Drei Seebären und ein Liebespaar
Samstag 5. Mai
Es ist bereits 19:00 Uhr Ortszeit als wir die MERLIN betreten. Das neu eingebaute GPS strahlt uns vom Steuerstand entgegen. Der Einbau ist ausgezeichnet gelungen. Danke Olaf. Für große Sprünge ist es schon zu spät. Wir sind müde von der Anreise, verärgert über AirBerlin und hungrig wie Bären. Nach einem ausgiebigen Abendessen und einem Absacker an Bord kommt erstmals wieder dieses Gefühl durch – ich bin daheim – endlich wieder daheim.
Sonntag 5. Mai (LOG 10.600 NM)
Um 11:30 Uhr nach Frühstück, duschen und einkaufen legen wir ab. Diesmal geht es Richtung Norden. Anstatt der üblichen Schwenkbrücke bildet eine Autofähre die Verbindung vom Festland nach Lefkas. Aber das Prozedere ist das Gleiche. Zur vollen Stunde wird den Wasserfahrzeugen der Weg freigegeben. Nachdem wir frei von Land sind ist nach Jahren mal wieder eine mehr oder weniger intensive Einweisung angesagt. Schließlich haben wir mit Ramiro eine absolute Landratte und mit Marie eine erstmalige Wiederholungstäterin an Bord. Schwimmwesten, Liefbelt, Feuerlöscher, MOB-Taste, EPIRB, Rettungsinsel, Signalmittel. Das volle Programm eben. Sogar einen Fender „retten“ wir vorm Ertrinken aus den Fluten. Danach geht´s den Tonnenstrich an Preveza vorbei in den Ambrakischen Golf. Wir können weite Strecken gut segeln mit richtig Wind und wenig Welle und erreichen unser Nachtquartier schon gegen 17:00 Uhr. In der Bucht südöstlich der Landzunge Panagia gehen wir auf 12 Meter Wassertiefe mit 50 unserer 70 Meter nagelneuen Kette vor Anker. Der Wind bläßt immer noch ziemlich steif und die MERLIN dreht sich wie ein angebundener Hengst um die Kette. Andere Jachten liegen da bedeutend ruhiger. Aber dieses Verhalten kenn ich bereits zur Genüge. Das haben die 33er scheinbar so an sich. So wird an diesem Abend der Begriff SvA geboren. Spaß vor Anker. Wir nehmen es bei Spaghetti mit Pesto und Salat vollkommen gelassen. Und als nachts auch noch der Wind einschläft stören eigentlich nur noch ein paar vereinzelte Schnarchgeräusche die himmlische Ruhe unterm Stternenhimmel.
Montag 6. Mai
Der erste Blick an Deck treibt mir ein Lächeln ins Gesicht. Entgegen allen Prophezeiungen hat es um 9:00 Uhr bereits Short und T-Shirt-Temperaturen. Das Barometer steht wie festgenagelt bei 1035hPa. Der erste „Schwumm“ um´s Boot lässt dann aber doch sehr schnell erkennen, dass es erst Frühling ist. Nach einem ausgiebigen Frühstück mit Formfleisch und Spiegeleier lupft Co-Skipperin Ingrid um 11:30 Uhr den Anker aus dem Wasser. Wir wollen den Ambrakischen Golf erkunden segeln weite Teile des Binnenmeeres ab, erkunden den Hafen von Vonitsa und legen einen Badestopp in der Bucht von Paliampela ein. Es herrscht idealer Segelwind und so toben wir uns richtig aus. Immer wo es am besten geht, ohne großes Ziel vor Augen. Ab und zu eskortieren uns Pelikane. Gegen 18:00 Uhr machen wir uns auf den Weg zum 3 sm entfernten Hafen von Preveza. Dort herrscht, für diese Jahreszeit, ein ziemliches Getümmel. Eingepackt zwischen zwei Yachten ankern wir mit 40 Meter Kette. Bewölkung und Wind legen etwas zu. Oder ist es bereits die Nacht, die hereinbricht? Vor Jahren hab ich in einer Seitenstraße mal eine Fischtaverne ausfindig gemacht. Der Chef lächelt schon immer wenn ich komme. Keine Ahnung was bei ihm anders ist, aber es gibt dort den besten Fisch der Welt.
