Die türkischen Massöre können ziemlich kräftig zulangen. Das sieht man deutlich an den verklärten Blicken nach der Rückkehr unserer Badegäste. Das Abendessen im Sempati war wieder ausgezeichnet. Allerdings mit einem bitteren Beigeschmack, da uns der Aushilfskeller bei der Währungsumrechnung doch glatt um 100,- € beschummeln wollte. Aber unserem Schatzmeister entgeht sowas nicht.  Eigentlich hätte auch er einen Orden verdient. Der Chef hat jedenfalls daraufhin seinen hochgelobten Nachtisch spendiert. Und Raki. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob der edle Tropfen nicht doch auf der Rechnung erschienen ist.

Den allerletzten Absacker gibt es wieder an Deck. Bis auf drei Dosen vom gelben Malzgetränk und einer Handvoll Nüsse wird vor dem Schlafen gehen alles vernichtet.

Bemerkungen: 8NM; Jeder zahlt noch mal 100,- € in die Bordkasse ein. Dinghi entsalzt und verstaut.

Samstag, der 19. Oktober Es geht nach Hause.  (08:00Uhr, 1013hPa, sonnig mit Quellbewölkung; 20 Grad Windstill)

Wir werden erst um 15:30 Uhr abgeholt und trotzdem bricht um 08:30 Uhr die totale Hektik aus. Einer stopft sich noch schnell die Backen mit Restproviant voll. Die anderen wühlen und wuseln in sämtlichen Taschen und Rucksäcken. Die erste Tasse Kaffee bringt dann doch etwas Ruhe rein. Ich habe handschriftlich einen Arbeitsplan erstellt, was alles vor der Abreise bootsseitig noch zu erledigen ist. Frischwasser-Tank leeren, Ventile schließen, Müllentsorgung, die Gummidichtungen der Luken „vasilinieren“, Vorhänge schließen, Wäsche wegbringen, usw. usw. Alles wird zügig abgearbeitet. Dann geht’s zum Mittagessen ins Kuşhane, einem sehr guten Schnellrestaurant, in dem wir für den Preis eines gestrigen Steaks alle zusammen satt werden. Der Fahrer pickt uns pünktlich „behind Migros“ auf und liefert uns genauso pünktlich am Flughafen Antalya ab. Wir sind nicht die einzigen Fluggäste. Es entsteht ein, wenn auch geregeltes, Chaos ungeahntem Ausmaß. Es scheint als wolle halb Deutschland zur gleichen Zeit heimfliegen. Von den anderen Nationen ganz zu schweigen.  Aber irgendwie kommen wir doch mit nur leichter Verspätung, kurz vor Mitternacht, in Nürnberg an.

Dann mal auf, zu neuen Abenteuern.    

Bemerkungen: Endreinigung innen und außen incl. Wäsche 140,- €; Transfer 5 Personen 140,- €. Positionslampe achtern, Birne erneuert und auf LED gewechselt.

 Gesamtstrecke: 210 NM Dieselverbrauch: 77 Liter.

Skipper T1homas

Mein letzter Törn-Bericht liegt schon einige Zeit zurück. Ich war zwar mittlerweile schon bei MERLIN in Kaş, aber halt nicht zum Segeln. Und eigentlich auch diesmal nicht. Nur um nach dem Rechten zu sehen und Papierkram und einige Arbeiten zu erledigen. Aber auch darüber lässt sich durchaus schreiben. Nennen wir es einfach den Werkstatt-Törn.

Durch die unaufhörlich weiter steigende Inflation in der Türkei, kann man wohl kaum mehr von einem günstigen Reiseland sprechen. So hat der Flug von Nürnberg nach Antalya zum Beispiel nur 53,- Euro gekostet. Der Transfer mit dem Auto nach Kaş hingegen kostet mittlerweile 100.- Euro.  Ein Vergleich der deutlich hinkt. Um 11:00 Uhr morgens verlasse ich an diesem 9. Mai unser Häuschen in Veldershof und mit den aller letzten Sonnenstrahlen treffe ich in der Setur-Marina-Kaş ein. Dank der Solarzellen sind die Batterien randvoll und sorgen vorab für den nötigen Strom unter Deck. Ich bin zu müde, um zum Essen zu gehen und mache es mir, mit meinem Reiseproviant und ein paar Tuborg unter Deck gemütlich.

Mit meinem Schiffspartner Serkan habe ich mich für Samstag 09:00 Uhr zum Arbeitseinsatz verabredet. Nachdem die türkische zu der deutschen Auffassung von Zeit leicht variieren, kann ich noch locker bis 10:00 Uhr meinen Cappuccino im Hafenrestaurant Passarella genießen, ohne großartig in Zeitnot zu kommen. Serkan bringt nicht nur Werkzeug, Putzmittel und Motoröl mit, sondern auch gleich seinen Mitarbeiter, der uns zur Hand geht.  Das Deck wird mit Hochdruckreiniger vom Winterdreck befreit. Sämtliche Metallteile vom Flugrost. Hier handelt es sich um Edelstahlrohre, die eigentlich nicht rosten dürften. Aber die salzhaltige Luft und das Salzwasser setzt ihnen trotzdem gnadenlos zu. Am Motor werden das Getriebeöl und der Luft- und Ölfilter gewechselt.

Ich frage mich, ob das wirklich notwendig ist, bei den wenigen Motorstunden im Jahr. Aber Serkan lässt hier keine Schlamperei einreißen.  Das Teak Deck wird mit speziellen Scheuermitteln aufgehübscht. Zum Schluss, die Sonne neigt sich schon, werden noch die beiden Segel angeschlagen, sowie die Persenning und Spray Hood angebracht. Das kühle Bierchen zum Abschluss der Arbeiten schmeckt jetzt wunderbar. Zugegeben, ich hatte den geringsten Anteil an den Arbeiten geleistet. Ist halt so, wenn die Profis am Werk sind. Aber müde bin ich trotzdem geworden. Und so bleibe ich auch den zweiten Abend an bzw. unter Deck und genieße die Stille und das Bordleben. Als „Absacker“ gibt es noch einen Tatort-Krimi aus dem Smartphone und die Nachricht, dass Goya, unser Familienhund, Daheim mal wieder für Nachwuchs gesorgt hat. WLAN machts möglich.

Serkan hat sich für Sonntag nochmal angekündigt. Nicht nur, weil er neue Fender mitbringt. Er will mir auch seine Lebensgefährtin Nesli persönlich vorstellen. Nesli ist eine nette und sympathische Frau. Ich denke, sie passen gut zusammen. Sie ist Türkin, hat aber einige Jahre in der Schweiz gewohnt. Das ist allerdings lange her. Und so ist ihr deutscher Sprachschatz ziemlich geschrumpft, aber immer noch besser als meine drei Worte türkisch. Es wird also eine dreisprachig gemischte Konversation. Eigentlich ist der Name Nesli eine Kurzform von Neslihan, was auf Arabisch seltene königliche Blume bedeutet. Sie wollen bald heiraten, wie schön.

Am Nachmittag besucht uns unser Freund Burkhardt und wir entscheiden spontan eine Runde mit dem Boot zu drehen. Nesli hält das erste Mal ein Steuerrad in der Hand. Ich habe den Eindruck, dass es ihr wahnsinnig Spaß macht. Es herrscht nur geringer Segelwind. Trotzdem probieren wir beide Segel aus und kommen auch leidlich voran.

Nach knapp zwei Stunden kehren wir in die Marina zurück. Das Hochzeitspaar in spee beschließt spontan, nicht wie geplant heim zu fahren, sondern über Nacht mit an Bord zu bleiben. So machen wir uns auf den Weg nach Kaş ins Sempati, einem meiner Lieblingslokale. Einmal pro Aufenthalt muss ich hier ein Rinderlenden Steak verdrücken. Und jetzt ist es mal wieder so weit. Aber natürlich nicht, ohne vorweg eine Menge Vorspeisen probiert zu haben. Und Spir(i)tuelles gab es natürlich auch genügend dazu. Monika, die Frau von Burkhardt gesellte sich auch zu uns. Und so war es ein wunderbarer Abend, der mit jedem Schluck, immer lustiger wurde. Den Vorschlag, um 23:00 Uhr das Lokal zu wechseln und in eine nette Bar mit Livemusik zu gehen, haben Monika und ich dann doch dankend abgelehnt. Aus dem Alter bin ich definitiv raus. Und Monika scheinbar auch. Die beiden Turteltauben haben versprochen, leise zu sein, wenn sie später zum Boot zurückkämen. Aber das gelingt an Bord eines Schiffes natürlich nicht absolut geräuschlos. Und schon gar nicht um 03:00 Uhr morgens.

Heute ist Montag, mein letzter Tag in Kaş für dieses Mal. Nesli und Serkan sind schon um 07:00 Uhr aufgebrochen. Die Arbeit ruft. Ich habe versprochen Freunden von Monika und Burkhardt bei ihrem ersten Brauversuch zu helfen und werde gegen 10:00 Uhr abgeholt. Und so lerne ich ein nettes Pärchen und dessen wunderschön gelegenes Häuschen kennen.

Sie haben sich die gleiche Brauanlage gekauft, die ich einige Jahre verwendet hatte. So konnte ich hoffentlich einige Tips geben und zum Gelingen des ersten Sudes beitragen. So ein Brauvorgang nimmt, mit Unterbrechungen, den ganzen Tag in Anspruch. Und auch heute ziehe ich die abendliche Ruhe an Bord dem lauten Stadtleben vor. Resteessen ist angesagt.