Dienstag 7. Mai
Hier in Preveza schlafen alle etwas länger, außer Mathias natürlich. Kommt wohl von der Discomusik die erst endet, wenn der letzte Gast sein Glas geleert hat. Wohl dem, der in der Bugkabine nächtigt. Aus dem Frühstück an der Hafenfront wurde nur ein Käffchen, da wir noch einen ziemlichen Weg vor uns haben. Mit frisch gebunkertem Wasser geht es um 10:00 Uhr los. Eigentlich ein einfacher Ableger, wenn sich nicht eine der Achterleinen bekniffen hätte. Bei dem Versuch mit Vorwärtsschub los zu kommen machen wir dann doch noch mit unserem Nachbarn Bekanntschaft. Aber alles halb so schlimm. Um 10:30 Uhr passieren wir bei strahlendem Wetter die erste Tonne hinaus Richtung Meer. Kurs Antipaxos. Bei 6kt Wind gegenan motoren wir erst mal. Zeit die Spaghettireste vom Sonntag zu vertilgen. Um 14:00 Uhr, der Wind wird immer stärker, beschließen wir Segel zu setzen und aufzukreuzen. Herrlicher Segelwind, weniger gut zum abspülen unter Deck. Wir kreuzen wie wild drauf los. Den ganzen Nachmittag lang. Nach mehreren Anläufen erkenne ich die Bucht wieder in der ich, aus Korfu kommend, schon einige male genächtigt habe. Die besten Plätze sind natürlich schon belegt und in der Mitte hält, trotz mehrerer Versuche, der Anker nicht richtig. Der Wind pfeift immer noch ziemlich ums Eck. Ich will nachts keinen Stress haben, man wird ja klüger. So machen wir uns auf, nach Paxos in den Hafen. OK, ich habs selbst bemerkt. Bin zu schräg achteraus gefahren. Die Ankerketten überkreuzen sich mit der Nachbaryacht an Backbord. Aber der Skipper meinte nur gelassen, wir sollen halt morgen vor ihm ablegen. So Yachties sind irgendwie cooler drauf als die gestressten Charterskipper. Auch die Crew der Steuerbords liegenden Yacht, ein Pärchen aus Schweden, sind total nett und relaxt. Kein Wunder sie sind mit Ihrer Traumyacht schon drei Monate unterwegs.
Mittwoch 8. Mai
Um 8:30 Uhr aufstehen um 8:40 Uhr ablegen. Erstens, weil ich es dem Nachbar versprochen habe. Zweitens, weil wir einen langen Weg vor uns haben. Wir verursachen keinen Ankersalat. Unser Nachbar ist nicht einmal wach geworden. Vorbei an Antipaxos nehmen wir Kurs zur Nordspitze Lefkas auf. Kein Wind, nur Welle. Ausgerechnet heute, wo wir so lange unterwegs sind. Das Navtex meldet 4-5 bft Lokal sogar 6. Aber es weht nur ein Hauch. Beim ausbaumen der Fock bricht sich Mathias fasst die Finger. Zum Glück nur fasst. Bis zur nächsten Klinik wäre es ziemlich weit. Unser Tagesprogramm: dösen – Schnittchen – dösen – Käffchen – dösen – Retina. Vor lauter Anstrengung haben einige sogar den Besuch eines Delfins verpasst. Kurz nach 16:00 Uhr, nach acht Stunden Schiffschaukel fahren, reisst der Geduldsfaden. Wir geben unseren Plan nach Itaka zu fahren auf und schippern ums Südkap von Lefkas mit Kurs Vasiliki. Nach dem Kap ist schlagartig die Welle weg und durch den Düseneffekt nimmt der Wind enorm zu. Nicht umsonst ist Vasiliki als Surfparadies bekannt. Bei 6 Meter Tiefe stecken wir 50 Meter Kette in den Sand. Das reicht aus. Wir vertilgen etliche Bleche mit selbst gebackener Pizza. Das neue Dinghi wird zu Wasser gelassen und auf Herz und Nieren erprobt. Vom Geschaukel tagsüber müde geworden fallen alle um 22:00 Uhr in die Kojen.