Ich werde erst um 13:00 Uhr abgeholt. So lasse ich es mir am Dienstagmorgen nicht nehmen, nachdem MERLIN aufgeräumt ist, auf der Restaurant-Terrasse ein spätes Frühstück einzunehmen. Mit Blick über die blühende Landschaft, rüber zu den Stegen und zu Merlin. Schön ist es hier.

Die Blütenbracht ist beeindruckend, wenn man bedenkt, dass es Zuhause gerade mal 2 Grad plus hat. Das neu gebaute Terminal 2 am Antalya Airport entzerrt das sonst übliche Gedränge deutlich. Da ich nur mit Handgepäck reise und sich die Bordkarte bereits auf dem Smartphone befindet, ist es ein entspanntes einchecken. Eigentlich bin ich dadurch circa zwei Stunden zu früh dran.  Zeit genug beim Schotten eine Kleinigkeit zu essen. Potz blitz, ein Cheeseburger und kleine Pommes zum Schnäppchenpreis von knapp 16 Euro. Au Backe! Unter dem Motto. Wenn schon protzen, dann richtig, gönne ich mir an Bord auch noch Rotwein und Nüsschen. Eigentlich aber mehr, um die Zeit tot zu schlagen. Pünktlich zur Landung geht in Nürnberg gerade die Sonne unter.

Ich werde von Goya mit großem Gejaule im Flughafengebäude begrüßt. Schließlich muss er ja lautstark von seiner Damenbekanntschaft berichten. Ingrid wird immer erst als Zweite begrüßt. Aber Hundebesitzer kennen und akzeptieren das.

Fazit: Ich bin sehr gerne in Kaş, meiner zweiten Heimat. Aber auch sehr, sehr gerne wieder daheim.

Übersetzung für Nichtsegler: Segel werden nicht montiert oder angebunden, sie werden „angeschlagen“. Persenning ist ein Sonnenschutz an Deck und meist aus Stoff. Ebenso die SprayHood. Sie schützt vor Spritzwasser bei Seegang. Fender sind mit Luft aufgeblaßene Gummischläuche die um das Boot herum befestigt werden, um Zusammenstöße zu vermeiden. Je schlechter der Skipper, desto mehr Fender 😉

Arschkalt ist es geworden. Zumindest kommt es mir so vor. Die vom Herbst bunt gefärbten Blätter liegen zuhauf am Boden. Es weht ein unangenehm starker Wind, dazu Dauerregen. Aber ich musste raus. In den Wald. Der Hund braucht dringend mal einen längeren Auslauf, nachdem er die letzten Tage nur immer kurz mal rauskam. Und mir tut das Laufen sicherlich auch gut. Die letzten Tage waren manchmal nur 10,58 Meter Strecke am Stück möglich. Merlin ist halt nicht länger.

Wobei wir beim eigentlichen Thema sind. Dem Segeltörn im Herbst 2025.

Ich reise wie immer, zwei Tage vor der Crew an. Aber ständig durchströmt mich ein Wechselbad der Gefühle. Natürlich wird es höchste Zeit, mal wieder einen Segeltörn zu unternehmen. Zumal sich bei den letzten Besuchen bei MERLIN immer Alles um Wartungsaufgaben gedreht hat. Andererseits bedürfte Ingrid grade jetzt meine volle Aufmerksamkeit. Sie muss baldmöglichst am Knie operiert werden. Läuft nur noch mit Krücken und kann nächtelang vor Schmerzen nicht schlafen. Sie in dieser Lage für längere Zeit allein zu lassen, ist eigentlich ein Unding. Zumal unser Hund mit seinen sieben Jahren wohl nie aus dem Flegelalter kommt. Was die Situation nicht gerade vereinfacht.   

So habe ich schon ernsthaft mit dem Gedanken gespielt, den Törn abzusagen. Das kommt überhaupt nicht in Frage, meinte sie. Du fährst! Ich komm schon klar, war ihre Antwort. Außerdem haben wir gute Freunde, die mir helfen werden.

Und so mache ich mich am Dienstagmittag entsprechend unmotiviert auf den Weg.  Die Flugzeit nach Antalya beträgt etwas über drei Stunden. Wobei die letzten 15 Flugminuten über das eigentliche Ziel hinausführen. Was mir anschließend immer eine zweieinhalbstündige Autofahrt zurück nach Kaş beschert. Es ist längst dunkel, als ich MERLIN erreiche. An Bord balancieren, Sicherungen und Lichtschalter suchen. Das Nötigste auspacken. Essen. Trinken. Schlafen!

Mittwoch, der 15. Oktober 2025.

Schlafen war einfacher gesagt als getan. Todmüde und doch aufgewühlt und hellwach endete der Abend erst gegen 01:30 Uhr. Eine Hundegang treibt noch die restliche Nacht laufstark ihr Unwesen, bis kurz nach sechs Uhr morgens der Muezzin das Wort ergreift.

Die Hundegang

Meine Aufgaben für heute sind längst vorgeplant. Verhandlungen in der Marina zur Verlängerung unseres Jahresvertrags. Mittlerweile kostet der Mooring-Platz knapp 8.000, – €. Da tröstet es auch nicht, dass sich die Preise zum Vorjahr nur unwesentlich erhöht haben.  Anschließend folgt ein Treffen mit Mustafa, unserem Schiffsagenten. Er hat unser jährliches Transitlog fertig gestellt und behördlich genehmigen lassen und will natürlich auch seinen Obolus sehen. Nachmittag besucht mich Burkhardt auf einen Plausch und abends seine Monika mit zwei netten Damen. Sie teilen sich einen Fingerhut voll Bier und einen von meinen mitgebrachten Lebkuchen. Die Mädels sind bei Monika zu Besuch und unternehmen Tagesausflüge zu den Sehenswürdigkeiten der Umgebung. Im laufe des Nachmittags treffen viele Charter-Yachten mit russischen Crews ein. Sie tragen T-Shirts mit der Aufschrift „Music-Turn 25“ und entsprechend laut wird dann der Abend bzw. die Nacht. Mit der halben Welt sind die Russen zerstritten, aber die englischen Songs scheinen ihnen trotzdem deutlich besser zu gefallen als die Eigenen. So macht zuhören dann auch mir Spaß. Um 23:00 Uhr wird es etwas ruhiger.

Donnerstag, der 16. Oktober 2025. Die Crew ist im Anmarsch

Langeweile kann man den Zustand nicht nennen. Es ist eher so ein entspanntes dahindösen. Rumbasteln. Kleinigkeiten zurecht richten. Naschen. Roman von Tommie Goerz lesen. Dazwischen ein Nickerchen an Deck in der Sonne halten. Und dann komme ich glatt noch in Stress. Ich muss endlich, nach zwei Tagen, meinen Seesack auspacken und die Wäsche verstauen. Die Kabinen vorbereiten. Bettwäsche verteilen. Außerdem wollte ich doch noch Bier für die Jungs besorgen und kaltstellen.

Apropos Jungs. Diesmal ist es eine bunt gemischte Crew, die noch nie bei mir an Bord waren. Auch kennen wir uns eher flüchtig. Das scheint interessant und aufregend zu werden.

Da ist zunächst Stefan. Ich kenne ihn von den Flugtagen her. Als Veranstaltungsleiter habe ich ihn vor vielen Jahren dazu eingeladen. Die Ultraleicht-Fliegerei steckte damals noch in den Kinderschuhen. Es handelte sich mehr um motorisierte Drachen als um Flugzeuge. Und Stefan war der Erste, der diese Gattung bei uns am Lillinghof zur Luftfahrtveranstaltung vorgeführt hat. Er ist schon sehr früh zum UL-Fluglehrer aufgestiegen. Und ich darf heute noch ab und zu einem seiner Schüler die praktische Prüfung abnehmen. Beruflich hat er bis zur Rente für Recht und Ordnung im Landkreis gesorgt.

Robert ist der Zweite im Bunde. Sein Vater war schon viele Male mit mir auf Segeltörn. In Griechenland wie auch in der Türkei. Sogar seine Hochzeitsreise, zusammen mit seiner Waldtraud fand bei mir an Bord statt. Robert habe ich auf einer Familienfeier in Thüringen näher kennen gelernt. Damals hat er sein Interesse an einem gemeinsamen Törn bekundet. Einige Anläufe scheiterten aus Termingründen. Jetzt hat es geklappt. Er betreibt in Thüringen eine traditionsreiche, historische Mühle die lange Zeit noch mit Wasserkraft betrieben wurde. Er ist leidenschaftlicher und engagierter Jäger. Und war wohl bei Chartertörns in Griechenland schon dabei gewesen. Wie auch bei Stefan, sind mir seine „nautischen Fähigkeiten“ völlig unbekannt.    

Der dritte Mitsegler ist Thomas. Er ist Anwalt, wohnt in Rudolstadt und mit Robert befreundet. Wir haben uns erst ein einziges Mal getroffen. Das war bei der knapp zweistündigen Vorbesprechung. Er will sich um die Bordküche kümmern, meinte er.  Recht viel mehr weiß ich eigentlich nicht von ihm.   

Nach meiner Rechnung sollten sie gegen 18:00 Uhr in der Marina sein. Aber ich habe mich gründlich verrechnet. Es ist längst dunkel, als sie eintreffen. Eine erste Begutachtung der Merlin, gefolgt vom obligatorischen Begrüßungsschluck in Form einer kleinen Bierprobe. EFES blau, EFES gelb und Tuborg Gold. Dann geht´s ins Passarella zum Nachtmahl. Den Absacker nehmen wir an Deck ein. Willkommen auf der MERLIN!