Donnerstag 9. Mai
9:30 Uhr. Schnell noch ein „eisiger“ Schwumm um die MERLIN bevor wir uns auf den Weg Richtung Süden machen. Wir wollen zwischen den Inseln Ithaka und Kefalonia durch. Die See ist glatt wie die gespannte Plastikfolie in der Augsburger Puppenkiste. Um 13:00 Uhr liegt Fiskardo querab. Die Düse zwischen den Inseln beschert uns die erste leichte Briese. Wir fahren im Schmetterling mit vier, später mit bis zu 5,5kt durch den Kanal. Kurzzeitig eskortiert von einem Phantomjäger der griechischen Armee. Als wir die Südspitze Ithakas runden ist durch die Landabdeckung der Spaß vorerst zu ende. Um 17:00 Uhr suchen wir eine nette Badebucht bei Nisos Pera auf. Der Wind frischt wieder auf und wir können noch mal volles Rohr segeln. Allerdings kommt uns der Wind, wie sollte es anders sein, genau entgegen. Beim Aufkreuzen kommen wir unserem Etappenziel, dem Hafen Vathi, nur recht mühsam näher. Am Festland grollen die aufgetürmten dunklen Wolken zu uns herüber. Bei Ak. Skotariya geben wir (bzw. ich) auf. Sonst wird es einfach zu spät. Um 19:30 Uhr erreichen wir Vathi. Übrigens einer meiner drei Lieblingssorte in Griechenland. An unserem Stammplatz wurden zwischenzeitlich alle Poller und Ringe demontiert oder sind weggerostet. Wir ankern im Nordöstlichen Teil des Hafenbeckens. Mathias ist an der Reihe. Dinghi fertig machen und los! Das Abendessen nehmen wir in unserer Stammtaverne ein. Wir vermissen den Seniorchef mit den buschigen Brusthaaren. Dafür tragen die Anderen alle schwarz. Keiner traut sich zu fragen. Das Essen ist trotzdem wie immer traumhaft. Mousakka, Meetballs mit Zitronensaue, Ziege, gebratenes Gemüse Mangold, Zazikki. Bei der Rückfahrt mit dem Dinghi ist Ingrid sichtlich angetan als sich im Mondschein zwei Yachten im Päckchen aneinander schmiegen. Am anderen Morgen musste sie dann „nüchtern“ feststellen, dass es ein Cat war.
Freitag 10. Mai
Alle haben lange geschlafen. Selbst Mathias der jeden Tag pünktlich um 7:30 Uhr aufsteht, hat es heute bis 10:00 Uhr in der Waagerechten gehalten. Angeblich wurde er die ganze Nacht von einer Stechmücke attackiert. Um 11:00 Uhr gehen wir Anker auf. Marie wäre heute am Ruder eingeteilt, hat sich aber gleich wieder zurück gezogen. Um 13:00 Uhr erreichen wir die One House Bay auf der Insel Atokos. Ein traumhaftes Plätzchen Erde. Leider hat sich das unter Seglern bereits rumgesprochen. Früher hatten wir hier so manche Nacht alleine zugebracht. Heute ist es so überlaufen, dass wir nur vorbei schippern. Die See ist immer noch glatt wie ein Kinderpopo. Erst gegen 14:30 Uhr kommt Wind auf. Wir segeln gemütlich östlich an Meganision vorbei. Um 15:30 Uhr sieht man Marie kurz im Niedergang. Unsere Sorgen, sie hätte sich was angetan, sind also völlig unbegründet. Auch ich nehme mir mal eine halbe Stunde Auszeit am Bug. Dem schönsten Platz an Bord. Schön aber unbequem, zumindest für Breitärsche wie mich. Delfine begleiten uns ein kurzes Stück. Der Wind schläft endgültig ein. Wir motoren die restlichen fünf Meilen nach Porto Spilla. Dort soll es neben der schönsten Aussicht auch noch den stärksten Wasserstrahl zum Haare waschen geben. Bei meinen drei Federn am Kopf, absolut bedeutungslos. Aber es gibt nicht nur Wasser, sondern auch Faßbier an der Strandbar und zwar eiskalt. Es steht gewaltig Schwell in der Bucht und schaukelt die Yachten am Steg ziemlich durch. Aber selbst der Boden an Land beginnt nachts zu schwanken. Oder liegt´s wieder mal am Ouzzo?
Samstag 11. Mai
Aufstehen 9:00 Uhr. Um 9:30 Uhr legen wir unter Motor die letzten Meilen nach Lefkas zurück. Die Woche ist wieder viel zu schnell vergangen. Auch wenn die letzten zwei Tage vom Wind her nicht besonders ergiebig waren, so haben wir doch einen Großteil der 215 Seemeilen unter Segel zurückgelegt. Bis auf die Wassertemperaturen konnten wir nicht übers Wetter klagen. Und wir hatten keinen Unfall und keinerlei Störungen. Alles in Allem eine traumhafte aber viel zu kurze Woche bei der Jeder seine Eigenarten voll ausleben konnte.
11:00 Uhr Lafkas Marina Steg C Platz 33 (LOG 10815 NM)
Thomas
Skipper der MERLIN. Meiner Göttin der Morgenröte.
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