Bemerkungen:

Passarella nennt sich eines der in der Marina ansässigen Restaurants. Eine Passarella wird auch das Brett genannt, mit dem man vom Steg an Bord schreiten kann, ohne ins Wasser zu fallen.

Freitag, der 17. Oktober 2025. 08:15 Uhr 1019 hPa; 18 Grad Sonnenschein. LOG 20494NM

Das von mir angepriesene türkische Frühstück nehmen wir wieder im Passarella ein. Die Speisenvielfalt ist einmalig und bekommt entsprechend Lob. Die Einkaufsliste ist schnell besprochen, da von Thomas bereits minutiös vorbereitet. Lediglich bei den Getränken muss noch eine Feinabstimmung vorgenommen werden. Es folgt der übliche Großeinkauf im Marina-Supermarkt. Zum Geldwechsel machen wir uns auf nach Kaş. Es ist um die Mittagszeit schon wieder verdammt heiß. Für Thomas ist die Strecke bei den Temperaturen bereits grenzwertig, da er, wie ich erfahren habe, erst kürzlich eine schwere Operation hinter sich bringen musste. Wir legen in einem Caffe am Stadthafen eine Verschnaufpause ein, bevor wir noch Obst und Gemüse am Wochenmarkt besorgen.

Als alles verstaut ist, wird das Dinghi noch seetüchtig gemacht, 210 Liter Wasser gebunkert, der Diesel warmlaufen lassen und der Landstrom gekappt.  Um 15:00 Uhr legen wir vom Steg C Platz Nr. 1 ab. Beim Ausfahren aus der Bucht Bucak Deniz folgt eine recht ausführliche Sicherheitsbelehrung. Persönliche Rettungsausrüstung, Feuerlöscher, Maßnahmen bei Mann über Bord usw. Zum Teil unterstützt mich Robert, was bei mir den Eindruck erweckt, dass er doch ziemlich Erfahrung mitbringt. Bei schwachen Winden können wir alle Segel und alle Segelstellungen durchprobieren und wenden uns halsen üben. Ideale Bedingungen für den ersten Tag.

Gegen 17:00 Uhr steuern wir die Bucht Bayindir Limani an. Es folg nochmal eine intensive Einweisung in das Ankermanöver. Jeder Skipper hat da so seine eigenen Theorien. Auf 10 Meter Tiefe ankern wir mit 50 Meter Kette am angestammten Platz. Die Jungs gehen schwimmen, während ich diese Zeilen schreibe und Karte und Wetterberichte studiere. Thomas hat die Pantry voll im Griff. Es gibt gemischten Salat mit Käse als Vorspeise. Anschließend „flache“ Spaghetti Aglio Olio in einer etwas abgewandelten, sagen wir in einer optimierten Variante. Meine Kapern kann ich dann wohl wieder mit nachhause nehmen.

 Anschließend werden Witze gerissen, bis das Niveaus am Grund angekommen ist.  Zur Feier des Tages wird noch die viel zu kleine Flasche Raki geköpft. Und im Gespräch erfahren wir viel von Stefans beruflichen Tätigkeiten.

Motor 23745 Std. LOG 20502NM

Bemerkungen:

Pantry kommt aus dem Englischen. So wird auf Schiffen der Küchenbereich bezeichnet. Groteskerweise bezeichnen die die Engländer die Bordküche als Galley.

Abendstimmung in der Bucht. Im Hintergrund Kas.

Samstag, der 18.Oktober 2025. 1020 hPa Sonnenschein. Morgens schon gefühlte 22 Grad.

Um 08:00 Uhr kommt Leben ins Boot. Zunächst ein erfrischendes Bad im Meer. Dann ein ausgiebiges Frühstück an Deck. Unsere Tagesetappen sind so gelegt, dass wir morgens keine Eile haben müssen. Wir haben uns kurz vor Antritt der Reise geeinigt, dass wir auf große Schläge verzichten und die Woche im Gebiet Kekova Körfezi zubringen werden. Es soll ab Mittag gute Segelwinde geben. Um 10:30 Uhr Anker auf mit Kurs zur Durchfahrt zwischen den Inseln Akar und Icada. Robert ist heute am Ruder. Um 13:30 Uhr erreichen wir die Durchfahrt. Anschließend geht es unter Fock mit achterlichem Wind weiter bis zur Einfahrt in den Kekova Körfezi. Der Düseneffekt macht sich deutlich bemerkbar. Bei der Ansteuerung von Polemos Bükü bläst es mit bis zu 24kt. Das scheint eine lustige Nacht zu werden. Wir ankern auf 8 Meter Tiefe daher aber mit 60 Meter Kette. Die elektronische Ankerwache am iPad zeigt, dass Merlin zwar wie gewohnt tänzelt, wir uns aber keinen Meter versetzen. Der Anker hält!

Elektronische Ankerwache

Ich bin beruhigt und gönne mir ein kühles Ankerbier. Robert hat wahnsinnige Schmerzen in der Schulter, stand aber trotzdem den ganzen Tag am Ruder. Auch er hat sich das Ankerbier redlich verdient. Kaum steht das Boot, macht sich Thomas wieder ans Werk. Als Vorspeise gibt es Guacamole, eine Avocado-Creme mit Weißbrot und Weißwein. Abends dann eine Hähnchenpfanne mit Reis. Um 21:00 Uhr schläft schlagartig der Wind ein. Man kann den restlichen Abend sogar im T-Shirt an Deck verbringen. Bei Songs vom fränkischen Liederbarden Wolfgang Buck und unter einem Traumhaften Sternenhimmel. Ich glaube in Deutschland kann man so etwas in dieser Klarheit und Intensität gar nicht mehr sehen. Trotzdem sind alle müde und so ist gegen 23:00 Uhr Nachtruhe.

Motor 23760 Std. LOG 20516NM

Bemerkungen:

Ein Schlag ist die Strecke zwischen zwei Wenden. Das heißt, wenig Schläge – kurze Strecken. Eine in 24 Stunden zurückgelegte Strecke nennt man übrigens Etmal.

Sonntag, der 19. Oktober 2025. –Tal der Ahnungslosen- 1018 hPa Sonnig warm

Acht Uhr scheint so unsere Aufstehzeit zu sein. Ein paar Runden ums Boot. Bisschen Körperpflege. Wir haben keinen WLAN-Empfang mehr. Sind wir nun doch in einem unterentwickelten Land? In einer entlegenen Bucht, ohne Empfang? Oder wie die Thüringer sagen würden: im Tal der Ahnungslosen. Nein, weit gefehlt! Der Wust an Bildern und Videos die wir ständig in alle Welt geschickt haben, hat unser 10 GB Guthaben aufgefressen. Serkan, mein Bootspartner, lädt schnell 25 GB nach. Das sollte den Rest des Törns ausreichen.

Um 10:15 Uhr ist Landgang angesagt. Eine Wanderung zur verlassenen Lykischen Stadt Kale. Ich war schon zigmal dort und bleibe deshalb an Bord zurück. Um 12:00 Uhr kommt ein Anruf. Der Außenborder funktioniert nicht mehr richtig. Macht laute Geräusche. Die Jungs lassen sich zurück an Bord schleppen. Duplizität der Ereignisse. Genau an dieser Stelle ist uns das schon einmal passiert. Ich an Bord und die Crew lässt sich zurückschleppen. Im Dinghi unter Anderem Manfred, Roberts Vater. Zufall? Fügung? Schicksal? Man weiß es nicht!

September 2017
Oktober 2025

Wind kommt auf. Wir machen uns segelfertig. Um 13:30 Anker auf und mit der Fock der Bucht entlang, bis zur Ausfahrt. Draußen erwartet uns recht brauchbarer Segelwind, der bis zum Nachmittag stetig zunimmt. Wir kreuzen und halsen bis zur Piratenbucht. Einem versteckten Einschnitt in die Insel, der Piraten als Stützpunkt diente. Um Handelsschiffen aufzulauern. Ob das stimmt, kann man nicht mit Gewissheit sagen. Geeignet wäre diese sehenswerte Bucht allemal dafür. Offiziell heißt der Einschnitt Karaloz Koyu und ist von See her kaum zu erkennen.

Als wir wieder auf offene See kommen, beginnt das Geschaukel von neuem. Aber keiner hat mehr große Lust auf Kampfsport mit Wind und Welle. So runden wir unter Motor Kekova Adasi und machen uns auf den Weg nach Uçagiz zu meinem Freund Hassan. Wir erreichen das Ankerfeld westlich des Gemeindestegs um 17:00 Uhr. Mit 60 Meter Kette ankern wir auf 5,7 Meter Tiefe zwischen zwei Gulet. Selbst in der allseits geschützten Bucht bläßt es immer noch mit 17 kt. Aber der Anker hält. Um 18:30 Uhr werden wir von Hassans Tochter zum Abendessen abgeholt. Es ist wie immer ein netter und feuchtfröhlicher Abend.

LOG 20527NM; Motor 21183 Std.

Bemerkungen:

  • Ein Sitzkissen ist über Nacht von Bord gegangen.
  • Durch starke Kränkung sind, trotz ordnungsgemäßer Lagerung zwei Gläser zerschellt.
  • Außenborder hat den Geist aufgegeben
  • Proviant nachgebunkert

Übrigens, Gulet bezeichnet man diese typischen großen türkischen Holzschiffe, mit denen Touristen Tagestouren angeboten werden.

Ucagiz

Montag, der 20. Oktober 2025. Sonnig, mit ca. 5/8 Bewölkung.

Nachts gegen 03:00 Uhr kam starker Wind auf. Etwas beunruhigend, aber der Anker hat bombenfest gehalten.

Hinter den Hügeln tauchen am Morgen dicke Wolken auf. Darüber die schon gestern bewunderten Lentis. Der Wetterbericht kündigt Starkwind an. Aber zunächst gibt es erst mal wieder Frühstück an Deck. Da ist es heute ganz angenehm, dass die Sonne nicht wieder so runter brennt. Selbst das Frühstück hat bei unserem Smutje Sterne-Niveau. Wir genießen ausgiebig. Besonders Stefan, unser Langzeitfrühstücker. Leider bin ich selbst kein großer Frühstücksfan, genieße meine Tasse Kaffee und erfreue mich an dem Anblick des reichlich gedeckten Tisches. Und so kommen wir heute erst gegen 12:00 Uhr los. Aber wir haben ja keine Eile. Stefan steuert uns aus der Bucht Richtung Osten. Unter Fock geht es weiter zum östlichen Ausgang der Kekova Bucht Richtung Demre. Wir wollen dort die neue, im Bau befindliche Marina erkunden. Es wird mit 25 bis 30kt. ziemlich windig. Wir segeln mit gerefftem Tuch. Die eineinhalb Meter Welle tun ihr Übriges. Gegen 14:30 Uhr laufen wir in die Demre-Marina ein. Das Schild besagt, dass sie zur Setur-Gruppe gehört.  Es ist wie in einer Geisterstadt. Zwar sind ca. 30% der Plätze bereits belegt, aber kein Mensch zu sehen. Wahrscheinlich dient die Marina derzeit nur als Winterlager. Von Läden, Supermarkt, Gastronomie keine Spur. Ein junger Marinero nähert sich mit dem Schlauchboot. Er merkt schnell, dass wir hier nichts wollen. Lässt uns aber bis zur Ausfahrt nicht aus den Augen. Einer aus der Crew meint „hier sieht es aus, wie im Gefängnis“. Ich kann dem nicht widersprechen. Wir fahren zurück Richtung Kekova und erreichen die Karibikbucht gegen 16:00 Uhr. Ingrid taufte sie 2018 Karibikbucht, wegen des blauen Wassers. Offiziell heißt sie Gökkaya Limani.

In der Hoffnung, dass die vielen Gullets abends heimfahren, ankern wir auf 3 Meter Tiefe mit nur 30 Meter Kette im nordwestlichen Teil der Bucht. Als Starter gibt es hausgemachtes Früchtejoghurt. Wenn die Touristenboote weg sind, werden wir noch 20 Meter Kette stecken. Zehn Meter mehr reichen dann doch aus, da Stefan getaucht ist und der Anker sich komplett eingegraben hat. Da sollte nachts nichts passieren. Außerdem läuft wieder das iPad mit und würde rechtzeitig Alarm geben.

Zum Abendessen gibt es im Backofen geschmorte Hähnchenschenkel an Zitronensauce mit Röstkartoffel. Köstlich! Anschließend kommt eine politische Diskussion in Gang. Wir liegen innenpolitisch meilenweit auseinander. Wir leben in einer Demokratie und ich hoffe, dass dies noch länger so bleibt. Da sollte zwar Jeder seine Meinung sagen dürfen. Aber es ist einfach nicht gut, wenn man dies auf einem so engen Raum, wie einem Boot, auskosten will. Deshalb genieße ich lieber die Stille an Deck. Um 23:00 Uhr ist Nachtruhe angesagt. Die Strapazen des Tages gehen nicht spurlos an uns vorbei. Der Wind schickt ab und zu Fallböen zu uns herunter. Aber im Großen und Ganzen bleibt die Nacht ruhig.    

LOG 20558NM; Motor 23850 Std.

Bemerkungen:

Lentis bzw. Lenticularis sind sogenannte Linsenwolken.

Dienstag, der 21. Oktober 2025. 1015hPa unverändert. Sonnig mit Wolken.

In der Karibik Bucht lässt sich ausgezeichnet baden und Schnorcheln. Interessant sind die kalten Stellen im Wasser. Vermutlich führen sie von unterirdischen Quellen her. Wir haben, wie immer, viel Zeit für ein ausgiebiges Frühstück. Und auch ich werde dabei immer aktiver. Dann gegen 10:45 Uhr geht es ein großes Stück zurück bis in die Bucht vor Kaş, wo wir unsere erste Nacht zugebracht haben. Die Servicebatterie blinkt rot und zeigt 11,8 Volt an. Wir reinigen die verstaubte Oberfläche der Solarzellen. Vielleicht bringt es was. Kurz nach der Abfahrt besichtigen wir noch kurz eine Höhle, die nur vom Wasser her erreichbar ist.   Die erste Strecke steuert Thomas und macht das ganz gut. Den Rest der Strecke wechselt Robert sich mit mir ab.  

Wieder sind es bis zu 30kt. Wind die uns auf offener See erwarten. Mit Wellen bis 2 Meter reiten wir dahin. Müssen gegenan kreuzen und kommen nur mühselig voran. Ab der Durchfahrt nehmen wir den Diesel zu Hilfe, um schneller voranzukommen und den Kurs besser halten zu können. Wir werden ziemlich nass bei dem Ritt. Der Wind trocknet zwar Haut und Kleidung schnell wieder ab, kühlt aber auch unangenehm. So sind wir froh, um 16:30 Uhr endlich die Bucht zu erreichen.

Da der Wind vermutlich nur gedämpft aber nicht nachlassen wird, entscheiden wir uns an einer der ausgelegten Bojen festzumachen. Eine ist noch frei. Warum sie frei ist merken wir sehr schnell. Sie besitzt keinen Ring mehr. Der Versuch trotzdem daran fest zu machen, scheitert und kostet uns den Bootshaken.

Wir entscheiden uns für das übliche Ankermanöver und sind erfolgreich. 50 Meter auf 12 Meter Tiefe am üblichen Platz.  Um uns rum ist heute ziemlich Betrieb. Meist Charteryachten aus Göҁek. Abends gibt es Jägerschnitzel mit Nudeln. In der ehemaligen DDR wurde hierzu kein Schweineschnitzel verwendet, sondern eine in Ei und Semmelbrösel gewendete dicke Scheibe Jagdwurst. Ich esse so etwas zum ersten Mal, bin aber positiv überrascht. Ich lese die letzten Seiten meines Buches. Wir sitzen unter Deck.  Zwar hat der Wind deutlich nachgelassen, aber es ist frisch geworden an Deck. Auch hat es ein paarmal leicht genieselt.

Mittwoch, der 22. Oktober 2025. 1016 hPa bewölkt. Ab und zu schaut die Sonne raus. 

Um 08:30 Uhr aufstehen, noch eine letzte Runde ums Boot. Frühstücken mit allem, was dazu gehört. Und Alles, was wegmuss. Um 10:30 Uhr sind wir abfahrbereit. Das letzte kleine Stück unserer Reise liegt vor uns. Es ist windstill bei bedecktem Himmel. Im Anflug auf Kaş-Marina bereiten wir das Boot vor. Fender raus und gut positionieren. Festmacherleinen vorbereiten. Handfunkgerät aktivieren. Die letzten beiden Manöver durchsprechen. Posten einteilen. An der Tankstelle bunkern wir 42,33 Liter Diesel nach. Dann geht es zurück zum Steg C Platz Nummer 1. Der Kreis unserer Reise schließt sich um 12:15 Uhr mit einem Manöverbier im T-Shirt bei leichtem Regen. – Unfallfrei –

LOG 20564NM; Motor 23866 Std.

Am Nachmittag begeben wir uns nach Kaş um den Transfer für morgen zu buchen. Anschließend werden in der Altstadt Souvenirs gekauft. Hierbei mussten wir feststellen, dass uns eine nicht unerhebliche Menge Geld fehlt. Vermutlich ischon seit Uçagiz. Das einzige mal, wo wir alle zusammen von Bord waren. Wir bemerkten es erst jetzt, da wir aufgrund der gemeinsamen Bordkasse unsere Geldbörsen meist an Bord gelassen haben. Die Urlaubsstimmung war schlagartig am Boden. Wenngleich wir uns, nach einer gewissen Erholungsphase beschlossen haben, uns den letzten Abend nicht verderben zu lassen. Eine richtig gute Stimmung wollte nicht mehr aufkommen. Auch nicht bei dem ausgezeichneten Essen im Sepathi-Restaurant. Und auch nicht bei der anschließenden Restbiervernichtung an Deck das noch bis Mitternacht dauerte und von alten DDR-Songs eingerahmt wurde.

Donnerstag, der 23. Oktober 2025 -Männleinlaufen- 1017 hPa Sonnenschein mit hohen Schleierwolken.

Die Restbierverwertung verursachte des Nachts ein ziemliches Männleinlaufen. Wobei ich mich hier nicht ausnehmen möchte. Auch die Hundegang war wieder sehr aktiv. Gefolgt vom Muezzin. Von irgendwelchen Schnarchgeräuschen gar nicht erst zu sprechen. Entsprechend gerädert stehe ich auf. Erstmal wieder richtig lange Duschen, ohne wegen des Wasserverbrauchs ein schlechtes Gewissen zu bekommen. Ein Schluck Kaffee an Bord. Klar Schiff machen. Dinghi verstauen. Bettwäsche abgeben. Bootsreinigung organisieren. Ein letztes Mittagessen im Passarella. Dann geht´s im Kleinbus nach Antalya zum Flieger.

Am Flughafen trennten sich unsere Wege. Zwei nach Erfurt, Zwei nach Nürnberg. Machts gut Jungs. Auch wenn´s kein Happy End gab. Mir hat es sehr gut gefallen. Ich denke gerne an Euch und an unser gemeinsames Abenteuer zurück.

Thomas

SY MERLIN